In Amerika. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753136028
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n sie es tut, bringt sie ihn wenigstens nicht vorwärts. In Deutschland sagt man freilich:

       Ein Kerl, der spekuliert,

       ist wie ein Tier auf dürrer Heide

       von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt.

       Und rings umher liegt schöne grüne Weide.52

      Das passt aber nicht für Amerika, und gerade die Kerle, die spekulieren, bringen es hier zu etwas und werden reiche, und damit angesehene Leute.“

       „Das Spekulieren hat mich s e h r viel Geld gekostet, Roßwein.“

       „Haben es dann nicht beim richtigen Zipfel angefasst“, bemerkte Roßwein trocken. „Ich selber beschäftige mich jetzt mit einer sehr bedeutenden Spekulation, an der Sie sich vielleicht beteiligen könnten.“

       „Und die wäre?“, frug Hückler gespannt.

       „Ich beabsichtige, oben am Erie-See eine Störzucht anzulegen.“

       „Eine Störzucht?“, sagte Hückler verwundert. „Aber wo wollen Sie denn hier die Eier bekommen?“

       „Ich nehme Kaviar“, sagte Roßwein und sah den Doktor dabei mit einem so gutmütigen Gesicht an, dass Hückler, in der Naturwissenschaft sehr vernachlässigt, ganz verwundert zu ihm aufschaute.

       „Und geht das?“, fragte er.

       „Und warum soll es nicht gehen? Ich sage Ihnen, lieber Herr Doktor, dass in der Natur noch Kräfte verborgen liegen, von denen wir gar keine Idee haben. Ahnungslos birgt dabei unser eigener Geist die größten Schätze, die wir selber nicht einmal kennen, und von denen wir nur in lichten Augenblicken überrascht werden. Sehen Sie z.B. nur einmal den Ochsen da drüben, der vor dem Wagen geschirrt steht – bemerken Sie, wie ihm die Zunge da vorn heraushängt? Das dumme Beest hat aber das ganze Jahr die delikateste Ochsenzunge im Maul und weiß nicht einmal, wie sie schmeckt.“

       „Hm“, lächelte der Doktor doch etwas verlegen, „das ist eigentlich wahr – aber was ich Sie fragen wollte, Roßwein – eignet sich Donnersville in der Tat für einen Arzt?“

       „Wenn sich der Arzt für Donnersville eignet, warum nicht?“

       „Aber die Gegend scheint sehr gesund.“

       „Was hilft einem deutschen Bauern eine gesunde Gegend“, meinte Roßwein. „Er lässt sich doch jedes Jahr ein paar Mal zur Ader, oder braucht Schröpfköpfe, bis er sich so herunterbringt, dass er einen Arzt nötig hat. Die Menschen w e r d e n nicht klug.“

       „Und kann mir Herr Donner verwehren, mich hier niederzulassen? Ich bin amerikanischer Bürger und darf wohnen, wo es mir gefällt.“

       „Wenn Sie mir m e i n e Kundschaft nehmen, vergifte ich Sie“, sagte Roßwein.

       „Haben Sie keine Angst, mein guter Roßwein“, erwiderte der Doktor mit einem halb mitleidigen Lächeln, „ich rasiere mich nicht einmal selber, viel weniger andere.“

       „Sie rasieren sich nicht s e l b e r ?“, fragte Roßwein.

       „Ich – habe keine geschickte Hand dazu.“

       „Na, so lüg’ Du und der Deubel“, brummte der Barbier, schob beide Hände in seine Hosentaschen und verließ das Haus.

       Georg und Wolf hatten sich indes dem deutschen Wirtshaus zugewandt, wo in der Tat eine Anzahl von angekommenen Deutschen eingetroffen war, die hier großenteils Verwandte oder Freunde in Donnersville und die Absicht hatten, sich in der ihnen als gut geschilderten Gegend niederzulassen. Andere, die sie auf dem Schiff getroffen und mit denen sie darüber gesprochen, schlossen sich, wie das sehr häufig geht, ihnen an, und so waren es acht Familien geworden, die sich hier zusammenfanden.

       Es ist eigentümlich, wie leicht der Mensch verwildert. Den Leuten hier waren von dem Wirt für den nächsten Tag – da er nicht über mehr Raum verfügte, vier große Zimmer angewiesen worden und sie hatten sich dort, so gut es eben ging, einrichten müssen. Fünf Familien blieben ja überhaupt nur eine einzige Nacht dort, da sie am nächsten Morgen jedenfalls von ihren Verwandten abgeholt wurden. Die ganze Masse war hier auch erst seit gestern eingetroffen, aber wie sah es, in der kurzen Zeit, schon in den Räumen aus, die sie jetzt bewohnten. An das Zwischendeck eines Segelschiffs gewöhnt, auf dem sie über sieben Wochen in Schmutz und Unordnung zugebracht, setzen sie natürlich hier das Leben fort, und mit der Masse schmutziger Wäsche und feuchter Kleidungsstücke, die sie mit an Land gebracht, herrschte ein Dunst und ein Wirrwarr in den Räumen, der einem den Magen umdrehen konnte, wenn man sie nur betrat.

       Die Leute hatten in den engen Räumen und bei schlechtem Wetter vollkommen verlernt, sich reinlich zu halten, und der schauderhafte Tabakgeruch dabei, mit einem warmen Fuselgestank außerdem, erhielt bei der fast drückenden Wärme eine wahrhaft qualvolle Atmosphäre.

       Die Männer saßen zum großen Teil unten an der Bar, im sogenannten Schenkstand, und als die beiden jungen Leute den Raum betraten, war ein Amerikaner zwischen ihnen gerade eifrig beschäftigt, irgendein Schriftstück, wahrscheinlich einen Contrakt, aufzusetzen, nach welchem er sie später irgendwohin dirigieren konnte. Er hatte einen Deutschen zum Dolmetscher.

       Georg ließ sich mit den Leuten in ein Gespräch ein, er stellte sich ihnen dabei als den Eigentümer des benachbarten Grund und Bodens vor und sagte ihnen einfach, welches die Bedingungen wären, unter denen sie einen größeren oder kleineren Stück Landes erwarten könnten – die Ärmeren sogar auf günstige Kreditbedingungen.

Boardinghouse

      Auswanderer vor einem Boardinghouse

       „Entschuldigen Sie, Mr. Donner“, fiel ihm da der Yankee, ein alter Bekannter von uns, jener nämliche Mr. Sherard, dem der Platz da unten wohl zu warm geworden, ins Wort, „wenn ich mir erlaube, hier etwas einzureden. Ich bin des Deutschen allerdings nicht mächtig, habe aber doch so viel verstanden, um mir klar zu machen, was Sie wollen: nämlich Ihre Landsleute hier oben in dem ausgesogenen Norden zu halten, während der Süden mit seinem fabelhaft fruchtbaren Boden und den augenblicklich gedrückten Verhältnissen ihnen Vorteile bietet, von denen sie, nach ihren heimischen Anschauungen, keine Ahnung haben können. Ein sehr bedeutender Pflanzer in Georgien, der Sohn eines von den zur Empörung getriebenen Negern ermordeten Gentleman, der sich selber, als Amerikaner, nicht mehr getraut, unter diesen plötzlich frei gewordenen Niggern zu leben, will seine Plantage mit allen kostbaren Einrichtungen und Maschinen verkaufen. Im Ganzen ist das nun unter den jetzigen unglückseligen Verhältnissen natürlich nicht möglich, daher hat er sich entschlossen, das Land selber zu parzellieren – er besitzt ausgedehnte Länderstrecken und ist bereit, entweder eine bestimmte Summe Geldes für die einzelnen kleinen Grundstücke zu nehmen, oder auch, wenn die Einwanderer nicht über bares Geld verfügen, mit ihnen gemeinschaftlich auf Gewinnanteile abzuschließen. Außerdem haben sich, wie ein Brief besagt, den ich heute erst erhalten, auch noch mehrere andere Pflanzer dort zu einem solchen Verfahren entschlossen, da sie beabsichtigen, die Vereinigten Staaten zu verlassen und nach Yucatan auszuwandern. Sie wollen in Georgien eine vollkommen deutsche Kolonie gründen, aus der entschieden alle Irländer ferngehalten werden, und die Spekulation ist insofern eine ganz richtige, als sie wissen, wie rasch die Deutschen ein Land vorwärts bringen. Sie behalten sich natürlich einen Teil ihrer Grundstücke zurück und dürfen dann für spätere Jahre fest darauf rechnen, den Wert derselben auf das Zehnfache erhöht zu bekommen. Den Leuten hier ist das auch durch meinen Dolmetscher, einen sehr tüchtigen und mit den amerikanischen Verhältnissen genau bekannten Deutschen, schon vollständig klar gemacht, und ich hoffe, dass sie ihren Vorteil einsehen und danach handeln werden.“

       Der Dolmetscher, auf welchen sich der Yankee berief, mochte alles das sein, was dieser von ihm sagte, aber sein Äußeres bot dafür wenig Empfehlenswertes. Es war eine kleine, gedrungene , etwas aufgeschwemmte Gestalt mit einem aufgedunsenem, roten Gesicht, was vielleicht daher rührte, dass er sich seine Krawatte fester als nötig zugeschnürt. Die großen blauen, aber