„Was treibt Sie in unsere verlassene Gegend?“, wollte der Mann hinter dem Tresen neugierig wissen.
„Eigentlich bin ich auf der Suche nach Arbeit“, kam es als Frage und Antwort.
„Na ja, bei Fremden sind die Leute hier sehr zurückhaltend. Was können Sie denn, mein Freund?“
„Alles wofür man geschickte Hände braucht.“
„Hört sich gut an Señor, dem Akzent nach zu urteilen sind Sie, …?“
… “Madrilene“, kam Manolo seinem Gegenüber zuvor.
„Ich bin zwar stolz darauf, aber diese Stadt ist trotzdem nichts für mich!“
Im Radio spielten sie Traditionelles, der Papagei im Käfig über dem Tresen krächzte hemmungslos dazu.
Am späteren Nachmittag schien das Dorf langsam zu erwachen. Das auf dem Marktplatz herrschende bunte Treiben, zog zwei Männer an, die noch nichts voneinander ahnten.
„Heute Fischtag!“, war auf einem Plakat zu lesen.
Die Fischer verkauften und verlosten schlussendlich die restlichen Fänge, die von den staatlichen Kühltransporten der Fischindustrie nicht benötigt wurden.
„Ein Los zehn Peseten“, schrie ein auf einer Kiste stehender Riese in die Menge.
„Kauft Leute, bevor das Zeug zu stinken beginnt!“
Es schien, als würde das Los heute auf die Katzen und Vögel fallen, die Leute waren mit den Fangresten nicht zufrieden.
„Pepe“, schrie einer dem Mann auf der Kiste zu.
„Du kannst deiner Frau heute Fischsuppe kochen, es bleibt genug übrig!“
Das Gelächter war ihm sicher, wusste jeder Einzelne der Anwesenden, das Pepes Frau jenseits der 110 kg wog und es wurde ständig mehr. Fast zur gleichen Zeit wandten sich zwei Männer in verschiedene Richtungen schlendernd von dem Treiben ab.
Einer schüttelte den Kopf und lächelte in sich hinein, der andere blieb ernst.
… Mit nachdenklicher Miene zog ich mich vom Fischmarkt zurück, hob einen Arm in die Höhe, machte den Achsel-Test und wusste, dass es höchste Zeit war, das Hemd zu wechseln.
Also ging ich zu meinem Auto, wo ein frisches Teil auf dem Rücksitz lag.
Je näher ich dem Wagen kam, desto mehr spürte ich, dass etwas nicht stimmte! Ich begann hastig zu laufen.
Einige Meter davor, sah ich die Bescherung. Irgendwer hatte sich bemüßigt gefühlt, mir die Seitenscheibe einzuschlagen und zwei Reifen platt zu stechen. Ein Blick ins Innere ließ mich aufatmen. Hier war nichts entwendet worden, sogar mein Hemd lag zerknüllt wie zuvor auf dem Rücksitz. Der Radiokassettenspieler mit dem Demoband war ebenfalls noch da. Sollte ich zur Polizei gehen? Gab es hier überhaupt eine Station? Mit festem Tritt auf einen der kaputten Reifen, begleitet von einem Fluchen, beschloss ich, erst mal eine Mission aufzusuchen.
Ein oder besser zwei Drinks sollten meinen Ärger runterspülen. Ich nahm das Hemd und ging. Immer noch wütend, traf ich in der Mission ein, setzte mich an die Bar und bestellte.
„Schlechter Tag?“, kam es über die Theke.
Ich hob missmutig den Kopf und starrte den Kerl an.
„Wie kommen Sie darauf?“, gab ich sarkastisch zurück und brummte angefressen, „Irgendwelche Idioten haben meinen Wagen demoliert und aufgebrochen!“
„Oh Mist, heute scheint kein guter Tag, um Helden zu zeugen“, wollte er mich trösten.
„Wahrlich nicht“, seufzte ich ihm zu.
„Wissen Sie, Señor was komisch ist?“, fuhr der Barbesitzer fort.
„Das ganze Jahr über, sieht man hier keine drei Fremden, heute sind Sie schon der zweite!“
Ich sah ihn verdutzt an, ohne zu wissen, wie relevant das für mich werden würde. Während sich der Mantel des Abends über das Fischerdorf Santa Rosita legte und sich ein Mann mit zunehmend belangloser, von Rotwein begleiteter Konversation in einer Mission die Zeit vertrieb, begab sich ein anderer in das Postamt, um zu telefonieren.
Er kramte die Nummer aus seiner Hosentasche, obwohl er sie inzwischen auswendig wusste.
Eigentlich hatte er bei seinem ersten Anruf, den er unterwegs in Tarifa getätigt hatte, schon einen Termin für das Vorstellungsgespräch bekommen, aber er wurde gebeten, sich nochmals zu melden, sobald er in Santa Rosita eingetroffen wäre. Die Frau am anderen Ende der Leitung, hatte ihm mitgeteilt, dass er in Santa Rosita genauere Informationen bezüglich des Treffpunkts erhalten würde.
Wenn das funktioniert ist es gut, wenn nicht, dann werde ich mich hier trotzdem nach einer Arbeit umsehen, fühlte er sich in seinem Entschluss, hier gelandet zu sein bestätigt.
Er ging ins Postamt, störte die Schalterdame bei ihrem Kreuzworträtsel und telefonierte in Kabine zwei.
Ein paar Minuten später und um eine Information reicher, bezahlte er das Telefonat.
„Ein Grenzfluss zwischen Mexiko und den USA mit neun Buchstaben“, rief sie ihm nach, als er das Postamt verlassen wollte.
Er drehte sich um, zählte mit seinem Fingern und sagte stolz, „Rio Grande, Señora!“
Sie bedankte sich und lächelte an diesem Tag das erste Mal. Manolo da Silva eilte in Richtung “Casa Debrisette” davon. Eine Stunde, bevor zwei Männer die Treppen der besagten Casa emporsteigen sollten, saßen sie getrennt voneinander in der Bodega des Hauses. Der Größere der beiden, bestellte einen Rioja, der Kleinere nahm ein Bier deutscher Marke.
Beide hingen sie ihren Gedanken nach, oder beobachteten das Geschehen.
Nur einmal kreuzten sich ihre Wege und Blicke, als einer von der Toilette kam, die der andere gerade aufsuchte.
Der Kleinere der beiden, blickte auf dem Rückweg auf seine Uhr, ging zur Bar, bezahlte sein Bier, hob seinen Seesack vom Boden auf und verließ die Bodega.
Der andere folgte ihm in einem Abstand von fünf Minuten. Stolz trug er sein frisches Hemd, auf dem eine rote, rausgestreckte Zunge zwischen wulstigen Lippen auf der Brusttasche seine Lieblingskapelle signalisierte.
… Ich verließ das Lokal und sah, wie eine männliche Person die Treppe hochstieg.
Das ist doch der Kerl von eben ..., klingelte es in meinem Kopf.
Vermutlich war er derjenige, auf den der Mann im Rollstuhl warten wollte, bevor er uns mit den Einzelheiten des Jobs vertraut machen würde. Auf alle Fälle benötigte ich langsam etwas Geld. Der Wagen musste repariert werden und die Miete war auch fällig!
Jetzt wollte ich Klarheit und ging ebenfalls die Treppe hoch.
Ich begab mich zuerst in mein Zimmer, nahm einen Schluck aus dem Wasserhahn und fuhr mir mit der feuchten Hand durchs Haar.
„Los jetzt!“, ermutigte ich mich und ging hinüber zu Nr. 112.
Energisch klopfte ich an.
“Kommen Sie herein“, drang es im Befehlston nach draußen. Als Erstes fiel mir auf, dass das Zimmer heute ein wenig heller zu sein schien, oder war das eine Sinnestäuschung?
„Wir haben Sie schon erwartet Señor Romero!“, empfing mich der Rollstuhlfahrer vom Vorabend.
„Ich möchte Ihnen Señor Da Silva vorstellen“, deutete er dem Finger ihn die Richtung des Mannes, den ich in der Bodega gesehen hatte.
Also doch er, dachte ich mir insgeheim.
Da Silva kam mit einem Schritt auf mich zu und streckte mir seine Hand zum Gruß hin. Ich erwiderte seine Geste ebenfalls wortlos.
„Meine Herren“, unterbrach der Mann, den ich ab