Violet Socks. Celine Ziegler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Celine Ziegler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738099102
Скачать книгу
diese Nummer weniger unangenehm für mich ist. Natürlich werde ich ausgelacht, während ich eilig einem Faden folge, doch das interessiert mich gerade nicht. Helfen tut mir selbstverständlich auch niemand, warum auch? Ist doch durchaus amüsant die ganze Szene. Zumindest als Beobachter.

      Ich jogge gerade wieder um die nächste Ecke und will Clarissa zuschreien, dass sie gefälligst stehen bleiben soll, doch noch bevor ich überhaupt in den nächsten Gang komme, knalle ich unsanft gegen etwas Menschliches.

      Sofort fliege ich zu Boden, genauso wie meine dreizehn Blätter, die wieder dreckig werden und sich im ganzen Flur verteilen.

      „Autsch", brumme ich und reibe mir den Kopf, weil ich ihn mir gestoßen habe. Der Faden wird immer weiter gezogen und die Hoffnung, dass dieser Strumpf noch auf irgendeine Art und Weise zu retten ist, ist auch schon verloren.

      Die Person, gegen die ich gestoßen bin, dreht sich zu mir um, sieht erst über mich hinweg, dann zu mir herab. Meine Augen treffen Harrys und ich habe das Gefühl, dass mein Tag kaum noch schlimmer werden kann. Hätte ich nicht gegen Mister Miller laufen können? Er hätte mich hier nach sofort nach Hause geschickt, weil er Angst haben würde, ich hätte mir etwas gebrochen.

      „Pass das nächste Mal auf, wo du hinläufst", spricht Harry mir zu und dreht sich dann wieder desinteressiert zu seinen Freunden, die vor ihm stehen. Zweifellos wird er mir nicht hochhelfen oder sich erkundigen, ob ich mir wehgetan habe, aber das erwarte ich auch nicht. So ist Harry nun mal nicht.

      „Du mich auch, Idiot", rede ich vor mich hin und in der nächsten Sekunde ist das letzte Stück Faden von meinem Strumpf entfernt und mein linkes Bein ist, bis auf das Stück in meinen Schuhen, komplett nackt. Gott, bin ich irgendwie verdammt? Muss mir so was auch noch direkt in Harrys Gegenwart passieren?

      Seufzend rapple ich mich auf und beginne genervt, die Blätter vom Theaterkurs einzusammeln. Mittlerweile sind mehrere Fußspuren darauf zu erkennen, denn niemanden scheint es zu interessieren, dass diese Papiere eventuell wichtig sein könnten.

      „Was soll das sein?", fragt Ethan, der bei Harry steht, und hebt einen Zettel vom Boden auf, um darauf zu sehen. „Henriette & Victor", liest er vor und verzieht das Gesicht. „Bullshit."

      „Natürlich ist das für dich Bullshit", rufe ich ihm zu und sammle den vorletzten Zettel vom Boden auf. „Von Lyrik verstehst du nichts."

      „Ach ja?", blökt er und zerknüllt kurzerhand den Zettel. „Hier, versteh die Scheiße, Borrymore." Er zerreißt den Zettel noch zweimal und dann werden mir die Schnipsel vor die Füße gepfeffert. „Da hast du deine Lyrik."

      Ich balle die Fäuste, als ich auf den zerkleinerten Zettel vor meinen Füßen sehe und starre dann Ethan an, der lässig mit verschränkten Armen am Schließfach steht und mich gehässig auslacht. „Zufällig habe ich das noch gebraucht und zufällig spricht man meinen Namen Berrymore aus und nicht Borrymore!"

      „Da ist wohl jemand empfindlich", feixt Lucas, ein weiterer Idiot von Harrys Freunden. „Stell dich nicht so an, niemanden interessiert deine Scheiße."

      „Noch dazu fehlt dir da eine Socke", sagt Ethan und zeigt schief grinsend auf mein nacktes Bein. „Hat das Geld nicht für zwei gereicht?"

      „Sei bloß still", fauche ich ihn an. „Oder hat das Geld nicht für ein Hirn gereicht?"

      Ethan guckt jetzt weniger belustigt und stößt sich von dem Schließfach ab. „Halte die Klappe, Borrymore oder …''

      „Berrymore", korrigiere ich ihn.

      Noch wütender presst er den Kiefer aufeinander. Er schweigt kurz und scheint mich mit seinem Blick töten zu wollen und im nächsten Moment reißt er mir die Blätter aus der Hand und zerreißt sie in einem Schwung.

      Entsetzt sehe ich zu, wie er die zerteilten Papiere durch den Flur schmeißt.

      „Hier!", ruft Ethan böse. „Ich scheiß auf deinen Namen, Loser!"

      Die Jungs in der Runde lachen und ich filtere Harrys leises Lachen heraus, als das Blut in mir noch mehr kocht. Ich habe echt Nächte mit diesen Dialogen verbracht und Ethan erlaubt sich einfach, sie zu zerreißen?

      „Alter", flüstert jetzt ein weiterer Kerl aus der Gruppe und haut Ethan auf die Brust. Er nickt hinter uns, wo uns Misses Heath, die Schuldirektorin entgegenkommt und absolut nicht glücklich darüber aussieht, wie es hier im Flur zugeht.

      „Scheiße", flucht Ethan und sieht mich ein letztes Mal böse an.

      Und dann machen sie sich schnell auf den Weg um die nächste Ecke, während Misses Heath uns immer näher kommt.

      Auch Harry will einen Abgang machen, doch Misses Heath ruft mit schriller Stimme: „Stehen geblieben, Mister Perlman!"

      Harry bleibt gestresst stehen und dreht sich stöhnend um.

      Misses Heath kommt auf uns zugeklackert, da sind Ethan und die anderen schon längst verschwunden. Sie stemmt die Hände in die Hüften, als ich die zerrissenen Blätter aufsammele, um einen elenden Eindruck zu machen, damit sie Mitleid mit mir hat. Harry kann gerne eine Strafe bekommen, auch wenn er rein theoretisch nichts gemacht hat. Mir egal. Er hat mich letzten Freitag beleidigt und das kann er jetzt gerne zurückbekommen.

      „Was ist hier passiert?", kräht Misses Heath und starrt Harry böse an.

      „Ich habe hiermit nichts zu tun", erwidert er.

      Sie wird wütender und ihre Zornfalte größer. „Das sagen Sie immer, Mister Perlman. Was fällt Ihnen ein, einfach Miss Berrymores Arbeitszettel zu zerreißen?"

      „Die übrigens enorm wichtig für mich waren", werfe ich noch ein.

      Harry sieht erst mich böse an und dann Misses Heath. „Ich habe diese verdammten Zettel nicht zerrissen! Was kann ich dafür, wenn Violet nicht geradeaus gucken kann?"

      „Was kann ich dafür, wenn du mitten im Weg stehst!", blöke ich ihn von der Seite an.

      „Was kann ich dafür, wenn du deine Klappe nicht halten kannst?", meckert er sofort zurück.

      Misses Heath wechselt den Blick zwischen Harry und mir hin und her. Sie scheint zu überlegen, während ich eingeschnappt die Arme verschränke. Er kann ruhig nachsitzen, das tut ihm gut. Vielleicht kommt er dann endlich mal zum Lernen und tut was für die Schule, außer nur blöd in den Gängen rumzustehen.

      „Was ist mit deinem Strumpf passiert?", fragt Misses Heath.

      „Jemand Nettes hat den Faden gelöst", erkläre ich missbilligend und wünschte, ich könnte Clarissas Augenbrauen abrasieren, jedoch sind sie ja permanent.

      „Also wirklich", schnauft Misses Heath wieder und wendet sich entrüstet an Harry. „Sie wissen wirklich nicht, wann Schluss ist oder?"

      Harry hebt ungläubig die Brauen. „Was? Ich habe den Faden ganz bestimmt nicht gezogen!"

      „Natürlich haben Sie das nicht." Sie schüttelt mit dem Kopf und legt einen Arm um meine Schulter. „Ihr beide kommt mit mir ins Sekretariat, damit wir für Sie eine gerechte Strafe aussuchen können, Mister Perlman."

      Er wirft die Hände fassungslos in die Luft. „Man, ich war das nicht! Nichts hiervon war ich! Violet sag's ihr, verdammt!"

      Doch ich schweige und grinse nur leicht. Tja, da hast du dich aber geschnitten, Mister Perlman. Hoch lebe die guten Beziehungen zu den Lehrern. Ich lüge zwar in der Schule nie, was so was angeht, doch heute habe ich mir das mal verdient, nachdem ich einen Strumpf verloren habe.

      Als Harry merkt, dass ich nichts darauf sagen werde, wird er noch wütender. „Ist das dein scheiß Ernst?"

      „Gefluche wird Sie auch nicht mehr weiterbringen", sagt Misses Heath und zieht mich mütterlich in Richtung des Rektorenbüros. „Los, folgen Sie uns oder es gibt direkt den nächsten Eintrag ins Schulregister."

      Zufrieden laufe ich mit Misses Heath zum Büro und ich höre, wie Harry noch kurz im Flur stehen bleibt, sich jedoch irgendwann