Verdamp lang her. Frank Claudy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Claudy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847660606
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nicht erinnern, dass du dich je für jemand anders als für Frauke interessiert hättest. Und du warst am Samstag schon ziemlich auf Malte fixiert.“ Ich war jetzt viel zu überrascht darüber, was Karin mir über Malte erzählt hatte, um darüber nachzudenken, dass ich mich gerade schon wieder geoutet hatte. „Heißt das, dass Malte auch schwul ist?“ fragte ich ganz aufgeregt. „Malte behauptet, dass er bi ist, aber ich glaube, das sagt er nur, weil das besser ankommt“, antwortete Karin.

      Ich hätte jetzt gerne noch stundenlang über Malte geredet, aber es klingelte und wir mussten zurück zum Unterricht, den ich mir eigentlich hätte schenken können, weil ich sowieso nichts mehr mit bekam.

      Den Rest des Tages und auch den nächsten Tag verbrachte ich auf einer Wolke. Malte war schwul. Und er hatte mit Karin über mich geredet, das heißt, er interessierte sich für mich. Die Zeit verging einfach viel zu langsam bis zum Samstag.

      Frauke und ich gingen zwar auch am Donnerstag und am Freitag nach der Schule zu dem besetzten Haus, aber Malte war immer noch nicht dort. Doch ich wusste ja, dass er am Samstag auf der Demo sein würde. Freitagabend ging ich viel zu früh ins Bett. Ich wollte ganz schnell einschlafen, denn wenn ich aufwachen würde, wäre es Samstag und ich würde Malte wieder sehen.

      Aber das klappte natürlich nicht, die ganze Nacht wälzte ich mich hin und her und konnte einfach nicht einschlafen. Dauernd sah ich auf die Uhr, ob die Nacht denn endlich vorbei wäre, aber die Stunden zogen sich wie Kaugummi.

       Kapitel 5

      Endlich war es Zeit zur Demo zu fahren. Frauke holte mich ab und gemeinsam stiegen wir in die Schwebebahn nach Elberfeld zum Treffpunkt. Dummerweise nahmen außer uns noch mindestens tausend Menschen an der Demo teil, so dass ich die arme Frauke durch die Massen zog, um nach Karin und Malte zu suchen. Zum Glück war es auf den Demos nicht anders als in anderen Ansammlungen. Die Leute gruppierten sich mit ihren Freunden, Clubs, Parteien etc. Frauke und ich gingen normalerweise mit den Anarchosyndikalisten, und zu denen gehörte auch Malte, so dass wir ihn bei unseren gemeinsamen Freunden fanden. Wir machten unsere Runde und nahmen alle zur Begrüßung in den Arm. Malte drückte mich fest an sich und ich blieb danach gleich neben ihm stehen.

      Während der Anfangskundgebung redeten Karin, Frauke und Malte über ihre Woche und was im besetzten Haus passiert war. Ich stand nur dabei und hörte kaum zu. Malte stand so dicht neben mir, dass mir alles andere egal war und ich nur an seine Schulter denken konnte, die an meine stieß. Er war kaum größer als ich, ich hätte jetzt prima meinen Kopf auf seine Schulter legen können, aber das hätte ich mich natürlich nie getraut.

      Als wir dann los gingen, blieb ich die ganze Zeit neben Malte. Wir grölten gemeinsam die Parolen und irgendwann hielten wir uns an den Händen. Okay, das war nichts besonderes, weil die ganze Reihe sich an den Händen hielt, um Geschlossenheit zu zeigen oder so. Aber ich spürte nur Maltes Hand in meiner. Sie war ganz warm, und zwischendurch strich er mit dem Daumen über meinen Handrücken. Dann dachte ich, ich müsste jeden Moment in Ohnmacht fallen, weil mir das ganze Blut aus dem Kopf schoss.

      Auch als die anderen sich los ließen, hielt Malte weiter meine Hand. Wir liefen hinter den anderen her, hielten uns fest und lachten uns zwischendurch immer wieder an. Ich war in dem Moment so glücklich, ich hätte auch für die Einführung der Todesstrafe demonstriert oder für Kernkraftwerke. Es fühlte sich so richtig an, mit Malte durch die Stadt zu laufen. Die anderen Menschen um uns herum nahm ich überhaupt nicht wahr.

      Als wir zur Endkundgebung wieder alle zusammen standen, um den Rednern auf dem Podium zuzuhören, legte Malte den Arm um mich und zog mich an sich. Da legte ich dann doch noch meinen Kopf auf seine Schulter und kuschelte mich an ihn. Er roch total gut, nach Vanille. Frauke guckte mich an und zwinkerte mir zu. Ich war froh, dass sie nicht sauer war, weil sie sich doch auch für Malte interessiert hatte.

      Nach der Kundgebung fuhren wir alle zusammen wieder in das besetzte Haus. Dort setzten wir uns, wie schon die Woche zuvor, mit Rotwein in den Garten. Auf dem Weg zu dem Haus hatte Malte mich zum Glück nicht wieder in den Arm oder meine Hand genommen. In der ‚normalen Welt‘, also außerhalb der Sicherheit der tausend Demonstranten, wäre mir das auch komisch vorgekommen. In der Schwebebahn saßen schließlich die Familien, die auf dem Weg zum Samstagseinkauf waren oder Väter, die von ihren Samstags-Überstunden nach Hause fuhren. Wir hätten ja auch Klassenkameraden treffen können. Nein, in der Schwebebahn gingen wir automatisch wieder zu unserer alten Paarkonstellation über, Malte mit Karin und ich mit Frauke.

      Frauke flüsterte mir ins Ohr: „Ich freu mich für dich.“ – „Ehrlich?“ fragte ich. „Nicht sauer?“ – „Nö. Warum?“ – „Weil du ihn doch auch magst.“ – „Ist schon okay. Ihr beide seid süß zusammen.“ Arghs. Ich knuffte Frauke in die Seite. Süß! Wie furchtbar. Wenn ich eins nicht sein wollte, dann war das süß, und das sagte ich Frauke auch. „Sorry, aber das bist du nun mal. Gewöhn dich dran“, lachte Frauke mich aus.

      Im Garten legte Malte dann aber wieder den Arm um mich und ich kuschelte mich wieder an ihn. Wir redeten über die Demo und lästerten über die Spießer, die wir in der Schwebebahn getroffen hatten. Frauke drehte einen Joint, Karin half ihr dabei, und Malte zog meinen Kopf zu sich und küsste mich. Mein erster Kuss von einem Mann. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen und zog fast meinen Mund weg, aber eigentlich war ich schon mein ganzes Leben lang darauf vorbereitet gewesen und küsste ihn zurück. Erst drückten wir nur unsere geschlossenen Lippen aufeinander, doch dann kam Maltes Zunge und ich öffnete automatisch meinen Mund.

      Ich hatte Frauke ständig mit Zunge geküsst, aber mit Malte war es irgendwie ganz anders. Frauke hatte ich geküsst, weil das von mir erwartet wurde. Es war nett gewesen, aber mehr nicht. Ich hatte das immer mehr als Übung gesehen, bis ich irgendwann mal den richtigen küssen würde. Ich hatte bei Frauke immer daran gedacht, was ich als nächstes mit meiner Zunge anstellen könnte oder wie wir wohl dabei aussahen oder was sie empfinden würde. Jetzt mit Malte dachte ich überhaupt nicht mehr. Seine Zunge drückte gegen meine, und ich bestand nur noch aus Kribbeln und Wärme und Luft. Ich wurde ganz leicht, dabei hatte ich noch gar nicht gekifft. Alles um mich herum war verschwunden, es gab nur noch Malte und seinen Mund und seine Hände, die meinen Kopf an seinen drückten. Meine eigenen Händen hingen irgendwo nutzlos an meinem Körper herunter, bis mir einfiel, dass ich damit Maltes Rücken streicheln könnte.

      Wir küssten uns eine ganze Weile vor den Leuten, die um uns herum saßen. Aber den anderen war das vermutlich genauso egal wie uns. Bis Frauke mich anstupste und fragte: „Wollt Ihr auch?“ Dabei hielt sie uns den Joint hin. Malte löste sich von mir. Ich brauchte eine Weile, um wieder zu mir zu kommen und zu kapieren, wo wir eigentlich waren. Einen Joint brauchte ich nun wirklich nicht, ich war auch so high. Aber Malte nahm Frauke den Joint ab und zog daran. Den Rauch blies er mir in den Mund. Dabei kam sein Mund ganz dicht an meinen, das war fast genau so gut wie küssen. Malte zog noch einmal am Joint und gab ihn an Karin weiter. Dann stand er auf und zog mich hoch. Ich ging hinter ihm her ins Haus, wo er nach einem freien Zimmer suchte. In der Villa gab es so viele Zimmer wie in einem Hotel. In den meisten Zimmern lagen Matratzen, Decken und Kissen. Nachts suchten sich die Leute, die bleiben wollten, einfach eine freie Matratze und schliefen dort. Wir fanden relativ schnell ein freies Zimmer, es war ja auch noch heller Nachmittag, da waren die meisten Leute draußen im Garten. Malte schloss die Tür hinter uns und zog mich auf eine Matratze. Dort fing er gleich wieder an mich zu küssen. Ich schwebte zwar immer noch auf Wolken, vermutlich hatte inzwischen auch der Joint seine Wirkung dazu getan, aber so langsam bekam ich auch Panik. Das ging mir jetzt doch ein bisschen zu schnell. Ich war schließlich noch nie mit einem Mann zusammen gewesen, und man konnte auch die Tür nicht abschließen, jederzeit könnte jemand herein kommen und uns dabei erwischen. Und ich war mir auch nicht sicher, wie weit ich wirklich gehen wollte. In dem Moment, in dem diese Gedanken in meinen Kopf schossen, hörte ich natürlich auf, Malte zu küssen. Er guckte mich an und fragte: „Was ist los?“ – „Ich weiß nicht, ob ich dazu schon bereit bin“, stammelte ich. Malte legte mir den Finger auf die Lippen und sagte leise: „Keine Panik. Wir machen nichts, was du nicht willst.“ Dann küsste er mich ganz sanft. Meine Angst verflog genauso schnell, wie sie gekommen war. Ich küsste ihn zurück.

      Wir