Himmelslandtourist. Henny Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henny Frank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742756701
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Tage, an denen ich solche heftigen Magenschmerzen hatte. Heute aber geht’s mir wieder besser. Die Schmerzen haben nachgelassen und auch mit der Milz scheint alles okay zu sein.

      Keine Blutung durch zu wenige Blutplättchen, oder so.

      Wisst Ihr, durch die unreifen, weißen Leukämiezellen werden die so genannten Thrombozyten (Blutplättchen) verdrängt und dass führt dann zu vermehrter Blutungsneigung.

      Ich fühle mich im Moment ein wenig müde und schwach und ich hoffe, dass meine Blutwerte in absehbarer Zeit wieder ansteigen werden.

      Die sind nämlich etwas im Keller.

      Nun wandere ich langsam durch den Park.

      Heute werd ich im Krankenhaus bleiben, aber morgen will ich mit meinen Eltern wieder in den Fasa-Park.

      “Sollten dann die Hirsche auf der Auenwiese sein”, murmle ich vor mich hin, “dann füttere ich sie. So gefährlich kann das doch nicht sein…

      Und wenn schon - mir egal! Ich will endlich wieder ein Tier streicheln dürfen. Für die Seele soll so was jedenfalls sehr gut sein,

      das hab ich schon tausendmal irgendwo gehört oder gelesen…“

      Ich habe nun die Bank unter der Buche erreicht, lasse mich dort nieder und sehe in die Baumkrone über mir.

      Jetzt im Winter ist sie vollständig blattlos. Ich kann in den Himmel hinauf blicken und nachdem ich dies eine Weile getan hab, lehne ich mich zurück und schließe die Augen.

      Am liebsten hätt ich jetzt auch wieder meine Kopfbedeckung abgesetzt, aber wisst Ihr, ich bin ja nicht allein im Park und es ist mir doch ohne Haare vor anderen so unangenehm.

      Außerdem sehe ich heut, zumindest für meine Verhältnisse, einigermaßen cool aus. Paul hat mir nämlich sein Tuch mit diesem schwarzen Muster hier gelassen.

      “Ich glaub, dass würd dir ganz gut stehen”, hat er gemeint, mir meine Mütze abgesetzt und anschließend das Tuch um den Kopf gebunden.

      Danach musterte er mich.

      “Siehst du - perfekt”, erklärte er und nickte zufrieden.

      Ich ging nach nebenan ins Bad, um in den Spiegel zu sehen.

      Paul blieb in seinem Bett, er fühlte sich ja so schlapp und müde.

      Als ich mich im Spiegel sah, musste ich zugeben, dass Paul recht hatte -

      ich seh jetzt viel besser aus als mit dieser Mütze.

      An für sich bin ich ja nie ein großer Kopfbedeckungsträger gewesen, doch jetzt, wo ich keine Haare mehr hab, ist es vielleicht ganz ratsam, sich einen kleinen Vorrat davon zuzulegen.

      Als ich aus dem Badezimmer zurückkam, lag Paul in seinem Bett und starrte vor sich hin. Er hatte sich nichts wieder auf den Kopf gesetzt, doch er ist auch ohne Haare bildschön. Im Ernst, er ist der einzige, den ich bisher gesehen hab, dem diese Chemoglatze auch noch steht. Außerdem fangen seine Haare ja nun, wo er schon länger keine Chemo mehr bekommt, wieder zu wachsen an.

      Paul gibt allerdings nicht viel darauf.

      “Das wird bestimmt total heftig, wenn das Immunsystem und das alte Knochenmark kaputtgemacht werden. Und wie viele Tabletten man dabei schlucken muss - über 90 Stück - pro Tag, stell dir das mal vor!

      Und dann diese Isolierungsphase nach der Transplantation…”

      Er schluckte. “Überhaupt, was dabei alles für Komplikationen auftreten können…

      Jetzt weinte er fast. “Weißt du, ich hab ganz schön Angst.

      Aber ohne das alles sterb ich ja auch…”

      Ich nahm seine Hand. “Ich weiß. Vielleicht wird aber auch alles gut.”

      Er hielt meine Hand und nickte.

      So saßen wir ziemlich lange, ohne ein Wort zu sprechen.

      Paul tat mir unendlich leid. Ich kann gut verstehen, dass er solche Angst hat, denn die hätte ich an seiner Stelle auch.

      So ungefährlich ist diese (allogene) Stammzellentransplantation nämlich wirklich nicht.

      Die Übertragung des Knochenmarks geschieht schnell und ist noch das geringste Problem. Der Weg dorthin, die Konditionierung, aber ist hart.

      Weil das eigene Knochenmark und damit das Imunsystem vollständig zerstört werden, hat der Körper keinerlei Abwehrkräfte mehr und man muss die erste Zeit nach der Transplantation, bis das neue Knochenmark Blutzellen bildet, in einem absolut sterilen Isolierzimmer verbringen.

      Der Tag, an dem die Transplantation stattfindet, heißt übrigens Tag null. Von da an beginnt die Wartezeit, ob das übertragene Knochenmark im neuen Körper auch funktionstüchtig sein wird.

      Einige Patienten sterben bevor das geschieht an einem Infekt, weil sie ja überhaupt keine körpereigene Abwehr mehr haben.

      Außerdem kann es zu so genannten Abstoßungsreaktionen kommen.

      Vom Spender werden nämlich auch Abwehrzellen mit transplantiert und diese richten sich dann möglicherweise gegen Gewebezellen im Körper des Empfängers.

      Ich glaube, das wird Graft-versus-Host-Disease” genannt;

      übersetzt soviel wie “Transplantat-gegen-Wirt (=Empfänger)-Reaktion.

      Das allein kann schon ziemlich gefährlich sein. Und sollte das ganze chronisch werden, dann ist es erst recht lebensbedrohlich.

      Die chronische GvHD ist jedenfalls der Hauptgrund, warum Patienten nach einer Stammzellenspende oftmals früh versterben.

      Schließlich kann es auch noch vorkommen, dass zwar keine starken Komplikationen oder Infekte auftreten, aber die Ursprungserkrankung; die Leukämie nämlich, wieder ausbricht - ein so genannter Rückfall.

      Keine Ahnung wie genau das passieren kann. Vielleicht aber haben ein paar von den Leukämiezellen die Hochdosis- Chemo bei der Konditionierung überlebt, oder es fangen wegen des genetischen Defekts im Körper des Empfängers auch die neuen Stammzellen wieder an, sich unkontrolliert zu vermehren.

      Wie auch immer, Ihr wisst nun dass selbst mit nem Spender noch

      genügend Möglichkeiten bleiben um abzutreten und genau deshalb hat Paul solche Angst.

      Ich seufzte und starre hier unter meiner Buche nachdenklich vor mich hin. Auch mein Schicksal ist ungewiss.

      Es ist noch keine drei Monate her, da hatte ich noch nicht mal mit der Behandlung angefangen und ausgesehen wie immer.

      Nun hab ich das Gefühl, als hätte ich diesen kahlen Kopf schon mein Leben lang. Im Ernst, es erscheint mir Jahre her zu sein, dass Haare darauf gewachsen sind. Ich kann also noch nicht mal behaupten, dass dieser Kahlschlag neu oder ungewohnt wär.

      Nee, das ist es nicht, es ist bloß so erniedrigend irgendwie, aber das hatten wir ja alles schon.

      Ich muss jetzt an die Augenblicke denken, in denen es mir so schlecht ging, dass es mir egal war, wie ich aussehe und ich ermahne mich,

      dass ich mich daran erfreuen sollte, dass es mir wenigstens heute gut geht - verhältnismäßig gut.

      Ach, und wo ich sowieso gerade bei ner Lektion in Sachen positives Denken bin, beschließe ich auch gleich, ganz fest daran zu glauben,

      dass es Paul bald wieder besser gehen wird - wenn sie erst den Spender gefunden haben und er all das hinter sich hat.

      Und diese bescheuerte chronische GvHD oder irgendeinen anderen Kram; einen Infekt oder nen Rückfall, bekommt er selbstverständlich auch nicht.

      Irgendwie bin ich ja neugierig, wie er wohl aussehen wird, wenn er nicht mehr so krank und müde ist und sein Haar, seine Augenbrauen und seine Wimpern wieder nachgewachsen sind.

      Wohlmöglich