„Seid Ihr denn auf einmal daran interessiert, dass man Euch als Flottenoberkommandierende respektiert? Das wäre mir neu, zumal Ihr auch während der letzten paar Glas deutlich gemacht habt, dass Ihr nicht sehr viel Wert darauf legt, die erhitzten Gemüter der Seeleute zu besänftigen …“
„Das ist nicht der Punkt, Kasai.“
„Für Euch immer noch Magus Primus Major Kasai. Und ich bin anderer Meinung als Ihr, Frau Pasiphae-Opoulos. Thema dieses Gesprächs ist Eure Inkompetenz, die wir gerade dabei sind, in allen Facetten zu erörtern.“
„Thema ist, dass Ihr dabei seid, klammheimlich Lucretias Posten zu übernehmen und nebenbei versucht, meinen Stellenwert zu untergraben.“
„Das ist Verleumdung!“
„Das ist offensichtlich. Ihr werdet Euch jetzt auf Eure eigentliche Arbeit konzentrieren und diesen heimlichen Botschaftenverfasser ermitteln, und zwar, ohne dass sich Eure Leute dabei an die Admiralität hängen. Ich verstehe nicht, was genau Ihr ans Licht bringen wollt, indem Ihr die Vizeadmiräle beschatten lasst. Das ist Aufgabe der Assassinen. Eure Zauberkundigen sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, in ihrem näheren Umfeld zu prüfen, ob Magie gewirkt wird, die unter den Bereich der Dämonenbeschwörung fällt. Denn wir wissen bereits, dass das verdeckte Chaosbündnismitglied, das die Botschaften an Lucretia verfasst hat, diese mittels Schattenboten übermittelt hat. Und Schattenboten werden mit Hilfe von Beschwörungszaubern gerufen. Ebenso ist es möglich, dass die Träume mit magischen Mitteln geschickt wurden. Auch hier sollen Eure Leute sich darauf konzentrieren, magische Aktivitäten aufzuspüren und ihnen bei Verdacht nachzugehen. Das ist der Weg, wie man den Verrätern, ob nun Schreiber oder Traumwirker, auf die Spur kommt.“
Kasai lächelte fast schon mitleidig. „Sieh an. Ihr seid wohl neuerdings in der Zauberkunde bewandert. Oder wie kommt Ihr sonst auf die Idee, Ihr wüsstet darüber Bescheid, wie man in solch einer Angelegenheit vorgeht?“
„Das sagt mir mein Hausverstand.“
„Oh, ich verstehe, Euer Hausverstand …“ Er lehnte sich zurück und faltete seine schlanken Hände in seinem Schoß. „Wenn das so ist, dann werdet Ihr mit Unterstützung Eures Hausverstandes gewiss auch verstehen, dass die Zauberkundigen in diesem Fall keine weiteren Untersuchungen im Hinblick auf die Verräter unternehmen können. Wenn man uns den Freiraum nicht zugesteht, der für unsere Arbeit erforderlich ist, sodass wir selbst entscheiden können, wie wir im Falle des Falles vorgehen …“
„Es ist Eure verdammte Pflicht, Euch, wie jeder andere auch, für diese Mission ins Zeug zu legen“, fuhr Chara ihn an. Sie war kurz davor, Feuer zu speien und wäre sie Waron, stünde die Messe jetzt in Flammen. Nie hatte jemand sie derartig in Rage gebracht wie dieser kleinkarierte Spießer, der es schaffte, ihr jedes verdammte Wort im Mund umzudrehen, womit er nichts weiter tat, als von seinen hinterfotzigen Spielchen abzulenken.
„Nicht, solange sich die Dinge im Expeditionskommando so indiskutabel verhalten wie im Augenblick“, schnarrte er. „Im guten Willen und um die aggressive und damit gefährliche Situation innerhalb des Kommandos zu entschärfen, stelle ich den Antrag, hier einige Gesetze einzuführen. Wird der Antrag abgelehnt, sehen sich die Zauberkundigen gezwungen, sich mit tiefstem Bedauern aus dem Kommando und dieser Mission zurückzuziehen.“
Es wurde still in der Messe.
„Nun“, mischte sich Darcean ein. „Als Rechtsgelehrter bin ich gerne bereit, ein Protokoll über die genaue Gesetzeslage zu erstellen, möchte aber anmerken, dass es sich bei Eurer Ankündigung in punkto Rückzug der Zauberkundigen um Erpressung handelt.“
Netter Versuch, aber leider ließ sich Kasai davon nicht aus dem Konzept bringen.
„Die Missstände in diesem diktatorisch geführten Stab müssen beseitigt werden. Ansonsten sehe ich nicht, wie die auf uns zukommenden Aufgaben bewältigt werden könnten. Ich beantrage daher folgende Gesetze einzuführen:
Keine Vorabsprachen einzelner Kommandomitglieder. Keine Einmischung in die Kompetenzbereiche der jeweils anderen Kommandanten. In Zukunft gilt eine demokratische Entscheidungsfindung. Das bedeutet – nur um es auch denen begreiflich zu machen, die sich lediglich auf ihren Hausverstand berufen können …“ Seine spitze Nase schwenkte zu Chara. „… Ausschließlich die vereinte Stimmgewalt führt zur Gültigkeit einer Entscheidung. Darüber hinaus tritt das Recht der Zauberkundigen in Kraft, sich bei einem Verstoß gegen die Regeln aus der Mission zurückzuziehen. Werden die geforderten Gesetze abgelehnt, betrachte ich dies als eine Gefahr für Leib und Leben sowie für Hab und Gut der Zauberkundigen, und sehe mich gezwungen, jede weitere Zusammenarbeit selbiger mit dem Kommando dieser Expedition zu unterbinden.“
Siralen hatte ihre Feder zur Seite gelegt und sah nun zum ersten Mal richtiggehend besorgt aus. Sie erhob sich und schob ihren Zopf in den Nacken.
„Ohne die Unterstützung der Zauberkundigen sind uns anderen die Hände gebunden. Das ist Euch bewusst, oder, Magus Primus Major?“
„Das ist ihm sogar sehr bewusst“, bemerkte Chara. In ihrem Rücken spürte sie die Anspannung Noks und Itis.
Siralen nickte ernst. „Ich verstehe Eure Sorge um diese Mission und Euer Ansinnen, im Kommando und auch im restlichen Flottenverband für Ordnung zu sorgen, Magus Primus Major. Und ja, wir haben hier noch einiges zu verbessern. Dennoch befinde ich die Art und Weise, wie Ihr Euren Willen durchsetzt, für ähnlich undemokratisch, wie Ihr es Chara vorwerft.“
Jetzt kam Bewegung in den schwarzen Stoffberg, der Kerrim hieß und sich bislang kaum zu Wort gemeldet hatte.
„Nur so aine Frage, Kħasai … Sind das aigentlich Frau L’Incartos Forderungen oder die von Euch?“ Er schnappte sich wie nebenbei seine Pfeife aus Charas Hand und verhalf sich zu einem innigen Lungenzug.
„Werter Herr Ben Yussef“, näselte Kasai, „ich spreche natürlich alle hier von mir vorgebrachten Anträge mit Frau Lucretia L’Incarto ab, bevor ich sie zur Diskussion stelle.“
„Ah natürelich! Ist es wahr, dass Lucretia sich fühlet nicht ganż wohl und dass das auch ihre gaistige Verfassung betrifft ain bisschen …“
„Wollt Ihr Frau L’Incarto etwa unterstellen, sie wäre nicht bei Verst…“
„Nain, gar nicht. Es freut mich nur, dass Ihr Euch so vortreffelich kħümmert um Lucretia – wo sie doch gerade ist beschäftigt so sehr mit der Trauer um Olschewski – und abnehmt ihr die Last, ganż allain żu treffen Entschaidungen. Seher löblich.“
Womit klar war, dass es einen gab, der wusste, wie man jemandem wie Kasai das Maul stopfte. Jedenfalls wurde es endlich ruhig in der Messe.
„Ich schlage vor, Darcean setzt den Gesetzestext auf“, meldete sich erneut Siralen zu Wort. „Im Endeffekt haben wir keine andere Wahl, als Euren Forderungen nachzukommen, Magus Primus.“
Das Major in seinem Titel fiel ganz nebenbei unter den Tisch. Die Höflichkeit, mit der Siralen Kasai begegnete, schrumpfte mit jedem Satz. Noch einer mehr und Kasai war bis zu einem einfachen Magus degradiert. Auch eine Möglichkeit.
„Dir ist klar, dass er uns damit vollends in der Hand hat, oder?“, sagte Chara.
„Wir haben keine Wahl.“
„Genau davon rede ich.“
Ein beschwörender Blick seitens der Elfenkriegerin, und Chara lenkte ein: „Also gut. Gebt ihm, was er will. Ich werde unterzeichnen.“
Sie stand auf und wandte sich Kasai zu, woraufhin Nok und Iti sofort Haltung annahmen. „Ich gebe Tauron Bescheid, dass die Überwachung der Vizeadmiräle sofort eingestellt wird. Die Zauberkundigen werden die Admiräle nicht länger behelligen. Halten sie