„Ich hoffe Sie nehmen sich die heutigen Ergebnisse zu Herzen. Teamwork ist eine Kernkompetenz einer jeden Abteilung des Sicherheitsdienstes. Vergessen Sie das nicht, dann schaffen Sie es vielleicht mich nicht zu enttäuschen. Und nun gehen Sie nach Hause, sehen sich die Zeremonie an und vergessen den Aufsatz nicht. Wegtreten.“ Der F-Lieutanant verließ die Halle, gefolgt von den Jungen und Mädchen, die ihren jeweiligen Umkleidekabinen entgegen strömten.
Naomi beeilte sich, sie wollte als erste unter der Dusche stehen, und so bald wie möglich auf dem Heimweg sein, bevor die anderen Mädchen eine Möglichkeit bekamen sich für das unerwartet nette Verhalten von F-Lieutanant Sargei ihr gegenüber zu rächen. Über dieses Verhalten sollte sie ebenfalls nachdenken, aber jetzt war nicht die Zeit dafür, also ging sie schnellen Schrittes in die Umkleidekabine, schnappte sich ein großes Handtuch vom bereitliegenden Stapel und verschwand in der Gemeinschaftsdusche.
Gerade als das Wasser über sie hinwegspülte hörte sie, wie die ersten anderen Mädchen den Raum betraten. „sollte Ihnen genug Zeit zum Nachdenken geben“, äffte Lisa die Stimme von Sargei nach. „Was bildet die sich ein uns zu bevormunden?“ Ein Naomi unbekanntes Mädchen antwortete kichernd, „Na sie ist nun mal Offizierin, während du nur eine einfache Rekrutin bist.“. „Ich habe nur gesagt, was jeder gedacht hat, stimmt’s?“ Zustimmendes Gemurmel. Eine weitere neue Stimme fragte: „Habt ihr gesehen, wie schnell die Orinama hierhergelaufen ist. Was die wohl vor hatte?“ Naomi wusch sich so schnell sie konnte, verpasste aber durch das Wasser, das ihr in die Ohren strömte, die nächsten Sätze der Unterhaltung. Als sie das Wasser abstellte hörte sie kichern und jemand sagte: „Das will ich sehen.“ Naomi strich das meiste Wasser aus ihren langen, schwarzen Haaren und bedeckte sich mit dem Handtuch, wobei sie darauf achtete das ihr ganzer Rücken verhüllt war. Auf dem Weg zurück in die Umkleidekabine kamen ihr einige Mädchen entgegen, die sie verstohlen musterten.
„Na, Schönheit? Willst du uns nicht zeigen, womit du die alte Sargei rumgekriegt hast?“ Um Lisa herum standen Misa, Helen, Laura und noch einige andere Mädchen aus beiden Kursen. Naomi ließ sich auf kein Wortgefecht ein, gewinnen konnte sie gegenüber dieser Personengruppe im Moment sowieso nicht. Sie senkte den Kopf und drängte sich durch die Gruppe. Dabei zupfte ihr jemand am Handtuch, dass für einen kurzen Augenblick ihr oberer Rücken frei lag. Schnell zog Naomi das Handtuch wieder zurecht, aber es war zu spät.
Ein Raunen ging durch die Versammelten. Im ersten Affekt waren einige mitleidige Kommentare zu hören. „Schrecklich.“ „Die Arme.“ Dann besannen sich die Anwesenden über wen sie redeten und angeführt von Lisa kamen gehässigere Kommentare. „Sieht aus wie eine Schweißnaht “ „Verdient.“ Ihr Kopf wurde hochrot und hastig eilte sie zu ihrem Spind, um sich umzuziehen. Hinter sich hörte sie, wie die anderen noch etwas über sie redeten, bevor sie zum Duschen gingen. Jetzt war es ruhig im Raum, nur noch einzelne Studentinnen hielten sich hier auf. Naomi schlüpfte unbemerkt in ihr Kleid und verließ still und heimlich die Umkleidekabine.
Zwischenspiel: Die Dokumentation
An diesem Tag fiel die Zeremonie auf den ersten Schultag nach den Übergangsferien. Die Lehrer der Maranaka School, einer der Primärschulen der Last Hope, hatten sich darauf geeinigt diesen besonderen Tag zu nutzen, um ihren Schülern die Einzelheiten des größten Terrorangriffs, den die Bevölkerung des Schiffes je hatte erleiden müssen, näher zu bringen. Die Lehrer waren angewiesen worden vor allem den Trauernden nicht zu viel aufzulasten und darauf zu achten, dass niemand mit dieser Situation nicht fertig wurde.
Herr Villan war da anderer Ansicht, vor allem bei einem Mädchen aus dieser neunten Primärstufe würde er darauf achten, dass niemand vergas wer sie war.
Das kleine Mistding hatte ihm im letzten Jahr zu viele Probleme bereitet, fast hätte die Schulleiterin ihn seines Amtes enthoben. Dann wäre er, ein Mann, der vieles riskiert hatte, um so weit zu kommen mit einem Schlag allen Möglichkeiten beraubt worden. Aber nein, er hatte dafür gesorgt, dass der manipulierte Aufsatz verschwunden war und so war der Rektorin nichts anderes übriggeblieben, als ihn mit einer Verwarnung davon kommen zu lassen. Aber es war zu knapp gewesen und jetzt hatte er die Chance sich dafür zu rächen.
Er setzte sein bestes Lächeln auf, bevor er die Tür zum Klassenzimmer aufschob. „Guten Morgen euch allen“, begrüßte er sie und erhielt eine respektvolle Antwort. Sein Blick schweifte über die Reihen an Schülern. In der ersten Reihe saßen wie gewohnt die Streber, aber alle die letztes Jahr nach vorne bestellt worden waren saßen wieder weiter hinten. Von den Schülern trugen drei die Kleidung der Trauer mit den zugehörigen roten Streifen. Zwei davon saßen im Mittelfeld des Klassenzimmers, sie gehörten zu den beliebten und alle fühlten mit ihnen mit.
Aber ganz hinten, allein in der letzten Reihe saß ein kleines schwarzhaariges Mädchen, dessen grüne Augen ihn traurig musterten. Auf ihrer Schulter prangten 2 Streifen. Wieder kochte die Wut in ihm hoch, was bildete die Göre sich ein, ihn so anzuschauen? Aber das würde ihr noch vergehen, dafür würde er sorgen. Er musste sich dabei auch keine Sorgen um die anderen Betroffenen machen, jeder wusste wer dieses Kind war und dieses Wissen sorgte dafür, dass man es entweder nicht beachtete oder auf ihr rumhackte. Ihm war beides recht, jetzt da er wusste, was für eine verlogene Schlange das war. Er senkte den Kopf etwas und setzte ein bekümmertes Gesicht auf.
„Obwohl heute ein freudiger Tag des Wiedersehens sein sollte, ist heute ein Tag der Trauer. Ich muss euch nicht sagen an was wir heute, zu Beginn des Schuljahres gedenken, aber seit euch versichert, ein Tag der Trauer ist besser als die Trauer über das Jahr zu erstrecken.“, Er ließ seine Worte kurz wirken, bevor er fortfuhr, „Um euch die Möglichkeit zu geben an der Trauerzeremonie heute Nachmittag teilzunehmen endet der Unterricht auch nach dieser Stunde, aber das hat euch Mr. Erra bestimmt schon mitgeteilt.“
Ein paar der Schüler nickten, Villan war überzeugt, dass die meisten bei keiner Prozession antreten würden, sondern die Möglichkeit nutzten verfrüht ins Wochenende zu starten. Er konnte es ihnen nicht übelnehmen, er selbst würde es genauso handhaben. „Als euer Lehrer bin ich dennoch verpflichtet euch am heutigen Tage etwas beizubringen, deshalb habe ich mir überlegt, dass wir uns einen Dokumentarfilm über den Anschlag ansehen werden. Aber“, er hob ermahnend den Zeigefinger, „dass ist kein Freifahrtschein sein Gehirn auszuschalten. Wir werden das ganze etwas interaktiver gestalten, also erwarte ich von euch etwas mitdenken.“
Befriedigt sah er, dass die Augen der Göre sich geweitet hatten, während der überwiegende Rest der Klasse keine Reaktion zeigte. Auch den zwei anderen, in schwarz gekleideten, schien sein Plan nicht allzu sehr zu missfallen. Also tippte er etwas auf seinem Pult herum, bis digitalen Elemente in der Wand hinter sich aktiviert wurden und sich so ein großer Bildschirm ergab. Er drückte auf Play und startete den Film. Der Film startete, wie viele seiner Art, mit einer Menge Superlativen. „grausamster Anschlag.“, „höchster Verlust an menschlichem Leben seit“ und so weiter. Aber anders als viele andere beschränkte sich dieser Film nicht auf eine langweilige Analyse der Ursachen und der Folgen, er zeigte reale Filmaufnahmen der Geiselnahme und garnierte das Ganze mit Zeugenbefragungen. Der erste Teil der Dokumentation drehte sich darum, wie die Kolonialisten so weit gekommen. Als der Film zeigt, wie die Terroristen den Park in ihre Gewalt brachten unterbrach Villan den Film.
Er erhob sich und blickte in die Klasse. „Wir haben gerade gesehen, dass es den Kolonialisten gelang annähernd 1.000 Leute unter ihre Gewalt zu bringen. Wir werden gleich sehen, wofür diese Geiseln gebraucht wurden, aber zuvor möchte ich von euch wissen, wie interpretiert ihr die Geiselnahme. Warum wurde der Bonaparte-Park zum Ziel des Angriffs, warum entschieden sie sich zu einer solchen … drastischen Maßnahme.“ Er wartete einige Sekunden, bevor er ungeduldig mit der Zunge schnalzte. Der Junge in schwarzer Kleidung, mit einem roten Streifen auf der Schulter, hob die Hand. „Ja, Maik.“ „Es war ein Akt der Verzweiflung. Sie wussten, dass