„Die paar mal.“
„Wie oft?“
„Ab und zu.“
„Wie oft?“
„Ein bis zwei Mal.“
„Im Monat?“
Sarah verzog ihr Gesicht. Warum wollte er ihr jetzt die Vorfreude nehmen? Sie schmollte.
„In der Woche. Aber…“
„Nichts aber“, unterbrach er sie. „Meinst du, die Ärzte haben das nicht mitbekommen?“
Sarah zuckte nur mit den Schultern.
„Wenn man dich so reden hört, könnte man denken, dass du das gar nicht willst.“
Beherzt aber mit einer gewissen Sanftheit packte Frank Sarah an den Oberarmen.
„Sarah, wie kannst du so was sagen? Ich will, dass du glücklich bist. Ich will, dass das, was du dir wünschst oder was du dir vornimmst, auch in Erfüllung geht. Ich will aber nicht, dass du dir falsche Hoffnung machst oder dir jemand weh tut.“
„Was will er denn dann von mir? Du weißt doch was? Hat er jedenfalls gesagt.“
Frank zögerte kurz.
„Ich weiß nur, dass es um die Kunstgegenstände geht. Irgendetwas liegt da im Argen. Mehr weiß ich auch nicht.“
„Und wann wolltest du mir das sagen?“
Ratlos zuckte der Kommissar mit den Schultern.
„Irgendwann…, keine Ahnung. Ich wollte, dass du das heute hier genießt. Ich hätte es dir noch erzählt. Ich wusste nicht, dass es so eilig ist.“
„Aber du kommst mit?“
„Ich muss! Schon vergessen, ich bin der Polizist. Es war mein Fall. Und wie es scheint, ist er es wieder oder immer noch.“
Mit einem leisen gut kauerte sie sich an Franks Brust. Behutsam strich er ihr durchs Haar während sich sein Blick mit dem von Sarahs Vater traf. Er hatte die Unterhaltung beobachtet, vielleicht auch ein paar Wortfetzen verstanden. Auf alle Fälle sah er besorgt aus. Besorgter als damals, als Frank ihm das erste Mal begegnete. So sehr es ihn freute, dass Herbert jetzt mehr Interesse an dem Wohl seiner Tochter zeigte, umso mehr hätte er ihn gerne beruhigt, dass Sarah nicht schon wieder enttäuscht wird. Konnte er aber nicht. Er wusste es ja selber nicht, war sich aber sicher, dass er es wüsste, wenn Kuntz Sarah wieder in den Polizeidienst nehmen würde. Ihn graulte es ein wenig vor morgen. Wie wird Sarah wohl reagieren, wenn sie erfährt, dass es nur um den Fall geht, von dem alle Beteiligten schon dachten, er ist abgeschlossen.
„Komm lass uns die anderen rausschmeißen, dann haben wir unsere Ruhe.“
Nachdenklich stimmte Frank mit einem kurzen Kopfnicken und einem wohlwollenden Lächeln den Worten von Sarah zu. Er küsste sie, umarmte sie und beide machten sich auf, ihre in Aufbruchstimmung befindlichen Eltern, den Pfarrer und Sina zu verabschieden. Während das bei Sina und dem Pfarrer mit einem kurzen Dankeschön und einem beiläufigen Winken relativ rasch ging, Gustav sowieso schon wieder auf dem Liegestuhl vor seinem „Stall“ kauerte und Franzi wild gestikulierend irgendwelche haarsträubende Geschichten erzählte, warteten ihre Eltern schon sehnsüchtig, dass Frank und Sarah sich ihnen zuwandten.
„So mein Mädchen, dann bist du uns erst mal eine Weile los. Ab jetzt legt Papa sich auf die faule Haut.“
Ein bisschen sehnsuchtsvoll schaute Sarah ihren Vater an, während sie sich in seine ausgestreckten Arme fallen ließ.
„Glaubst du, dass du das hinbekommst, so ganz ohne Arbeit? Drei Monate an der Nordsee ohne Telefon, jeden Morgen ausschlafen, keine Termine, den ganzen Tag mit Mama?“
Skeptisch schaute Herbert drein.
„Ganz ohne Arbeit? Ja! Ohne Telefon? Ja! Jeden Morgen ausschlafen? Auch! Den ganzen Tag mit deiner Mutter…? Da bin ich noch skeptisch.“
„Na sage mal…, was soll denn das heißen?“
„War doch nur ein Scherz. Ich war doch mein halbes Leben den ganzen Tag mit deiner Mutter zusammen, außerdem, gesagt ist gesagt. Ich hab’s ihr nun mal versprochen. Davon abgesehen, Telefon habe ich ja mit, und du? Kriegst du das morgen hin?“
„Du kannst nicht aufhören, willst immer alles wissen. Hast wohl wieder gelauscht?“
„Man kann eben nicht alles von heute auf morgen ablegen. Ruhestand hin, Ruhestand her, du bleibst nun mal meine Tochter.“
„Was soll mir denn noch groß passieren? Außerdem ist Frank ja bei mir, da werde ich mich schon benehmen.“
„Na dann…“
Sarah drückte ihrem Vater einen dicken Schmatzer auf, wischte ihm zart über die Wange und rückte sein Schlips zu Recht.
„Danke nochmal. Danke, dass du das hier alles gemanagt hast.“
„Los jetzt!“, rief Herbert seiner Frau und Franks Mutter zu, als hätte er Sarahs Worte nicht vernommen. „Schnappt euch Franzi und dann los.“
Selbst Gustav wuchtete sich noch mal aus seinem Liegestuhl, obwohl er solche Abschiedsarien eigentlich nicht mochte. Mit seinem Zigarrenstumpen im Mundwinkel stellte er sich zu Sarah und Frank, die dem davonfahrenden Wagen hinterhersahen.
„Jut.“
„Was ist gut?“, wandte Sarah sich an Gustav.
„Jut, wenn die dann endlich wieder abhauen.“
„Gustav.“ Mit einem nicht ganz ernst gemeinten Klaps gegen Gustavs Arm quittierte Sarah das störrische Gebrabbel.
„Naja, is doch so. Stadtmenschen. Ick hab ma schon so an det ruhige Leben gewöhnt. Ein Jequatsche, ein Jequietsche, eine Hektik…, nee…, ick brauch meene Ruhe. Und deshalb lass ick euch jetzt och alleene. Kiekt euch noch ruhig an wie die abhauen, aber achtet druf, dass die och wirklich weg sind.“
„Mach’s gut Gustav.“
Sarah schaute noch kurz dem alten Brabbler hinterher um sich dann liebevoll an Frank zu lehnen. Sie beobachte, wie er sehnsuchtsvoll seiner Tochter hinterherschaute, die wild gestikulierend von der Rückbank winkte.
„Morgen seht ihr euch ja wieder.“
„Ja, aber dann sehe ich dich nicht.“
„Tja, so ist das mit zwei Frauen. Außerdem bin ich doch morgen mit dir.“
Nachdenklich lauschte Frank Sarahs Worten, Sein Blick verharrte die Dorfstraße hinunter, wo außer einer Staubwolke in der abendlichen Dämmerung nicht viel zu sehen war.
Kapitel 2
Nervös trommelte Sarah mit ihren Fingern auf dem brusthohen Tresen am Empfang herum.
„Warum dauert das so lange?“
„Weil der Herr Polizeidirektor nicht immer kann, wie er will. Außerdem sind Sie zu früh.“
Verunsichert schaute Sarah in das Gesicht der netten Empfangsdame.
„Sie wollen mich ja nur beruhigen.“
„Ja das will ich. Außerdem, wenn ich ehrlich bin, nervt ein wenig ihr Getrommel.“
Sarah hielt inne. Ein kurzer Blick zu Frank, der nicht unweit neben ihr stand, ein kurzes Nicken seinerseits und ein skeptischer Blick von ihm, bestätigte ihr, dass die junge Frau wohl Recht zu haben schien. Sarah blickte hoch zu der Uhr an der Wand. Noch 12 Minuten, viel zu früh. Die Dame am Empfang folgte Sarahs Blick mit einem verschmitzten Lächeln.
„Ganz genau, wenn beide Zeiger ganz oben stehen, dann spätestens kommt der…“
„Ja, ja, ja…“, unterbrach Sarah die Frau. „…ich hab‘s ja verstanden.“