Beschuldigt. Rita Renate Schönig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita Renate Schönig
Издательство: Bookwire
Серия: Seligenstädter Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753186214
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die Kriminalbeamtin von Bettina Roth aus ihren Gedanken geholt.

      „Wie? Eh ..., nein danke. Dein Kuchen schmeckt ausgezeichnet und ich liebe alles, was mit Schokolade zu tun hat. Aber es wäre schon das zweite Stück und die anderen wollen ...“

      „Der Sepp mochte ihn auch sehr, deshalb habe ich den gebacken – quasi als Hommage. Jeder von uns hat einen von Sepps Lieblingskuchen gebacken. Helene ihre berühmte Käsetorte und Elfi einen Streuselkuchen.“

      „Und was hat Frau Krämer beigesteuert?“ Nicole schaute bedenklich auf das Kuchenbüffet auf dem Tisch nebenan.

      „Nichts“, antwortete Bettina und flüsterte ihr ins Ohr. „Wir wollten keinesfalls, dass deine Kollegen vom Drogendezernat hier einfallen.“

      „Oh. Da bin ich beruhigt. Wenn das so ist, esse ich gerne noch ein Stück.“ Die Kommissarin lächelte. „Aber bitte, kann ich ein Glas Wasser haben? Noch einen Kaffee und ich tanze heute Nacht.“

      „Dann vielleicht einen chilenischen Roten?“, fragte Gerald, Elfis Ehemann und hielt eine Flasche Rotwein in der Hand. „Ein Geschenk von Brigitte. Wäre besser als eine Trauerkarte, meinte sie.“

      „Nur zu“, wurde Nicole von Andy ermuntert. „Du hast dieses Wochenende keinen Dienst, ich schon. Deshalb bei mir nur Wasser.“

      „Ach stimmt, du hast ja Bereitschaftsdienst. Du Ärmster.“ Sie verzog bedauernd das Gesicht.

      Eine Schussverletzung bei einem Einsatz im Frankfurter Rotlichtmilieu im Jahr 2000 nötigte Kriminalhauptkommissar Andreas Dillinger zum Innendienst. Spontan entschied er, sich vorerst komplett aus der Schusslinie und damit quasi in den Untergrund zurückzuziehen. Nachdem er einige Zeit im Archiv des Offenbacher Polizeipräsidiums zugebracht hatte, die scherzhaft Katakomben genannt wurden, entdeckte er sein Interesse für die Cold Cases. Er absolvierte eine Ausbildung zur psychologischen Betreuung traumatisierter Opfer, um die er sich ehrenamtlich kümmerte, ebenso um Angehörige von Mordopfern. Einige Jahre war er damit auch sehr zufrieden. Aber seit er mit Nicole zusammengezogen war und folglich wieder hautnah an den Ermittlungen teilnahm, spürte er dieses gewisse Kribbeln, das ihn in seiner Zeit bei der Sitte stets begleitet hatte und er wusste, der Zeitraum seiner Passivität war vorbei. Zumal auch sein Bein, das ihn gehindert hatte, in den aktiven Polizeidienst zurückzukehren, wieder voll einsatzfähig war. Jedenfalls so weit, dass er einen Flüchtigen kurzzeitig würde verfolgen können. Seit Juli war er nun im lebendigen Betrieb zurück, aber eben beim Kriminaldauerdienst. Das bedeutete: Schichtdienst und er war für dieses Wochenende eingeteilt.

      „Oh, ist der köstlich“, meinte Nicole und trank einen großen Schluck Wein. „Ob Brigitte Diaz uns davon welchen verkaufen würde?“

      „Warum nicht? Frag sie.“

      „Auf Sepp!“ Am anderen Ende des Tisches erhob Schorsch sein Schnapsglas und sich selbst. Die beiden Damen an seiner Seite ebenso.

      „Ja, stoßen wir auf Sepp an.“ Erneut sprang Gundel auf, um mit Brigitte anstoßen zu können. Dabei schwappte ein Teil des Inhalts über Schorschs dunklen Anzug und die weiße Tischdecke.

      „Huch!“ Erschrocken blickte sie auf das Malheur. „Das ... das tut mir jetzt aber wirklich leid. Ich ...“

      „Schoad, dass de Sepp des jetzt nemmer sieht. Der hätt sich bestimmt gefreut un a Foto ... Ach, isch hoab ja selbst moi Handy debei. Bleib grad mol so, Gundelche. Ich mach schnell e Bildsche.“

      „Das lässt du mal schön bleiben.“ Gundel hieb Schorsch auf die Finger. „Wasch dir besser mal die Flecken aus deiner Hose.“ Sie deutete auf die zunehmend größer werdende Stelle auf seinem Beinkleid. „Sonst glaubt noch jemand an etwas weit Unerfreulicheres. Und wie kommst du eigentlich dazu mich Gundelche zu nennen?“

      Schorschs Gesicht lief rot an. Statt einer Antwort griff er hektisch nach der Papierserviette neben seinem Kuchenteller und versuchte, die Spuren zu beseitigen. Natürlich machte er es nur noch schlimmer. Nun hatte er nicht nur eine nasse Stelle an der Hose, wo niemand sie gerne erblickte, sondern zusätzlich weiße längliche Krümel.

      „Ich denke, wir verabschieden uns jetzt“, verkündete Brigitte. An ihrem lauten Schnaufen hörte jeder, dass sie gerade ziemlich genervt war. „Danke für die Einladung“, sagte sie und zog Schorsch hinter sich her. Kurz darauf waren beide durch die Tür verschwunden.

      „Ich glaub es geht schon wieder los“, summte Herbert den Ohrwurm von Roland Kaiser in Helenes Ohr. Sie verdrehte nur die Augen.

       Freitag / 21:35 Uhr

      Frank Lehmann hatte die Ferienwohnung bekommen. Das etwa 40 qm Apartment mit einer kleinen Küchenzeile war modern eingerichtet und erfüllte seine Bedürfnisse mehr als erwartet. Ebenfalls freudig überrascht war auch das ältere Ehepaar, denn er zahlte die Miete für drei Monate im Voraus. Nun wollte Frank schnellstens seinen Wagen holen, den er auf dem Parkdeck am Kloster abgestellt hatte. Wenn er sich richtig erinnerte, betrug die Standzeit vierundzwanzig Stunden und das gerade mal für zwei Euro. Viel zu günstig fand er und noch weniger als die Parkgebühr von fünf Euro in der Tiefgarage in Altötting.

      Zufrieden schlenderte er die Aschaffenburger Straße entlang. Ein Pfau hinter der Klostermauer schrie laut und schrill, woraufhin er zusammenzuckte. Schon zu der Zeit, als er hier lebte, gab es die Pfauen. Damals stolzierten sie im vorderen Gartenbereich umher und die kleineren Kinder wurden von ihren Eltern hochgehoben, damit sie durch die aus Sandstein gemauerten Halbrundbögen die Vögel mit ihrem prachtvoll aufgeschlagenen Federkleid sehen konnten.

      Die Benediktinerabtei zu besuchen, das hatte Frank sich für den kommenden Tag vorgenommen. Morgen früh würde er erst einige Einkäufe machen, um seine Grundversorgung zu sichern. Die gut eingerichtete Küche in seiner Bleibe lud geradezu zum Kochen ein. Er kochte gerne, am liebsten zusammen mit Franziska. Der Gedanke an sie schmerzte. Hatte sie den Brief schon gefunden? Natürlich hatte sie. Er hatte ihn unübersehbar auf die Ablage in der Diele gelegt. Ob sie Sebastian und Maximilian angerufen hatte? Oder saß sie in ihrem Sessel und starrt vor sich hin – nicht begreifend. War es denn richtig, ihr das nach all den Jahren anzutun? Habe ich egoistisch gehandelt – schon wieder?

      In Gedanken versunken erreichte er das Parkdeck. Gerade hatte er die Tür seines Wagens geöffnet, da bekam er einen Schlag in den Rücken. Ein Weiterer traf ihn in die rechte Kniekehle. Er klappte zusammen. In die helle Leuchtstoffröhre über ihm blinzelnd, versuchte er auszumachen, wer ihn angriff, sah aber nur undeutlich zwei Gestalten. Plötzlich hörte er lautes Rufen und die Angreifer flüchteten.

      „Alles in Ordnung? Geht es Ihnen gut?“ Ein stämmig gebauter Mann mit Glatze beugte sich über ihn. „Brauchen Sie einen Krankenwagen?“

      „Danke. Ich denke es geht schon.“ Frank rappelte sich langsam auf. Die ihm hilfreich ausgestreckte Hand nahm er dankend an.

      „Ich wollte gerade los, als ich gesehen habe, dass die beiden Ihnen folgen. Ich dachte mir, bleibst mal noch einen Moment. War ja auch letztlich richtig. Die waren etwa fünfzehn Jahre alt und circa 1,70 groß. Haben Sie die nicht bemerkt oder kennen Sie die?“

      Frank schüttelte heftig den Kopf, was sofort einen stechenden Schmerz zufolge hatte. Er torkelte. Wiederholt bewahrten ihn die hilfreichen Hände des Mannes vor einem Sturz.

      „Vielleicht sollten Sie sich doch besser untersuchen lassen.“

      „Nein danke.“ Mir kann eh keiner mehr helfen, setzte er gedanklich nach. „Ich brauche nur eine Tablette.“ Mit zittrigen Fingern griff er in die Innentasche seiner Jacke, holte eine Blisterpackung hervor und steckte sich ein Dragee in den Mund.

      „Ich sehe, Sie kommen aus Altötting?“ Der Mann deutete auf das Autokennzeichen.

      „Ja. Ich brauchte mal eine Veränderung.“

      „Unser Seligenstadt ist normalerweise ein friedlicher Ort. Obwohl auch hier Verbrechen nicht unbekannt sind. Na ja, kann ja nur besser werden.“

      „Wollen wir