Profan. Dennis Herzog. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dennis Herzog
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752930160
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Er stand nur da, wedelte versonnen mit einem Zeigefinger durch die Luft, ganz so als würde er besagte Nervenstränge zählen.

      Außerstande irgendeine einigermaßen sinnvolle Antwort zu formulieren murmelte er unartikulierte Worte und nickte unentwegt.

      Plötzlich waren ihre Lippen ganz nah bei seinem Ohr, und sie hauchte:

       "Na, du bist mir ja einer."

      Überrumpelt und beim besten Willen nicht begreifend worauf sie damit anspielen wollte, drehte er sich schlussendlich doch zu ihr herum und blickte in schöne grüne Augen, die am Außenrand ins Blaue wechselten. Ihre Lippen zeigten ein schmales, sanftes Lächeln.

      Hatte sie lediglich bemerkt, dass sie ihm aufgefallen war? Hatte er sie vorhin zu offensiv beobachtet? Dieser kurze Augenblick? - Oder spielte ihm seine zeitliche Erinnerung einen Streich, und er hatte sie lange genug angestarrt, dass es ihr nicht entgangen sein konnte?

      Aber hatten das nicht alle?

      Allerdings hatte sie auch keineswegs beleidigt, oder gar negativ geklungen. Sie würde sich doch sicherlich anders verhalten, oder andere Worte wählen, um ihm ihre Missbilligung mitzuteilen. Würde es sie stören, dass er ein so offensichtliches Interesse an ihr zur Schau stellte, hätte sie ihn doch wohl eher gemieden.

      Seiner Vermutung nach konnte er unmöglich der einzige Mann in der Halle sein, dem ihr – untertrieben gesagt - gutes Aussehen nicht entgangen war.

      Verstohlen ließ er den Blick schweifen, um festzustellen, ob die vor ihm stehende Frau nicht gar in diesem Moment weitere Blicke auf sich zog.

      Er brauchte keine zehn Sekunden um mit einiger Sicherheit behaupten zu können, mit seiner Vermutung absolut recht behalten zu haben. Selbst die Männer in Begleitung ihrer jeweiligen Partnerinnen, wagten mehr als nur flüchtige Blicke. Schlimmer noch: Jeder Einzelne verriet sich mit gierigem Blick auf seine momentane Gesprächspartnerin.

      Scheinbar, weil seinerseits noch immer keine Antwort auf ihre Anrede erfolgt war, erschöpfte sich wohl mittlerweile doch ihre Geduld. Denn als er sie jetzt wieder anblickte hatte sie eine leicht säuerliche Miene aufgesetzt.

      Er schätzte sie auf Ende zwanzig. Sie war so gut wie gar nicht geschminkt. Ein leichter schwarzer Lid-strich, der die schmalen Brauen betonte. Ihr Gesicht war lediglich leicht mit Puder überzogen und es war kein Fältchen, keine Unreinheit zu entdecken. Die Augen wiesen ein sattes Grün auf, das aus der Nähe betrachtet allerdings von Kontaktlinsen her stammen konnte, denn die Ränder der Iris waren etwas zu scharf sichtbar. Und auf den zweiten Blick wirkte das Blau, das sich um sie herum schmiegte „natürlicher“. Das linke hatte zudem einen leichten Schimmer von Gold, hinter dem Grün. Es war schlichtweg verwirrend ihr länger in die Augen zu sehen.

      Ihre Gesichtsfarbe schwankte irgendwo zwischen zu blass und leicht olivbraun, was ihn umso mehr zwang sie anzustarren.

      Ihre kurzen, blonden Haare fielen fein frisiert in ihre Stirn, einige bedeckten den Nasenrücken und er spürte, wie sich der Drang in ihm regte, ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, wie man es nur bei sehr vertrauten Personen wagte.

      Er überragte sie um etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter, was ihm bei seiner Größe von knapp über einen Meter neunzig, bei so ziemlich allen Frauen so erging. Aber sie erschien ein wenig größer als die Norm.

      Er versuchte instinktiv heraus zu finden "warum" diese Frau so attraktiv erschien, warum er sich nicht sattsehen konnte. Es fiel ihm eigentlich nichts Außergewöhnliches, nichts Hervorstechendes auf. Keine außergewöhnlich tolle Figur, keine knallroten gefärbten Haare. Etwas das für viele Menschen den Signalton für "Sex" beschrieb.

      Es gab allerdings eine recht auffällige Eigenart, die Sie von den meisten anderen Frauen Unterschied. Er wusste nicht, ob er mit dieser Beobachtung eines kleinen Details allein auf weiter Flur war, vermutete aber sein Beruf käme ihm hier zugute. Fast jede andere Frau im Raum trug die eine oder andere Handtasche mit sich herum, er sah Ledertaschen, Stofftaschen, Designermodelle, billige Wühltischfabrikate, alle erdenklichen Formen, Größen und Farben. Nur diese eine Frau bewegte sich ohne ein solch typisches Accessoire durch die bizarre Ausstellung. Dennoch war das sicherlich kein hinreichendes Kriterium, dieser Dame nachzusagen, sie sei attraktiver als andere.

      Eine Tasche war schließlich nur eine Tasche, kein "Attribut".

      Sie war nicht einmal besonders auffällig gekleidet: Jeans, ein helles, unbedrucktes T-Shirt, ohne nennenswerten Ausschnitt. Ihre Brüste aber, er würde sie als „niedlich“ bezeichnen, waren auffallend schön geformt. Sie zeichneten sich deutlich, ohne dass es aufdringlich wirkte, unter dem Stoff ab.

       "Oh mein Gott! Ich glotze ihr auf die Titten, während sie direkt vor mir steht."

      Dachte er in diesem Moment und konnte regelrecht fühlen, wie sein Gesicht sich augenblicklich rot verfärbte. Anstatt ihm jetzt daraufhin passende Worte der Entrüstung zuzufauchen, hellte sich sogar ihr bis jetzt leicht finsterer Blick wieder auf. Sie schaute eher belustigt und regte ihm forsch das Kinn entgegen. Er schaffte es ihr wieder in die Augen zu sehen.

       "Oh, du hast meine Brüste bemerkt, danke!"

      Auf einen derart entwaffnenden, schlagfertigen Spruch wusste er nun erst recht Nichts, was er als Antwort hätte anbieten können. Somit war er froh, um nicht zu sagen entzückt, als sie sich einfach grinsend bei ihm einhakte und ihn mit sich weiter durch die Ausstellung zog. Ganz so als wären sie hier verabredet gewesen und hätten sich gerade nicht zufällig, sondern gewollt getroffen.

      „...das hier ist auch toll, findest du nicht? Man hat die Beinmuskulatur einfach aufgeklappt. Und sieh nur welch ausgeprägten, muskulösen Femur dieser da hat.“

      Mit humorvollem Charme hatte sie ihm erst die Schamröte aus dem Gesicht geredet. Anschließend wich sie ihm nicht mehr von der Seite und gab beim weiteren Betrachten der Exponate ein erstaunliches Fachwissen über die menschliche Anatomie zum besten.

      Er hatte nur anhand des beigestellten Schildes an der besagten Plastik erkennen können, was Femur bedeutete: Oberschenkelmuskel. Die jeweils lateinische Bezeichnung stand in Klammern mit dabei.

      „Hm, hier gefällt mir nicht wie der Hypothalamus ausgestellt ist. Der ganze zerebrale Kortex sieht ja aus wie ein zu kurz gebratenes Steak.“

      Derart Aussagen machten ihn neugierig. Las sie schnell die kleinen Erklärungen und saugte sich eine schlaue Bemerkung aus den Fingern, oder wusste sie tatsächlich wovon sie sprach?

       Sie kennen sich gut aus, haben sie so was mal studiert?"

       "Waren wir nicht schon beim Du?"

      War ihre knappe Gegenfrage. Dass sie ihm die Antwort auf seine Frage schuldig blieb, vergaß er darüber noch in der selben Sekunde.

      Damit war er ihr endgültig verfallen. Er wurde sich bewusst darüber, dass sie sich bisher nicht einmal korrekt vorgestellt hatten und ergriff zum ersten mal seit ihrer Begegnung die Initiative, indem er ihr die Hand entgegen streckte:

       "Hallo, mein Name ist Stewart, Stewart Mc. Farren."

      Die Art wie sie anstatt einer Antwort ihre Augenbrauen, nicht synchron, sondern eine nach der anderen, nach oben zog, ließ ihn beinahe leise aufstöhnen.

      Wie konnte eine solch beiläufige Mimik ihn derart erregen?

      Sie stellte sich ihrerseits aber nicht so ausschweifend vor sondern sagte nur knapp:

      „Giselle.“

      Sie tauschten keine Telefonnummern aus. Die mysteriöse Frau nannte ihm nicht ihren Nachnamen. Und als beide, eine gute halbe Stunde später, die Ausstellung von "Dr. Tod" verließen, trennten sich ihre Wege so plötzlich wie sie sich gekreuzt hatten.

      Sie hatte ihm zum Abschied einen trockenen, flüchtigen Kuss auf die Wange gehaucht. Stewart hatte sich nur schwer zurückhalten können, nicht wie ein alberner Teenager seinen Kopf