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über seine Rolle zusammengestellt. In „Glossen“ genannten essayistischen Einschüben ergänzt er die biografischen Mitteilungen durch den geschichtlichen Kontext, in dem Durruti handelte. Hier werden Aussagen über die geschichtlichen Wurzeln des Anarchismus getroffen (1917-1931, 1931-1936) und Gründe für seinen Niedergang benannt. In der Glosse „Das Altern der Revolution“ verarbeitet der Autor die Begegnungen mit noch lebenden spanischen Anarchisten im Exil, deren moralische Überlegenheit und Verankerung in den Volksmassen er gegen das Sektierertum zeitgenössischer anarchistischer Zirkel in Westeuropa stellt.

      Zu den organisierenden Leitideen von Enzensbergers Version über Leben und Tod Durrutis gehört die Demontage des Mythos vom einzelnen und seiner Bedeutung in den geschichtlichen Verläufen. Der Autor nutzt das öffentliche Interesse an Biografien, um entgegen der gängigen Vorstellung von autonomer Persönlichkeit einen Heldentyp vorzustellen, der in den sozialen und politischen Kämpfen seiner Klasse geboren wurde und dessen Leben in seinen Handlungen aufgegangen ist. Dabei ist er Führer seiner Klassengenossen geworden und lebt in ihrem Gedächtnis bis heute fort. Die Individualität des Mannes ergibt sich aus solch kollektiver Verankerung, sie ist von hohem moralischem Anspruch an sich selbst und an die Bewegung bestimmt, in der er steht. Die Gründe für den Niedergang der Anarchisten, auch ihren Anteil an der Niederlage im spanischen Bürgerkrieg ergeben sich in Enzensbergers Darstellung aus dem Zusammenprall von Freiheits- und Gleichheitsidealen mit den Notwendigkeiten des aufgezwungenen Kampfes, die eine strikte Unterordnung unter Disziplin und Organisation nötig machten. Gegen die blutige Praxis kommunistischer Parteien stellt der Autor den Glanz der anarchistischen Ideale, die in der kollektiven Legendenbildung um ihren Führer wachgeblieben sind. Da er sie im Vergleich zum realpolitischen Machtgebrauch kommunistischer Parteien als unbefleckt vom Verschleiß durch Machterhalt sieht, will er sie als Versprechen auf die Zukunft wachhalten.

      Zugleich findet der Autor in solcher kollektiven Legendenbildung auch den Widerschein geschichtlicher Kämpfe, an deren Wahrheit immer nur Annäherung gelingt. Enzensberger apostrophiert Geschichte hier gar als eine Erfindung, zu der die Wirklichkeit lediglich ihre Materialien liefert. „Aber sie ist keine beliebige Erfindung. Das Interesse, das sie erweckt, gründet auf den Interessen derer, die sie erzählen; und sie erlaubt es denen, die ihr zuhören, ihre eigenen Interessen, ebenso wie die ihrer Feinde, wiederzuerkennen und genauer zu bestimmen. Der wissenschaftlichen Recherche, die sich interesselos dünkt, verdanken wir vieles; doch sie bleibt Schlemihl, eine Kunstfigur.“ Im Flimmern der kollektiven Überlieferungsgeschichte findet Enzensberger den ästhetischen Widerschein der geschichtlichen Widersprüche, die er so zur Anschauung bringt.

      Auch der poetische Rückblick auf die Siebzigerjahre mit der Sammlung „Die Furie des Verschwindens“ (1980) dokumentiert den Abschied von einem bewegten Jahrzehnt, in dem es Aufbrüche gab, die schon bald wieder verebbten. Es herrscht die Lakonie der Ernüchterung, Illusionen werden verabschiedet, von den politischen Kämpfen wird deutlich Abstand genommen. Diese Bewegungsrichtung bezeugt auch:

      Der Fliegende Robert

      Eskapismus, ruft ihr mir zu,

      vorwurfsvoll.

      Was denn sonst, antworte ich,

      bei diesem Sauwetter!,

      spanne den Regenschirm auf

      und erhebe mich über die Lüfte.

      Von euch aus gesehen,

      werde ich immer kleiner und kleiner,

      bis ich verschwunden bin.

      Ich hinterlasse nichts weiter

      Als eine Legende,

      mit der ihr Neidhammel,

      wenn es draußen stürmt,

      euern Kindern in den Ohren liegt,

      damit sie euch nicht davonfliegen.

      Er hält Abstand zu den politischen Bewegungen der kommenden Jahre, engagiert sich weder in den ökologischen Bestrebungen, noch in anderen Protestformen dieser Zeit direkt. Das bedeutete aber nicht den Verzicht auf publizistische Aktivitäten. Mit dem Essay zur „Flick-Affäre“ (1987) und der Veröffentlichung der Untersuchungen der US-amerikanischen Militärregierung für Deutschland (OMGUS) gegen deutsche Großbanken und Industrieunternehmen, die er in drei Bänden der von ihm seit 1985 herausgegebenen Buchreihe „Die Andere Bibliothek“ zugänglich macht, setzt er seine Bemühungen um aufklärerische Unterrichtung der Öffentlichkeit fort. Zeitweilig wird er Mitherausgeber der Zeitschrift „Trans-Atlantik“, eines exklusiven publizistischen Mediums, das mit der Beilage „Journal des Luxus und der Moden“ einem entpolitisierten Zeitgefühl Konzessionen machte. Hier widmet er sich in Reportagen Konkretem und Einzelnem, das Bemühen um analytische Durchdringung tritt in den Hintergrund. Der 1987 erschienene Band „Ach Europa!“ ist charakteristisch für dieses Verfahren. Der Autor unterbreitet in anekdotisch zugespitzter Form Wahrnehmungen aus sieben Ländern von den Rändern des Kontinents. Die Berichte stammen aus Ost und West und bezeugen in heilsamer Diffusion die Auflösung ideologischer Zuschreibungen. Zugleich vergegenwärtigen sie die Vielfalt und den Eigensinn der Menschen in den Regionen Europas, die den globalen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen entgegenstehen.

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