dich aber, die gemeinsamen Übungen träge und die privaten eifrig anzuwenden.
Erfülle zuerst treu und gewissenhaft deine Pflicht und Schuldigkeit. Wenn du dann
noch Zeit erübrigst, widme dich dir selbst, wie dich deine Hingabe treibt.
4. Jede Übung eignet sich nicht für jeden. Dem einen ist diese angemessener, dem
anderen jene. Es empfiehlt sich auch, je nach dem Charakter der Zeit mit den
Übungen zu wechseln. Einige eignen sich mehr für Festtage, andere mehr für
Werktage. Diese tun uns Not zur Zeit der Versuchung, jene in Stunden des Friedens
und der Ruhe. Manches überdenken wir gern, wenn wir traurig sind, anderes, wenn
wir uns freuen in Gott. Vor den Hauptfesttagen soll man die bewährten Übungen
erneuern und die Fürbitte der Heiligen mit mehr Inbrunst anrufen. Von einem Fest
zum andern sollten wir Vorsätze fassen, als wenn wir dann von dieser Welt scheiden
würden, um in den ewigen Feiertag einzugehen. Darum werden wir uns in den
geweihten Tagen sorgsam vorbereiten, mit größerer Hingabe leben und allen
Pflichten gewissenhaft nachkommen, so treu, als würden wir in Kürze von Gott den
Lohn für unsere Mühe empfangen.. Hat es aber bis dahin noch gute Weile, so lasst uns glauben, dass wir nicht genügend dafür vorbereitet und darum einer so großen
"Herrlichkeit, die zur vorbestimmten Zeit an uns offenbar werden soll" (Röm 8, 18),
unwürdig waren. Seien wir also bemüht, uns besser auf den Heimgang einzustellen.
"Selig", heißt es beim Evangelisten Lukas, "wen der Herr bei seiner Ankunft
wachend findet! Wahrlich, ich sage euch, über alle seine Güter wird er ihn setzen"
(12, 37-44).
Liebe zu Einsamkeit und Schweigen
1. Minuten der Stille schaffen besinnliche Menschen mit sicherem Auftreten.
2. Den Freunden der Stille erwächst eine noch größere Sicherheit, wenn sie demütig
und geduldig sind.
3. In der Stille begegnen dir: Reue, Trost, Licht und göttliche Nähe.
4. Die Stille bewahrt dein Herz vor unnötiger Zerstreuung.
5. Nicht die laute Welt, die Einsamkeit ist dein Himmel auf Erden.
1. Suche dir eine passende Zeit, um für dich zu sein, und gedenke oft der Wohltaten
Gottes. Laß von der Neugier! Lies Bücher, die mehr der Zerknirschung als der
Unterhaltung dienen. Wenn du dich des übermäßigen Schwätzens und des müßigen
Umherlaufens enthältst und dein Ohr den Neuigkeiten und Gerüchten verschließest,
wirst du genügende und passende Zeit zu guter Betrachtung finden. Die größten
Heiligen mieden den Umgang mit Menschen, wo sie nur konnten, und zogen es vor,
Gott im verborgenen zu dienen. Es hat jemand gesagt: "Sooft ich unter Menschen
weilte, war ich beim Heimgehen weniger Mensch." Das erfahren wir öfter, wenn wir
uns lange unterhalten. Es ist leichter, nichts zu reden, als reden und nicht fehlen. Es
ist leichter, im Hause zurückgezogen zu leben, als draußen genügend über sich zu
wachen. Wer also ein innerlicher, ein geistlicher Mensch werden möchte, muss mit
Jesus der Menge ausweichen. Keiner tritt sicher an die Öffentlichkeit, der nicht gern
im Verborgenen bleibt. Keiner tritt im Reden mit Sicherheit auf, der nicht gern
schweigt. Keiner kann andern sicher vorstehen, der nicht gern untertan ist. Keiner
kann sicher befehlen, der nicht gut gelernt hat zu gehorchen. Keiner wird sich
wahrhaft freuen, wenn er nicht das Zeugnis des guten Gewissens in sich trägt.
2. Doch war die Sicherheit der Heiligen stets mit großer Gottesfurcht gepaart. Sie
lebten, gerade weil sie durch große Tugend und Gnade glänzten, nur um so
wachsamer und demütiger. Die Sicherheit der Bösen aber entspringt dem Stolz und
der Anmaßung und schlägt schließlich in Selbsttäuschung um. Versprich dir niemals
Sicherheit in diesem Leben, mag man dich auch für einen guten Ordensmann oder
einen frommen Einsiedler halten. Die sich im Leben besonderer Hochschätzung der
Menschen erfreuten, sind oft in die größte Gefahr geraten, weil sie zuviel auf sich
selbst vertrauten. Daher ist es für viele besser, dass sie von Versuchungen nicht
gänzlich frei bleiben, sondern öfters angefochten werden, damit sie sich nicht allzu
sicher fühlen, den Kopf nicht zu hoch tragen und nicht zügellos zu äußeren
Tröstungen abschweifen.
3. Wer niemals vergängliche Freude suchte und mit der Welt nichts zu tun haben
möchte, ein wie gutes Gewissen würde der sich bewahren! Wer alle eitle Sorge
ablegte, nur noch an heilsame und göttliche Dinge dächte und seine ganze Hoffnung
auf Gott setzte, welch tiefen Frieden, welche Ruhe würde er kosten! Keiner ist der
Tröstungen des Himmels würdig, der sich nicht eifrig in heiliger Zerknirschung geübt
hat. Willst du bis auf den Grund des Herzens zerknirscht werden, geh in deine
Kammer und verschließe dich dem Lärm der Welt, wie geschrieben steht: "Auf
eurem Lager erwecket Reue" (Ps 4, 5). In der Zelle wirst du finden, was du draußen
so oft verlierst. Stetig bewohnt, wird sie dir lieb, schlecht gehütet, erzeugt sie Ekel.
Wenn du sie zu Beginn deines Ordenslebens treu bewohnst und hütest, wird sie
später deine vertraute Freundin und ein höchst willkommener Trost. Im Schweigen
und in der Ruhe schreitet die hingegebene Seele voran und dringt sie in die Tiefe der
Schriften ein. Dort findet sie die Tränenbäche, worin sie sich allnächtlich wäscht und
reinigt, um ihrem Schöpfer um so näher zu kommen, je weiter sie sich von allem
Treiben der Welt fern hält. Wer sich also von Bekannten und Freunden zurückzieht,
dem naht sich Gott mit seinen heiligen Engeln.
4. Besser ist es, verborgen zu bleiben und für sein Heil zu sorgen, als sich selbst zu
vernachlässigen und Wunder zu tun. Zum Lobe gereicht es dem Ordensmann, wenn
er selten ausgeht, sich nicht gern zeigt und keinen Menschen sehen will. Warum
willst du sehen, was du doch nicht haben darfst? "Die Welt vergeht samt ihrer Lust"
(1 Joh 2, 17). Die Gelüste der Sinne bestimmen dich, spazieren zu gehen, ist aber die
Stunde vorüber, was anderes bringst du heim als ein beschwertes Gewissen und ein
zerstreutes Herz!