Wie erwartet, fanden wir bei unserer Suche keine weiteren Spuren von Orson. Unruhig sahen wir unserer Ankunft in Southampton entgegen. Der Kapitän ließ uns von einem Matrosen ausrichten, dass wir in unserer Kabine warten sollten, bis die Behörden eintreffen würden. Die britische Polizei kam in Form von zwei Beamten, mit denen ich die meiste Konversation führte, da Manolo im Gegensatz zu mir, der englischen Sprache nicht mächtig war. Ich erzählte die Geschichte von Anfang an. Die Beamten wurden stutzig, als wir ihnen Orsons Namen nicht nennen konnten. Ich erklärte ihnen, dass das für uns einfach ein interessanter Job gewesen wäre, wo es hieß, keine Fragen zu stellen.
„Finden Sie das normal, den Namen von seinem Arbeitgeber nicht zu wissen?“, legte einer der Beamten ärgerlich nach.
Ich ergänzte meine Erklärung damit, dass so eine Anstellung wie diese, einem wie mir nur recht sein konnte. So hätte ich die Chance, aus einer nie endenwollenden, beschissenen Lebenssituation das Beste zu machen. Die beiden Polizisten waren nicht übermäßig begeistert von meiner Darstellung. Ihre Blicke wanderten argwöhnisch zwischen uns hin und her, während Manolo sichtlich aufgekratzt an seiner Zigarette paffte. Nach der Befragung mussten wir sie in Orsons Kabine begleiten. Sie stöberten herum, fanden aber auch nichts Erhellendes. Danach fuhren wir zum Kommissariat, dort wurde Kontakt mit den spanischen Behörden aufgenommen. Da man über uns nichts Nennenswertes fand und auch nicht über den oder die Auftraggeber des Zeitungsinserates, musste man uns wieder laufen lassen. Wir bedankten uns überschwänglich für die fünfstündige Gastfreundschaft, bei der es weder etwas zu Essen noch zu Trinken gegeben hatte.
Am nächsten Tag verließen wir England wieder, sinnigerweise mit der „Flores“. Manolo freute sich, dass er nun endlich Zeit hätte, seinen Vater, der in der Nähe von Madrid lebte zu besuchen.
„Weißt du Jesus, mein Vater hat im spanischen Bürgerkrieg gekämpft und wurde leider verwundet“.
„Wie schlimm hat es ihn erwischt?“
Manolo erzählte, dass sein Vater auf eine Mine getreten war und dabei drei Finger und fast sein rechtes Bein verloren hätte. Seit dieser Zeit würde er hinken. Ich war ehrlich ergriffen von seiner Erzählung. Da Silva meinte, dass er jetzt sein schlechtes Gewissen beruhigen könnte, indem er seinen alten Herrn besuchen und nach dem Rechten sehen würde. Ich merkte Manolo seine verschwindende Unbekümmertheit an.
Ich schlug ihm auf die Schulter und meinte scherzhaft: „Solange dein Vater keine Zeitungsannonce aufgibt und mit zwei Burschen eine Reise unternimmt, bei der er nicht mehr auftaucht, ist es trotzdem halb so schlimm.“
Grinsend bestätigte er meinen Scherz und schmiss seine letzte, geschnorrte Zigarette auf den Boden. Da er nicht darauf trat, tat ich es vorsorglich, während er mit seinen zu Fäusten geballten Händen auf die Kabinenwand einhämmerte. Ich hätte es ihm gleichtun können.
„Hey komm, beruhig dich wieder“, schrie ich ihn an.
„Schon gut Jesus, ist schon wieder vorbei, aber das war nötig!“
Wir schwiegen beide eine Zeit lang.
„Was hast du jetzt vor?“, unterbrach er die Stille.
„Ich? Keine Ahnung! Das Ganze hätte nett werden können, aber je intensiver ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass mit dem Padre etwas nicht stimmte. Manolo, waren wir wirklich so naiv?“
„Nicht naiv, sondern schlicht und einfach saublöd und genau das war der Grund, warum der Padre uns ausgewählt hat!“
In seiner Stimme lag eine bis dahin nicht gekannte Unsicherheit, die mich verwunderte. Ich hatte Manolo eher als einen grobschlächtigen Kerl eingeschätzt, der nichts und niemanden aus dem Weg gehen würde.
Wir blieben den Rest der Überfahrt in unserer Kabine und holten uns nur ein paar Tapas und eine Flasche Wein. Als wir das Schiff verließen, erwartete uns die Guardia Civil.
„Señores, bitte begleiten Sie uns! Wir müssen noch ein paar Formalitäten klären!“
Zum wiederholten Male schilderten wir die ganze Geschichte. Die Beamten nahmen unsere Aussagen mit einem kleinen Kassettenrekorder auf und ließen uns mit der Auflage, für weitere Befragungen zur Verfügung zu stehen, endlich gehen. Vor der Polizeistation spuckte Manolo verächtlich aus, ich wollte es ihm gleichtun, brachte aber nichts Nennenswertes heraus, was wohl an meinem Durst lag. Wir nahmen unser Gepäck und gingen in das erstbeste Lokal, das sich auf dem Weg zur nächsten Busstation befand. Nach einer Stunde verabschiedeten wir uns voneinander, ohne zu wissen, ob wir uns je wiedersehen würden.
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