Violet Socks. Celine Ziegler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Celine Ziegler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738099102
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folgt mir in den Raum, wo nur die Bühne vorne beleuchtet ist. „Schon klar", höre ich ihn murren.

      Mein Blick fällt auf die paar Leute, die schon vorne verteilt auf der Bühne oder im Raum stehen. Wir sind nicht sonderlich viele Leute in der Theatergruppe, aber immer genug, dass wir jedes Jahr ein ganzes Stück auf die Beine stellen. Benja und ich haben die Gruppe vor drei Jahren selbst gegründet und sie kam immer gut bei den Eltern an. Die Stücke schreiben wir hauptsächlich selbst, was unsere Auftritte noch besonderer macht, jedoch auch mehr Arbeit für mich bedeutet, denn ich bin der alleinige Schreiberling.

      Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die anderen sich so sehr über Harrys Anwesenheit freuen werden. Hier sind nämlich nur Menschen wie Benja, Charly und ich und keine oberprotzigen Machokerle, die jeden Tag Collegejacken tragen. Man könnte uns die Gruppe der Verlassenen nennen. Wir sind gemeinsam die Außenseiter.

      Benja entdeckt Harry und mich auch schon, als wir an den Publikumsstühlen vorbeilaufen. Er runzelt die Stirn, was bedeutet, dass er sich nicht denken kann, wieso ich gerade Harry Perlman im Schlepptau habe. Auch Benja ist kein sonderlich großer Fan von ihm.

      Und als hätte Benja ein stummes Signal gesendet, hören alle auf, die Bühne aufzubauen oder ihre Kostüme anzuprobieren. Wir werden regelrecht angestarrt. Beziehungsweise der Kerl hinter mir.

      „Hallo Leute", unterbreche ich deswegen die Stille und schmeiße meine Tasche achtlos auf einen Stuhl neben der Bühne. „Tut mir leid für die Verspätung, aber Misses Heath hat mich aufgehalten."

      Wahrscheinlich interessiert niemanden, wieso ich zu spät gekommen bin, sondern einfach nur, was Harry hier will.

      „Ähm", macht Benja und kommt mit schnellen Schritten auf mich zu. Er zieht mich etwas weiter weg von Harry. „Vy, was zur Hölle sucht dieser Typ hier?" Heimlich sieht er zu Harry, der desinteressiert durch die Gegend guckt.

      „Heath hat ihn für die nächsten drei Wochen dazu verdonnert, den Bühnenbauern zu helfen, weil Andre krank ist."

      Benja macht große Augen. „Das kann sie doch wohl nicht ernst meinen. Der bringt die anderen nur durcheinander." Er blickt zur Gruppe hinter mir. „Vor allem Lara ... Sie bekommt bei gut aussehenden Kerlen jedes Mal einen Herzkasper."

      „Benja." Ich verdrehe die Augen. „Uns bleibt sowieso nichts anderes übrig und mach die Situation nicht schlimmer, als sie sowieso schon ist."

      Er atmet tief durch und lässt meinen Arm los. „Nun gut. Aber mach ihm klar, dass er hier nicht den Macho raushängen lassen muss, klar? Er ist jetzt der Außenseiter."

      Ich nicke verständig und wir gehen zur Gruppe. Benja begibt sich wieder zu Carla, die sich gerade eine Männerperücke aufziehen will, um ihr zu helfen.

      Widerwillig stelle ich mich in die Mitte, damit alle wissen, dass ich die Situation aufklären werde. Denn Harry wird noch immer angestarrt.

      „Okay", sage ich lauter und sehe zu Harry, der gerade seine Schultasche neben die Bühne fallen lässt. „Wahrscheinlich wundert ihr euch, weshalb er hier ist."

      Alle nicken perplex.

      „Tja, die Sache ist die ... Harry ist ein Trottel, das wissen wir alle. Deswegen hat Heath ihn gezwungen, für die nächsten drei Wochen Mitglied in unserer Theatergruppe zu sein, weil er sonst …''

      „Was?", meckert Carla, während Benja an ihrer Perücke herumzieht. „Wir können doch nichts dafür, wenn er ständig Mist baut!"

      „Ja!", versuche ich, die Situation zu beschwichtigen. „Ich kann verstehen, dass das nicht alle toll finden werden, und ich kann auch verstehen, dass sich jeder fragt: Warum gerade er? Hätte es nicht Brandon mit den schönen blonden Locken sein können?"

      Ein paar Mädchen seufzen schmachtend. Ja, Brandon ist wirklich ein Sahneschnittchen.

      „Aber es ist nicht Brandon", komme ich direkt zum Punkt und deute auf Harry, der noch immer gelangweilt an der Bühne lehnt. „Er ist nun hier und außerdem wollen wir nicht schuld daran sein, dass er von der Schule fliegt, oder?"

      „Auf gar keinen Fall", ruft James sarkastisch, der mit verschränkten Armen auf einem Stuhl sitzt. „Ich wette, es fällt mir leicht, die Tatsache zu verdrängen, dass er mir in der neunten Klasse die Freundin ausgespannt hat."

      „Oder meinen Geldbeutel aus meiner Sporttasche geklaut", beschwert sich ein Mädchen.

      "Oder mir auf Klassenfahrt im Schlaf die Haare abgeschnitten!", ruft ein weiteres Mädchen.

      Ich verziehe nachdenklich den Mund. Es ist aber auch wirklich nachvollziehbar, dass hier niemand Harry ausstehen kann. Er hat sich aus vielen Gründen bei uns unbeliebt gemacht, auch wenn wir nicht sonderlich viele sind. Wieso musste er auch immer so viele Gemeinheiten fabrizieren?

      Doch ich fühle mich, als wäre es meine Pflicht, ihn ein wenig in Schutz zu nehmen, obwohl er es nicht verdient. „Das mag ja alles sein, aber trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig. Ich bin mir sicher, er wird euch nicht auf die Pelle rücken."

      „Das will ich schwer hoffen", wütet James erneut und blickt Harry böse an. „Hier bist du nicht mehr der Beliebte, klar? Hier bist du mickrig. Vergleichbar mit einer Ameise, die man jeden Moment zertreten kann."

      „Keine Sorge", sagt Harry und hebt leicht die Hände. „Ich werde mich benehmen. Das mit deiner Freundin tut mir übrigens leid."

      James schnaubt und sieht weg. „Lass stecken. Damals hat es dir auch nicht leidgetan, als du ihr die Zunge in den Hals gesteckt und sie danach fallen gelassen hast."

      Wieder schweigt Harry und ich kann nicht anders, außer die Brauen zu heben. Er sagte, er werde sich benehmen und noch dazu hat er sich für damals entschuldigt? Meine Güte. Anscheinend kapiert er früher als gedacht, welchen Platz er hier hat. Nämlich den letzten.

      „Es wäre besser für dich, dich wirklich zu benehmen", sagt nun Benja ernst zu Harry und lässt seine Finger von Carlas Perücke. Doch er sagt es nicht, als wäre es eine Warnung, sondern eher ein gut gemeinter Rat. Benja war nie jemand, der direkt in die Offensive geht und ist der liebevolle Mensch. Und das anscheinend auch gegenüber Harry, obwohl Benja weiß, was für ein Idiot er ist.

      Harry nickt langsam und nach ein paar Sekunden löse ich die qualvolle Stille auf. „Okay, das war's, genug nur dumm rumgestanden. Das mit den Dialogen wird heute übrigens nichts, deswegen müssen wir die alten Szenen üben. Fangt schon mal an, ich zeige Harry vorher noch alles."

      Alle nicken und machen sich wieder an ihre Arbeit. Ich deute Harry, dass er mir folgen soll und dann kommt er auch schon zu mir. Ich laufe mit ihm hinter die Bühne, wo die ganzen Dekorationen für die Auftritte stehen, zum Beispiel Bäume aus Pappe oder Steine.

      „Unsere Hintergründe sind meistens sehr eintönig", erkläre ich und laufe bis zum Ende der Requisiten. „Viel Arbeit hast du theoretisch nicht. Auch wenn ich es dir wirklich gegönnt hätte, mal ganz nebenbei."

      Harry verdreht hinter mir die Augen, während er mir folgt.

      Ich bleibe vor zwei Bäumen stehen. „Eigentlich kannst du die gleich mal auf die Bühne schleppen und ich zeige dir, wie du sie anordnest, damit du alles richtig machst."

      Man sieht ihm an, wie es ihm widerstrebt, nach dem Baum zu greifen und ihn zur Bühne zu tragen. „Ich tue das nur, weil ich es muss", raunt er, als er mit dem Baum im Arm zur Bühne läuft.

      Ich winke ab und stelle mich inmitten der Bühne. „Jaja, mir egal, tu's einfach. Also ..." Ich zeige auf die Stelle, auf der der Baum immer steht. „Da muss er hin. Und die Blätter müssen zum Publikum zeigen, nur damit du ihn nicht falsch herum aufstellst. Eine braune Pappe will ja niemand sehen."

      Harry presst gestresst von mir die Kiefer aufeinander und stellt den Baum unsanft auf den Fleck, den ich ihm gezeigt habe.

      Gespielt nachdenklich reibe ich mir das Kinn. Das Gute an der Sache ist, dass ich ihm jeden Befehl geben kann und er muss ihn ausführen, weil ich mir sicher bin, dass er nicht