kamen und den Stein betraten, verbrannten sie sich
ihre Füße. Da schrien sie überlaut: O böse Welt! O
böse Welt! – und kamen nimmermehr wieder.
So auch kamen Bergmanndli vom Pilatus ins Haslital
von der Flüh herunter, den Heuern zuzuschauen;
die waren gewohnt, sich auf die Äste und Zweige
eines schattigen Ahornbaumes zu setzen. Das merkten
Schälke und sägten die Äste knapp durch, daß die
armen Manndli herunterfielen. Da erhuben sie ein
jämmerlich Geschrei und riefen:
O wie ist der Himmel so hoch!
O wie ist die Untreu so groß!
Heute hier und nimmermehr!!
Und nachher hat sich im Haslital niemals wieder eins
sehen lassen.
13. Der Dürst
Um den moorigen See auf dem Pilatus und im ganzen
Berggehege tobt der Dürst, das ist der wilde Nachtjäger,
wie in Thüringen, im Vogtland und am Harz, der
hat zur Gesellschaft auch ein gespenstig Weib, wie
der Hackelberg die Tut-Osel, der wilde Jäger Thüringens
die Frau Holle und der des Vogtlandes die Frau
Berchta, die heißen sie drunten im Entlibuch, hart an
des Bergstocks Westwand, das Posterli, und in Luzern
kennen sie die Sträggele, die, wie die Hollefrau
und die wilde Berchta, den faulen Mägden die Rocken
wirrt. Mit gar wildem Saus und Braus fährt der Dürst
über die Almen daher, reißt und rüttelt an den Sennhütten,
bricht mächtige Baumstämme, wirft Felsen in
die Gründe und führt wohl auch Kühe mit sich hoch
in die Luft, die nimmer wieder herunterkommen oder
halbtot und ausgemolken etwa erst am dritten Tag.
Wenn ein Hirte das gewahr wurde, konnt' er noch
Einhalt tun durch den Alpsegen, wenn er den zeitig
durch einen Milchtrichter rief, daß der Dürst ihn noch
hören konnte, so sank die entführte Kuh ganz sanft
wieder auf die Matte nieder.
Auf der Bründler Alp über Eigenthal kann man
wohl noch heute den Alpsegen im Abendruf der Sennhirten
vernehmen, der lautet gar wunderbar durch die
Feierstille der Natur, wie Orgeltöne und Glockenklang,
und widerhallt aus allen Klüften die Flichbanden
nieder, wie Geistermusik. Das ist der Ruf und der
Segen: Ho – ho – ho – öh – ho! – Ho – hi – ho –
ho! – Ho lobe! Ho lobe! – Nehmet alle Tritt in Gottes
Namen, in unserer lieben Frauen Namen! Lobi Jesus,
Jesus, Jesus Christ! Ave Maria! Ave Maria! Ave
Maria! Ach, lieber Herr Jesus Christ, behüt Gott aller
Leib, Seel, Ehr und Gut, was in die Alp gehören tut.
Das walt Gott und unsre herzliebe Frau, das walt Gott
und der heilige Sankt Wendel! Das walt Gott und der
heilige Sankt Antoni! Das walt Gott und der heilige
Sankt Loy! – (Aloysius.)
14. Von Drachen und Lindwürmen
Auf dem hohen Pilatus hat es Drachen und Lindwürme
vollauf gegeben, die hausten in unzugänglichen
Höhlen und Schluchten des gewaltigen
Alpenbergstocks. Oft haben Schiffer auf den Seen sie
mit feurigen Rachen und langen Feuerschweifen vom
Pilatus herüber nach dem Rigi fliegen sehen. Solch
ein Drache flog einstmals in der Nacht vom Rigi zurück
nach dem Pilatus; ein Bauer, der, von Horn bürtig,
die Herden hütete, sah ihn, und da ließ der Drache
einen Stein herunterfallen, der war wie eine Kugel geformt
und glühend heiß; der war gut gegen allerlei
Krankheit, wenn man davon eine Messerspitze voll
abschabte und dem Kranken eingab. Zu andrer Zeit
hat man einen grauslich großen Drachen aus dem Luzerner
See die Reuß hinaufschwimmen sehen.
Einstmals ging ein Binder oder Küfer aus Luzern
auf den Pilatus, Reifholz und Holz zu Faßdauben zu
suchen; er verirrte sich, und die Nacht überfiel ihn,
mit einem Male fiel er in eine tiefe Schlucht hinab.
Drunten war es schlammig, und als es Tag wurde, sah
er zwei Eingänge in der Tiefe zu großen Höhlen, und
in jeder dieser Höhlen saß ein greulicher Lindwurm.
Diese Würmer flößten ihm viel Furcht ein, aber sie
taten ihm kein Leid; sie leckten bisweilen an den
feuchten salzigen Felsen, und das mußte der Küfer
auch tun, damit fristete er sein Leben, und das dauerte
einen ganzen Winter lang. Als der Frühling ins Land
kam, machte sich der größte Lindwurm auf und flog
aus dem feuchten Loche heraus mit großem Rauschen:
der andre kleinere kroch immer um den Küfer
herum, liebkoste ihn gleichsam, als wolle er ihm zu
verstehen geben, daß er doch auch mit heraus sollte.
Der arme Mann gelobte Gott und dem heiligen Leodager
in die Stiftskirche im Hof zu Luzern ein schönes
Meßgewand, wenn er der Drachengrube entrinne,
und als der zweite Drache sich anschickte, aufzufliegen,
hing er sich ihm an den Schweif und fuhr mit auf,
kam also wieder an das Licht, ließ sich oben los und
fand sich wieder zu den Seinen. Doch lebte er nicht
lange mehr, weil er der Nahrung ganz entwöhnt war,
hielt aber Wort und sein Gelübde, ließ ein prächtiges
Meßgewand fertigen, darauf die ganze Begebenheit
sticken und alles in das Kirchenbuch einzeichnen. Es
soll diese Wundergeschichte sich ereignet haben 1410
oder 1420, und vom 6. November des einen Jahres
bis zum 10. April des folgenden hauste der Küfer bei
den Lindwürmern.
15. Winkelried und der Lindwurm
Zu Wylen, einem Dorfe nicht weit vom Pilatus, saß
ein Mann, der hieß Winkelried, und in der Nähe droben
am Berge hauste ein schädlicher Lindwurm, der
fraß Menschen und Vieh und verödete den ganzen