Joayna. Victoria M. Castle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Victoria M. Castle
Издательство: Bookwire
Серия: Joayna
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742723789
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auf seine Frage.

      „Du willst mir nach all dem, was du gehört hast, immer noch helfen?“, fragte sie schließlich vorsichtig und beobachtete ihn, als er wieder zurückkam und die frischen Kräuter auf die Wunde legte, um sofort damit zu beginnen, einen neuen Verband anzulegen.

      Tyler zögerte und antwortete nicht direkt. Er hielt kurz inne, setzte dann aber seine Arbeit schweigend fort.

      „Tyler?“, fragte Lindsay erneut und er blickte zu ihr auf. „Hast du keine Angst vor mir?“

      Er lächelte sanft als Antwort und lehnte sich dann wieder zurück, als er fertig war.

      „Angst nimmt uns den ganzen Spaß, nicht wahr?“, antwortete er nun und lachte. „Ich bin auf der Durchreise. Ich möchte nach Nordwesten, nach Tiéfwâas. Möchtest du mit mir kommen?“

      Lindsay sah ihn verwundert an. Sie war noch nie in Tiéfwâas gewesen, dem Elfental. Sie hatte bislang auch nur Gerüchte darüber gehört.

      Sie überlegte eine Weile und blickte ihn dann an.

       Vielleicht können die Elfen mir helfen, herauszufinden, was mit mir los ist und wie ich es kontrollieren kann. Wer weiß, wie lange ich hier noch sicher bin, bevor man mich findet. Ich muss sowieso von hier verschwinden.

      Lindsay nickte schließlich und lächelte leicht. Wieder blickte sie zu dem Feuer.

      Es faszinierte sie, wie es vor sich hin flackerte.

      Tyler legte sich auf den Rücken und schaute in den Himmel.

      Eine Weile verharrten sie so und schwiegen sich an.

      Lindsay genoss seine Nähe, dass er keine Fragen stellte und sie auch einfach so annahm, wie sie war. Es gab ihr Halt, nach alledem, was passiert war und zum ersten Mal seit Angelos' Tod spürte sie Hoffnung in sich aufkommen. Ein wärmendes Gefühl, dass sich in ihr breitmachte.

      In Gedanken versunken beobachtete sie weiterhin das Feuer. Erst jetzt fiel ihr auf, wie wunderschön die Flammen eigentlich waren, wie das Licht sich darin brach und tausend kleiner Funken aufblitzen ließ. Wie das Rot in das Orange schmolz und schließlich in dem Gelb mündete. Alles wurde plötzlich klarer, es gab nur noch sie und diese Flammen.

      Lindsay fühlte sich entspannt und vollkommen losgelöst.

      Das Feuer war so wunderschön, dass Lindsay es berühren wollte. Langsam streckte sie ihre Hand danach aus und ihre Fingerspitzen berührten die heißen Flammen. Doch sie spürte keine Hitze, das Feuer versenkte ihre Haut nicht und kein Schmerz trat an diese Stelle. Es fühlte sich kalt an und sie genoss es, wie das Feuer und sie durch diese bloße Berührung Eins zu werden schienen. Lindsay schloss die Augen und holte tief Luft. Sie fühlte die pure Energie in sich strömen, diese Hitze, diese Wohltat.

      „Lindsay?“, hauchte Tyler und hustete leicht. Seine Stimme klang leise, als sei sie weit entfernt.

      Tyler hatte sich längst aufgesetzt und sie zuerst von der Berührung des Feuers abhalten wollen, doch sie war nicht zu bremsen. Überrascht, dass sie nicht verbrannte, ließ er sie zunächst, doch plötzlich überkam ihn eine fürchterlich schmerzende Hitze von innen heraus und er hielt sich die Hand auf die Brust.

      Als er erneut hustete, musste das Lindsay aus der Starre gelöst haben, denn nun sah sie ihn an. Erst eine kurze Weile ohne Regung, bis er wieder auf den Rücken fiel und ein letztes Mal hustete und anschließend die Augen schloss.

      Nun weitete Lindsay die Augen und sah, was passiert war.

      „Tyler?!“, rief sie aus und beugte sich zu ihm, nahm ihn sanft in die Arme und schüttelte ihn leicht, wie sie es zuvor auch mit Angelos getan hatte. „Nein!“

      Sie ließ ihn erneut zu Boden sinken.

      „Nicht schon wieder!“, rief sie aus und starrte ihn noch eine kurze Weile an. Dann drehte sie sich um und rannte zum See.

      Lindsay erinnerte sich an den Feuerball, den sie in der Nacht zuvor auf die Krieger geworfen hatte und auch Angelos hatte immer wieder von einer Hitze gesprochen, bevor er gestorben war.

      In ihrer Verzweiflung fiel ihr nichts Besseres ein, als das Wasser in ihre Hände zu schöpfen und es zu ihm zu bringen. Es war so eiskalt, es musste ihn abkühlen.

      Als sie merkte, dass sie nicht genug mit ihren Händen schöpfen konnte, suchte sie in Tylers Gürteltasche nach der Flasche. Dabei fand sie die Ocarina, die er zuvor hineingesteckt hatte und legte sie neben sich. Sie löste die Tasche von seinem Gürtel und entleerte den gesamten Inhalt, doch mehr als ein paar Kräuter, ein paar Münzen und die Flasche fand sie nicht.

      Lindsay nahm die Flasche und schraubte sie auf. Es war noch etwas Wasser darin, was sie sogleich ihm an die Lippen ansetzte und in seinen Mund fließen lies, doch er rührte sich nicht.

      Erneut rannte sie zum See, füllte die Flasche und kam zurück, goss die Hälfte des Wassers über sein Gesicht und ließ die andere Hälfte wieder in seinen Mund fließen, doch erneut rührte er sich nicht.

      Also legte Lindsay die Flasche beiseite, griff unter seine beiden Arme, hievte ihn etwas nach oben und zu ihrer Überraschung war er deutlich leichter, als sie erwartet hatte. Fast schon mühelos zog sie Tyler zum See herüber, um seinen Körper langsam hineingleiten zu lassen. Sie achtete darauf, dass sein Kopf noch über Wasser war, doch hoffte sie, dass es ihn so schnell abkühlen würde.

      Doch nachdem sie einige Minuten gewartet und gehofft hatte, wurde Lindsay klar, dass er nicht mehr zu sich kam.

      Tränen rannen ihr über die Augen und sie schluchzte, während sie langsam seinen Körper losließ. Sein Oberkörper lag am Rande des Ufers, sodass er nicht gänzlich im Wasser versank.

      Nachdem sie eine kurze Weile geweint hatte und einfach neben ihm saß, beschloss sie, nach Nordwesten zu den Elfen zu gehen, von denen er gesprochen hatte. Sie brauchte dringend Hilfe.

      Sie packte die Kräuter, die Münzen, die Flasche, die sie abermals auffüllte und die Ocarina zurück in die Gürteltasche und befestigte sie an der anderen Seite an ihrem Gürtel. Dann holte sie zwei der Kräuterblätter noch einmal heraus und legte ihm jeweils eins auf die geschlossenen Augen. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und verließ den See.

      Weit kam Lindsay nicht, denn da hörte sie hinter sich wieder ein Rascheln im Gebüsch.

      Sie drehte sich abrupt um und versuchte zu sehen, wer ihr gefolgt war.

      „Wer ist da?“, fragte sie mit kalter Stimme und stellte sich mit den Rücken vor einen Baum.

      Aus dem Gebüsch trat ein Mädchen mit langen braunen Haaren, die zu einem schwachen Knoten gebunden waren, und mit einem rosafarbenen Stoffkleid.

      „Tyler?“, fragte das Mädchen vorsichtig und Lindsay entspannte ihre Züge.

      Sie wusste nicht, was sie antworten sollte.

      Das Mädchen erkannte nun Lindsay und trat näher an sie heran.

      „Entschuldigt, habt Ihr einen jungen Mann getroffen, dunkelblonde Haare und etwa so groß?“, fragte das Mädchen und hob die flache Hand über ihren Kopf, um die Größe von Tyler anzudeuten. Es musste ein paar Jahre jünger als sie sein.

      Lindsay nickte leicht, doch in ihr brodelte noch immer die Hitze und ihr Blick blieb eiskalt.

      „Du solltest nach ihm suchen, er ist am See“, sagte sie mit kalter Stimme.

      „See? Welcher See? Bitte, könnt Ihr mich hinbringen?“, fragte das Mädchen und griff nach Lindsays Hand.

      Dieser entwich ein Knurren aus der Kehle und mit blitzschnellen, unnatürlichen Bewegungen hatte sie das Mädchen umgedreht und an den Baum gepresst, das Gesicht dicht an ihrem und sah ihr eiskalt in die Augen.

      Das Kind erschrak und begann ängstlich zu zittern.

      Lindsay spürte diese Angst und es fühlte sich gut an.

      Sie strich dem Mädchen sehnsüchtig über das Haar. Sie wollte es verschlingen,