Tonda Knorr
Banque pour l'art
Totenwache 2.Teil
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Banque pour l’art
-Totenwache 2. Teil-
von
Tonda Knorr
Behutsam berührte Sarah die vermutlich von Franzi liebevoll um die Türklinke gewickelte kleine rote Schleife. Sie zögerte ein wenig das kalte Messing der Klinke zu berühren um das nagelneue, fast schon überdimensionalem Holztor zu öffnen, welches zu der Scheune gehört, die im letzten Jahr während der aufregenden Ereignisse um ihren Gutshof fast bis auf die Grundmauern abgebrannt wäre, wenn, ja, wenn da nicht ihr ganz persönlicher Kommissar und die Einwohner von Glostelitz gewesen wären. Vorsichtig nimmt Sarah ihre Hand zurück und vergräbt sie in ihrer Hosentasche. Ihr Blick schweift durch das leicht getönte Glas der Torfenster, welche einen verschwommenen Blick in das Innere zulassen.
Systematisch kehrten die Bilder der Geschehnisse um die auf ihrem Grundstück gefundenen toten russischen Soldaten zurück. Und mit den Bildern des letzten Sommers kamen auch die Erinnerungen an das Jahr davor zurück.
Sie, Sarah Fender, eine 35jährige lebenslustige, ganz ansehnliche, um nicht zu sagen hübsche Berliner Hauptkommissarin aus wohlhabendem Hause, wurde bei einem Polizeieinsatz im Jahr 2005 von ihren Kollegen im Stich gelassen, geriet in einen Hinterhalt, wurde verprügelt und vergewaltigt.
Auf Grund medizinischer Gutachten wurde sie für dienstunfähig erklärt und in den Ruhestand versetzt. Mit sich selbst, ihren Eltern, dem mit ihrer Familie befreundeten Polizeidirektor und dem Rest der Welt unzufrieden, nahm sie nach ihrer langwierigen Genesung ein Jahr später das Angebot ihres Vaters, einem Berliner Großindustriellen an, auf einem schon ewig leerstehenden, von Ihrem Vater günstig erworbenen, ehemaligen Gutshof in Glostelitz zur Ruhe zu kommen.
Glostelitz ist ein kleines verschlafendes Dorf in Brandenburg, welches wie viele andere noch immer auf den versprochenen großen Aufschwung wartete.
Bei Bauarbeiten auf dem Gutshof wurden menschliche Knochenreste gefunden, die bei ihr langsam wieder den polizeilichen Instinkt weckten. Da den Knochenresten russische Uniformen beilagen, wurde die Angelegenheit zu einem Fall für eine spezielle Sonderkommission, die dem Berliner Polizeidirektor Bernhard Kuntz untersteht. Als Erziehungsmaßnahme beauftragte Kuntz den damals wegen Befehlsmissachtung suspendierten Kommissar Frank Wagner, sich des Falles anzunehmen.
Unwissend, dass der Kommissar genau den Mann im Dienst erschossen hat, der als Drahtzieher des Hinterhalts galt, welcher Sarahs Leben verändert hatte, entwickelte sich zögerlich eine Zusammenarbeit, die Frank Wagner mehr und mehr daran zweifeln ließ, dass er es bei ihr mit einer normalen Zivilistin zu tun hatte.
Anfangs schien der Fall uninteressant, wurde aber nach und nach zu einer geheimnisvollen Reise durch die deutsche Vergangenheit.
Von den Dorfbewohnern noch mit Argwohn beobachtet, unterstützte Sarah den Kommissar bei seiner akribischen Kleinarbeit und wurde dann zur treibenden Kraft.
Lange Zeit hüllten sich die Dorfbewohner in Schweigen.
Ein Pfarrer, der keiner ist, eine geheimnisvolle alte Frau, Sarahs Nachbarin, die bis zum Fund der Knochenreste tagtäglich auf der Straße gegenüber Sarahs Scheune hockte und vor allem Benno, der unberechenbare sonderbare Sohn des Pfarrers, der fortwährend von einem Raum ohne Türen faselte, gaben Sarah und dem Kommissar mehr Rätsel auf, als dass sie ihnen bei der Lösung des Falls behilflich waren.
Während sie dem Geheimnis der Toten nur schleppend auf die Spur kamen, entwickelte sich zwischen ihr und Frank eine persönliche Zuneigung, die sich bei ihr dadurch verstärkte, dass sie Franks Tochter kennenlernte. Konfrontiert mit der Offenheit, mit der der Kommissar und seine 10jährige Tochter Franziska mit dem Tod seiner Frau und ihrer Mutter umgingen, überdachte Sarah ihr eigenes Leben. Trotz der langsam aufkommenden Zuneigung für Frank, ließ sie ihn über ihre Vergangenheit im Unklaren. Sie hatte viel zu viel mit sich selbst zu tun, als sich ihm vollends zu öffnen, obwohl die Möglichkeit da war, als Frank ihr eigentlich ganz nebenbei suggerierte, dass er im Dienst ihren Peiniger erschossen hatte.
Jede seiner Fragen zu ihrer Vergangenheit ließ sie unbeantwortet. Sie ließ sie ihn sogar im Ungewissen darüber, wen er da erschossen hatte und erkannte nicht, dass er eigentlich mehr an ihr als Person, als an ihrer beruflichen Vergangenheit interessiert war. Sie merkte einfach nicht, dass Frank sich genauso in sie verliebt hatte, wie sie in ihn.
Über seine Möglichkeiten als Polizist erfuhr Frank aber doch von ihrem Vorleben, aber auch er offenbarte ihr sein Wissen nicht.
Sarah huschte ein Lächeln über das Gesicht, während sie an die Geheimniskrämerei von damals zurückdachte. Wie einfach könnten sich die Menschen doch ihr Leben machen, wenn sie einfach mehr miteinander reden würden. Gerade sie, die doch eigentlich immer das Herz auf der Zunge trug.
Umso näher