Palmer :Black Notice. Stephan Lake. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephan Lake
Издательство: Bookwire
Серия: Palmer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742720078
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      Azone beobachtete etwas hinter ihm, und Palmer spürte jemanden zu ihrem Tisch kommen. Er hielt ihren Finger fest.

      „Hey, ihr beiden Turteltauben, wir machen Schluss für heute. Hat euch die Musik gefallen?“

      Jason.

      Palmer lächelte.

      Jason musterte Azone, erst das Gesicht, dann ein schneller Blick etwas tiefer, dann wieder das Gesicht. Und grinste dann Palmer vielsagend an.

      Palmer sagte, „Absolut, Jason. Ich mag zwar keinen Jazz und es war mir auch zu laut, aber absolut.“

      Jason lachte, „Lynyrd Skynyrd ... Jazz? Witzbold“, und sagte, „Okay, dann also bis nächstes Wochenende. Vielleicht sehen wir uns dann auch wieder, schöne Lady? Falls Sie auf Rock stehen, so wie unser Palmer hier, sollten Sie unbedingt wieder herkommen. Nächstes Wochenende haben wir eine wirklich tolle Band. Spielen guten, alten Rock'n Roll der Siebziger und Achtziger, ohne Schnörkel und ohne Albernheiten aus dem Computer. Obwohl, Sie scheinen ja eher der Westerntyp zu sein.“

      „Ich mag auch Rock, Jason. Aber ich weiß nicht, ob Palmer und ich noch solange hier sein werden. Wir wollen nämlich verreisen. Nicht wahr, Sweety?“

      Palmer sagte, „Du willst verreisen. Aber ich glaube nicht, dass ich mitkommen kann.“

      „Das würde ich mir aber noch einmal überlegen, Buddy“, sagte Jason. Im Weggehen gab Jason ihm mit seiner schweren Hand einen Schlag auf die Schulter, als ob Palmer etwas Großes vorhätte und er ihn beglückwünschen oder ihm dafür die Schulter brechen wollte.

      Palmer ließ Azones Hand los und stand auf. „Wir sollten gehen. Honey.“

      Azone stand auch auf. Sie hielt einen Revolver in der Hand. Mattschwarze Lackierung, kurzer, dicker Lauf, Hahn gespannt. Kaliber achtunddreißig, vermutlich sechs Patronen in der Trommel, er konnte es nicht genau erkennen. Ein Schuss aus dieser Entfernung und ihm wäre der Unterschenkel abgeflogen.

      Palmer hörte ein knackendes Geräusch, als sie mit dem Daumen den Hahn aus der Fixierung löste. Sie beugte sich nach vorne, den Arm über ihren Ausschnitt haltend und ließ den Revolver in einem ihrer Stiefel verschwinden und lächelte ihn an. „Jetzt können wir gehen, Sweety.“

      Sie gingen zur Veranda hinaus – Palmer konnte deutlich das getrocknete Blut auf dem Holzboden sehen und machte einen großen Schritt darüber hinweg und die Agentin machte es ihm nach – und die Treppe hinab auf den Parkplatz. Er fragte sich, ob der Revolver in ihrem Stiefel drückte oder aus Versehen losgehen würde, denn Revolver haben selten eine Sicherung. Aber nichts geschah.

      Palmer schaute über den Parkplatz. Er war gut zu überblicken, jetzt, da die Sterne leuchteten. Nur noch drei Trucks, zwei Autos und zwei schwere Motorräder, die vermutlich den Coyotes gehörten. Palmer hätte drei Motorräder erwartet, für jeden der Coyotes eines.

      Von Hernandez und den Brüdern war nichts zu sehen. Vielleicht hatten sie Freunde zu Hilfe gerufen und hielten sich solange versteckt. Vielleicht hatte der eine Bruder den anderen auf dem fehlenden Motorrad mitgenommen und war mit ihm ins Krankenhaus gefahren. Was eine beachtenswerte Leistung wäre mit einem gebrochenen Arm und einer zerschnittenen Hand.

      „Palmer? Wir brauchen wirklich Ihre Hilfe. Was sagen Sie?“

      Ihr Blick war wenig hoffnungsvoll, als würde sie seine Antwort bereits kennen.

      „Sie irren sich mit Li. Er ist kein Terrorist. Also sage ich: vergessen Sie’s.“

      „Das ist schade. Denn wir werden Mark Li finden, auf jeden Fall. Und dann wird es niemanden geben, der einen Grund hätte, ihn lebend zu fassen.“

      Sie wollte gehen.

      Er sagte, „Eine Frage noch, Agent. Wie sind Sie auf mich gekommen? Wer hat Ihnen von mir erzählt?“

      „Das sind aber zwei Fragen“, sagte sie mit einem kurzen Lächeln.

      „Wer, Agent Azone?“

      Sie zögerte einen Moment und schüttelte den Kopf. „Sie müssen das selbst herausfinden, ich kann Ihnen dabei nicht helfen. Nur eins“, sagte sie, „ich meine es ehrlich mit Ihnen.“

      Sie drehte sich um und ging, blieb aber nach wenigen Schritten stehen. Er sah sie etwas aufschreiben und dann mit dem Stück Papier in der Hand zurückkommen.

      „Rufen Sie mich an, wenn Sie Ihre Meinung ändern.“ Sie hielt ihm den Zettel hin. Zum ersten Mal bemerkte er den Duft ihres Parfums, bescheiden und unaufdringlich. „Und ... dass ich Sie einen Hurensohn genannt habe, tut mir leid.“

      Palmer nahm den Zettel. Ihr Name stand darauf und eine Mobilnummer.

      „Warum?“, sagte er. „Ich bin einer.“

      13

      Als Kristina zu ihrem Leihwagen kam, sah sie Hernandez im Schatten auf dem Boden liegen.

      War er bewusstlos? Oder war er etwa ...?

      Sie zog den Revolver aus dem Stiefel, endlich, das blöde Ding hatte sie gedrückt, und ging hin zu ihm und tippte ihm den Lauf gegen die Stirn.

      Uh-unh, nicht tot. Er stöhnte.

      Machte wohl ein Nickerchen, der Rocker.

      Er öffnete die Augen und sah sie. Agent fucking Azone. Und in diesem lächerlichen Fummel. Genau wie diese ... uh, wie hieß die noch? ... Na, die von früher? Wie hieß die nochmal ...? Als würde sie jeden Augenblick anfangen zu singen und zu tanzen. Lächerlich. Albern. Die Hand mit dem Revolver, locker an der Seite, änderte daran nichts.

      Und jetzt fing sie auch noch an zu reden.

      „Sie sollten Palmer meine Nachricht überbringen, Sie blöder Idiot. Sie sollten ihm verdeutlichen, dass mir ein Treffen mit ihm wichtig ist.“

      Doris Day. Ja, genau wie diese kitschige Doris Day sah die Azone aus.

      Er richtete sich auf und lehnte seinen Rücken gegen die spröde Holzwand des Roadhouse. Er spreizte die Beine, sonst würde er wieder zur Seite kippen. Und überlegte. Was hat sie gesagt? Ach ja. Er spuckte Blut aus und antwortete. Er sprach langsam, verstand aber seine eigenen Worte nicht.

      Fuck.

      Sein Alter hat sich genauso angehört in den letzten Monaten seines beschissenen Lebens. Zahnlos, dauernd besoffen. Geld hat er ihm geklaut, seinem Sohn, und Weed, ständig, obwohl er jedes Mal dafür Prügel bezogen hat. Und dann hat er sich bei den Nachbarn ausgeheult, dieser Scheißtyp. Und die Nachbarn? Eine rothaarige Schlampe, mit der sein Alter rumgemacht hat, hinter dem Haus, im Schuppen, er hatte die beiden oft genug beobachtet, und ihr lahmer Kerl, der immer nur vor dem Kasten gelegen hat? Haben nur gelacht, besoffen und bekifft wie die selbst waren. Aber er hatte kein schlechtes Gewissen wegen seinem Alten, shit, er hat selbst oft genug Prügel von ihm bezogen, als er noch kleiner war. Aber irgendwann war er größer, schwerer, wurde ein Coyote und ein Boxer und ... bam. Lights out. Go fuck yourself, Daddy.

      „Stattdessen legen Sie sich mit ihm an. Was haben Sie sich denn dabei gedacht? Ah, vergessen Sie's, natürlich haben Sie sich gar nichts dabei gedacht, Hernandez, wie sollen Sie auch mit Ihrem sogenannten Gehirn.“

      Er bewegte die Zunge den Gaumen entlang, langsam, vorsichtig. Die Zunge war geschwollen, die Spitze abgebissen, das spürte er. Beide Schneidezähne waren draußen, beide, tiefe Wunden im Zahnfleisch, die immer noch bluteten, das spürte er auch. Fuck you very much, Palmer. Dazu hämmerte sein Kopf wie nach einer dieser Nächte mit zu viel Bier und zu vielen Pillen. Oder zu wenigen Pillen, je nachdem.

      Er hob die verletzte Hand und hielt sie vor sein Gesicht. Die Haut aufgerissen bis auf die Knochen, die Finger vollständig taub. Und trotzdem hämmerte das Blut darin. You're fuckin' shittin' me.

      „Sie hats ja ganz schön erwischt. Gut so. Sie sehen aus, als wäre ein Truck über Sie gerollt. Ich muss