Violet Socks. Celine Ziegler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Celine Ziegler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738099102
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erwischte und noch dazu bin ich die Einzige, die das weiß. Florence weiß auch, dass ich es weiß. Und deswegen habe ich immer etwas gegen sie in der Hinterhand, wodurch sie oft die Klappe hält, denn sie will ja ihren guten Ruf in der Schule nicht verlieren und als Sockentitte dastehen.

      Ich betrete die große Küche und entdecke auch schon Charly, Hardy und Benja tratschend mit Oscar und Carla. Auch zwei, die nicht zu der coolen Art von Mensch gehören, jedoch zu uns und wir sind ja wohl auch irgendwie super cool oder nicht?

      Ich stelle mich zu ihnen, nachdem ich mir einen Becher mit Cola geholt habe. „Okay, wer will die Story mit Charlys Cousin noch hören oder hat Charly bereits alles in den letzten zwei Minuten ausgeplaudert?"

      Carla und Oscar lachen. Carla ist übrigens von spanischer Abstammung und Oscar dagegen von indischer, gemischt mit einem leichten thailändischen Touch, den er von seinem Großvater hat. Wie seine Familie genau zusammengesetzt ist, weiß ich nicht und ich bin mir sicher, er weiß es selbst nicht so genau.

      „Charly hat vorhin in der WhatsApp-Gruppe schon davon erzählt", sagt Oscar und trinkt von seinem Wasser. „Ich wusste ja, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt."

      „Stimmt", sagt Carla. „Immerhin behauptet er von sich selbst, mit einem Haus, das nur mit Luftballons angehoben wurde, um die Welt geflogen zu sein."

      „Ein wahrer Oben-Fan", grunzt Benja.

      Wieder verdreht Charly die Augen und verschränkt die Arme. „Hallo? Ich kann ja echt verstehen, dass ihr Torben für einen Idioten haltet, aber er ist immer noch mein Cousin und damit Mitglied meiner Familie. Und meine Familie hat es nicht verdient, dass man sich über sie lustig macht, ihr Hirnis."

      Wir alle lachen, weil Charly genau wie wir alle weiß, dass Torben ein Horst ist, es allerdings nicht zugeben will. Gerade als ich etwas darauf sagen will, erweckt jedoch etwas anderes meine Aufmerksamkeit.

      Florences schrilles Gekicher ertönt und mein Blick fällt direkt zum Türrahmen der Küche, an der sie lehnt mit den Händen an dem Kragen eines Shirts, dessen Träger mir nur allzu bekannt ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass dieses T-Shirt, das er trägt, schon mindestens drei Jahre alt sein muss. Schon immer mochte er die Rolling Stones, weswegen er haufenweise von diesen T-Shirts hat. Zumindest hatte er es damals.

      Ich muss einen Kotzreiz unterdrücken, als ich zusehe, wie der Kerl, den ich wahrscheinlich am meisten in meinem Leben verachte, grinsend seinen Arm neben Florence abstützt, während er – so sieht es zumindest aus – versucht, verführerisch zu sein, und mit ihrer blonden Haarsträhne spielt.

      Jedes Mal muss ich mir diesen Anblick antun, wenn wir auf Partys sind, denn immer da, wo es eine Party gibt, ist Harry anwesend. Er ist überall, wirklich überall. Es reicht mir schon, dass ich ihn fünf Mal die Woche in der Schule sehen muss, aber nicht mal am Wochenende scheint mir die Ruhe vor ihm gegönnt zu sein. Und jedes Wochenende scheint er ein anderes Opfer für seine widerlichen Anmachsprüche zu haben. Hier mal eine Blondine, dann eine Brünette, am nächsten Freitag ist es dann die mit den roten Haaren, die niemand kannte, doch jeder haben wollte, weil sie so unerreichbar ist. Besser gesagt war. Das Schlimme und Ätzendste ist nämlich, dass all diese Mädchen auch noch darauf reinfallen und wirklich denken, dass er einer der netten Sorte Typ ist, der sie vergöttert wie eine Prinzessin. Aber nein, nicht mit Mister Obercool. Er lässt sie fallen wie jedes andere Mädchen.

      Aber nicht denken, dass ich mit dieser Verachtung zu ihm, auf die Welt gekommen bin, nein. Harry, so heißt Mister Oberkotzcool, war vor vier Jahren noch mein bester Freund. Tatsache! Das letzte Mal habe ich richtig mit ihm gesprochen, da war er vierzehn und ein noch total anderer, besserer, liebevollerer Mensch. Ich habe ihn als aufmerksame und loyale Person in Erinnerung, aber nicht als arroganten Rüpel, der nicht weiß, wann Schluss ist.

      Ich dachte immer, dass seine und meine Freundschaft ewig halten würde. Das dachte ich wirklich. Er war seit der Krabbelgruppe mein bester Freund, ging mit mir durch dick und dünn, war für mich da, als mein Vater meine Mutter, Rosy und mich verließ und guckte mit mir sogar bestimmt hundert Mal Nemo, weil ich den Film so mochte, obwohl er ihn nicht ausstehen konnte. Es ist so unglaubwürdig, dass dieser Kerl, der heute fast jedes Wochenende betrunken ist, mal der Junge gewesen sein soll, der damals für mich ein Paar Socken strickte, wo V+H eingestickt war. Natürlich waren sie total schlecht gestrickt, doch er war mein bester Freund und noch dazu mein persönlicher Held.

      Aber heute will ich ihm jede Sekunde ans Schienbein treten, wenn ich ihn sehe. Zwar sieht er mich nie an und ich bin mir auch sicher, dass er mir, seitdem unsere Freundschaft von einem Tag auf den anderen ein Ende genommen hat, nicht mehr richtig in die Augen gesehen hat, aber das ist auch nicht nötig. Er ist heute niemand mehr, mit dem ich meine Zeit verbringen will und ich bin für ihn wahrscheinlich genauso ein Loser wie für Florence und den ganzen Rest. Mir jedoch vollkommen egal.

      Als Harry nun Florence etwas schelmisch grinsend ins Ohr flüstert, worauf sie erneut kichert, verziehe ich angewidert das Gesicht. Gott, wieso tue ich mir das eigentlich an?

      „Glaubt ihr, sie ist noch anwesend?"

      „Warte."

      Ich schrecke auf, als mich plötzlich jemand in den Arm zwickt.

      „Au!", meckere ich und sehe Benja zornig an. „Musst du mich immer kneifen?"

      „Du hast wieder gestarrt", sagt Charly und deutet hinter sich, wo Harry mit Florence rumknutscht.

      Ich sehe gereizt weg. „Ich habe nicht gestarrt."

      „Wie auch immer." Carla schiebt ihren Kopf in die Runde, worauf wir es ihr gleichtun, weil das das Zeichen ist, dass ein Geheimnis offenbart wird. „Ich habe gehört, sie sollen es schon im Schulklo getrieben haben."

      „Wer?", fragt Oscar verwirrt.

      „Na, Harry und Florence. Das hat mir Michelle heute nach der Schule erzählt. Der ganze Jahrgang spricht darüber."

      Ich winke ab und interessiere mich nicht weiterhin für das Thema. „Hach, Gerüchte gibt es viele. Angeblich soll Florence auch schon mit unserem Sportlehrer geschlafen haben, aber das glaubt auch niemand."

      Hardy hebt die Brauen. „Aber Florence hat mit dem Sportlehrer geschlafen."

      „Oh, wow", lacht Charly. „Was eine überraschende Wendung."

      Plötzlich ertönen laute Knalle und ein Junge unseres Jahrgangs steht auf der Küchentheke und haut mit einem Holzlöffel gegen einen Topf. „Aufgepasst! In fünf Minuten wird Flaschendrehen ohne Hemmungen im Wohnzimmer gespielt! Ich wiederhole! In fünf Minuten Flaschendrehen ohne Hemmungen!"

      Carla schüttelt den Kopf. „Als wären wir an einem Flughafen."

      Benja nimmt wieder Hardys Hand. „Los, wir spielen mit."

      „Was?", fragen Charly und ich synchron.

      „Vergiss es", blökt Charly als Erstes. „Am Ende muss noch jemand von uns irgendwelche unmenschlichen Aufgaben machen, wie den ekligen Derek küssen oder so!"

      „Und noch dazu ist das echt ein bescheuertes Spiel", füge ich hinzu und verschränke die Arme, um meiner Verweigerung einen gewissen Nachdruck zu verleihen. „Das spielen nur die, die einfach jemanden zum Rummachen brauchen, aber wir nicht."

      „Nun stellt euch mal nicht so an. Ich will wenigstens zugucken, wie sich die anderen blamieren."

      Und weil die Schlagwörter „zugucken und blamieren“ gefallen sind, stehen wir auch schon hinter dem kleinen Kreis an Freiwilligen, die sich dazu bereit erklärt haben, dieses infantile Spiel zu spielen, während der Rest gespannt zuguckt.

      In der Runde mit dabei: Florence. Natürlich. Es sitzen sechs weitere Personen im Kreis. Vier Jungs, drei Mädchen mit Florence eingeschlossen. Echt bescheuert, wie sie sich trauen, sich inmitten der ganzen Leute zu setzen und sich anstarren zu lassen, während sie irgendwelche bescheuerten Dinge ausplaudern oder doofe Pflichtaufgaben bewältigen. Als wären wir in einem Zirkus, in dem dressierte Affen Unfug treiben, um die anderen zu bespaßen.