Albert de Menier - Exposition Universelle Die Gotteskinder von Paris. Benjamin Klunzinger Karl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benjamin Klunzinger Karl
Издательство: Bookwire
Серия: Albert de Menier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738064827
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mich bei meiner Ankunft sofort melden und ihr regelmäßig schreiben, wie es mir geht – als ob ich noch ein kleiner Junge wäre. Wenn es nach ihr ginge, müsste ich ihr jeden Tag schreiben.

      Ich kann sie ja verstehen, dass sie so besorgt ist, ich bin schließlich ihr einziger Sohn. Wäre mein Vater damals 1871 nicht im Krieg gegen Frankreich in der Nähe von Paris gefallen, hätte ich wahrscheinlich noch zahlreiche Geschwister, aber so hat sie nur noch mich. Leider habe ich meinen Vater nie kennengelernt, da er schon starb, bevor ich geboren wurde. Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt wusste, dass ich auf dem Weg war.

      Paris! Ich bin so aufgeregt. Die Entscheidung fiel sehr schnell, als man mich fragte. Es war weniger eine Frage, sondern eher ein Befehl, aber ich freue mich auf die neuen Aufgaben. Diese Weltausstellung ist größer als alle anderen, die es je gegeben hat. Direkt an der Seine, von den Esplanades des Invalides über den Quai d`Orsay bis zum Marsfeld, auf dem der riesige Eiffelturm steht. Auf der anderen Seite der Seine erstreckt sie sich vom Trocadéro bis an den Place de la Concorde, an dem sich das mächtige Riesentor als Haupteingang befindet. Außerdem gibt es aus Platzgründen noch einen Außenbereich im Bois de Vincennes am Rande der Stadt.

      Wahrscheinlich hat man mich gewählt, da ich französisches Blut in den Adern habe. Von meinen Vorfahren, ist nur noch unser Familienname übriggeblieben – „de Menier“. In Berlin werde ich mit meinem Namen öfters komisch angeschaut, aber in Paris habe ich hoffentlich keine Probleme damit.

      Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird. Obwohl der Krieg gegen Frankreich schon fast 30 Jahre zurückliegt, hat man es als Deutscher in Frankreich immer noch sehr schwer. Auf der Weltausstellung von 1889 hatte Deutschland keine eigenen Ausstellungen und als Besucher wurde man mit Missachtung gestraft. Ich frage mich, ob wir immer noch so von den Franzosen gehasst werden, oder ob sich die Meinung unserer Nachbarn über uns mittlerweile geändert hat?

      Auf jeden Fall habe ich die Anweisung, mit äußerster Vorsicht und Diplomatie vorzugehen, das heißt, ich soll mich nicht überall einmischen und mich aus allem raushalten. Damit werde ich keine Probleme haben, da ich hauptsächlich zwischen den deutschen Besuchern, den Verantwortlichen und den Franzosen in polizeilichen Angelegenheiten vermitteln soll. So war zumindest die offizielle Beschreibung meiner Tätigkeiten, die Realität sieht wahrscheinlich dann so aus, dass ich bei Fällen ermitteln darf, bei denen unsere Landsleute betroffen sind.

      Eigentlich sollte ursprünglich der Chefinspekteur selbst fahren, aber dieser wollte sein schönes Büro und seine Familie nicht verlassen - oder sollte ich besser sagen, er durfte seine Familie nicht verlassen. Ich habe gehört, bei ihm zu Hause hat Madame die Hosen an. Sie hatte anscheinend kein Vertrauen in ihren Mann und hat wohl auch so manch anzügliche Geschichten über die Pariser Damenwelt gehört.

      Aber was soll`s, Hauptsache ich darf für ihn einspringen. Das Beste daran ist, dass ich jetzt erster Klasse reisen darf, da schon alles organisiert wurde und man die Fahrkarte nicht mehr umtauschen konnte. Immerhin kostete die Bahnfahrt fast 100 Mark, soviel hätte man für mich sonst nicht springen lassen. Auf die Unterkunft bin ich auch gespannt, da man so kurzfristig auch keine andere Unterkunft finden konnte. Da werde ich mit Sicherheit auch in besseren Verhältnissen wohnen, als ich es sonst gewohnt bin…

      „So, da sind wir.“ Mit diesen Worten unterbricht der Kutscher die Gedanken seines Fahrgastes, als diese am Bahnhof ankommen. Dem jungen Mann wird nun bewusst, dass er seiner Heimatstadt für über ein halbes Jahr lebe wohl sagen muss. Es herrscht ein reges Treiben am Bahnhof. Reisende kommen und gehen, die Frühlingssonne erhellt die Eingangshalle und der Abschied fällt bei Sonnenschein wohl leichter als bei Regenwetter, bei dem man im Allgemeinen etwas melancholischer wird.

      Seinen großen Koffer lässt er vom Kofferträger aufgeben, aber sein Handgepäck nimmt er besser selbst, schließlich befindet sich eine nicht unbeträchtliche Summe Bargeld darin, wie wohl auch bei jedem anderen Reisenden hier am Bahnhof, der eine längere Reise vor sich hat.

      Er ist zwar schon öfters mit dem Zug gefahren, aber noch nie eine so lange Strecke, immerhin fast 1200 km. Zum Glück ist der Zug dank der modernen Technik schon in 20-24 Stunden da, das geht ganz schön fix.

      Also auf in die erste Klasse! Der Waggon ist riesig, er hat immerhin 7 Abteile, die über einen Seitengang zugänglich sind, beim Betreten bemerkt man den luxuriösen, modernen Linoleumboden. Die Decken sind aufwendig bemalt und die Beschläge vergoldet. Wenn man sich hinsetzt, schmiegt sich der mit blau gemustertem Samt bezogene Sitz an den Fahrgast. Da muss man sich in die erste Klasse verlieben, nach so einer Fahrt, kann man wahrscheinlich nie wieder zweite Klasse fahren.

      Im Abteil ist Platz für 4 Personen. Allerdings ist in dem Abteil, welches sich der junge Mann ausgesucht hat, schon ein Platz besetzt. Ein Pastor, der seine Augen geschlossen hat und zu schlafen scheint, hat es sich dort gemütlich gemacht. Ein großer brauner Lederkoffer, auf dem die Initialen R. K. stehen, liegt im Gepäckfach über ihm. Die Seitenwände des Koffers verzieren etliche Aufkleber mit Reisezielen, anscheinend ist der Pastor schon viel herumgekommen. Er nimmt neben ihm Platz, um in Fahrtrichtung zu sitzen, dabei macht er anscheinend so viel Lärm, dass sein Sitznachbar aufschreckt.

      Der junge Mann nimmt natürlich gleich die Gelegenheit wahr und stellt sich vor: „Gestatten, Albert de Menier.“ Ganz verdutzt und überrascht schaut ihn der Pastor an, erhebt sich und stellt sich ebenfalls vor: „Angenehm, ich bin Pastor Richard Koch.“

      Nachdem sich die beiden gegenseitig bekannt gemacht haben, fangen sie auch gleich eine angeregte Unterhaltung an.

      „Wo führt Sie der Weg hin? Fahren Sie auch nach Paris?“ „Ganz recht, Gottes Weg führt mich nach Paris. Ich werde dort in der Missionsausstellung über meine Erfahrungen in den deutschen Kolonien berichten. Ich habe mittlerweile fast jede einzelne durchreist“ „Das ist interessant.“ „Angefangen habe ich in Kiautschou, der asiatischen Provinz, da hatte ich auch die Möglichkeit die tolle asiatische Küche kennenzulernen. In China gibt es Gegenden, in denen fast alles aufgetischt wird. Von Insekten bis hin zu Reptilien und was es nicht alles aus den Meeren gibt...“ Unser junger Kommissar hat einen Fehler gemacht - hat der Pastor erst einmal zu reden angefangen - hört er nicht mehr auf. Wahrscheinlich kann er bis Paris ununterbrochen weiterreden.

      Die Eingeborenen, die er bekehrte, hatten wohl auch keine andere Wahl, als sich missionieren zu lassen, sie kamen nicht zu Wort, um zu widersprechen. Der junge Albert de Menier nickt immer nur zustimmend. Dennoch ist es interessant, was der Pastor erzählt. Er war anscheinend auch in Samoa, auf den Marshallinseln, im Kaiser-Wilhelms-Land, auf dem Bismarck-Archipel und kreuz und quer durch Afrika.

      Der gute Pastor wird bei seinen Erzählungen jedoch unterbrochen, als noch weitere Fahrgäste zusteigen. Es betreten zwei Frauen das Abteil, die mit Sicherheit der gehobenen Berliner Gesellschaft angehören. Es handelt sich um eine junge Dame mit ihrer Zofe, schätzungsweise 20-22 Jahre alt. Als die feine junge Dame das Abteil betritt, erwischt sich der Kommissar selbst dabei, wie er sie anstarrt. Sie sieht einfach atemberaubend aus, zum Glück hat das niemand bemerkt.

      Ihre nussbraunen Haare sind aufwendig geflochten und hochgesteckt. Ihre dunkelgrünleuchtenden Augen und ihre roten Lippen strahlen eine Sinnlichkeit aus, die man nicht zu beschreiben vermag. Ihre Schuhe, die mit Sicherheit ein Vermögen gekostet haben, passen farblich perfekt zu ihrem dunkelblauen Kleid, dazu einen beigen Sommermantel und einen dunkelblauen verspielten Hut – einfach umwerfend.

      Als ob dies nicht schon reichen würde, um einen Mann zu betören, lässt der Duft ihres Parfums die Sinne des jungen Mannes benebeln und seinen Herzschlag in die Höhe eilen. Als sie sich umdreht, sieht er sie auch noch lächeln und es läuft ihm eiskalt den Rücken herunter.

      „Ge-Gestatten mein Name ist de Menier, Albert de Menier“ stammelt der junge Mann in leisen Tönen. Wahrscheinlich hat sich auch sein Gesicht leicht rot verfärbt - hoffentlich ist es nur ein leichtes rot - auf jeden Fall fängt die Zofe der hinreißenden Dame zu grinsen an.

      Der junge Mann ist nach dieser Vorstellung etwas verlegen und denkt sich, dass es besser ist, erst einmal seine Sinne wieder zu sammeln.

      Nachdem sich nun auch der Pastor vorgestellt hat, öffnet diese bezaubernde Frau ihre Lippen und die Mitreisenden