Middlemarch. George Eliot. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752988956
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war; in seiner Lage würde aber, auch wenn er es gemerkt hätte, dadurch nichts geändert worden sein. Es war ihm ganz klar, daß der Alte, um ihn seine Gewalt fühlen zu lassen, ihn ein bisschen peinigen und sich wahrscheinlich auch die Genugtuung verschaffen wollte, ihn auf schlechtem Fuße mit Bulstrode zu sehen. Fred bildete sich ein, an den Grund der Seele seines Onkels zu blicken, wiewohl in Wahrheit die Hälfte von dem, was er zu sehen glaubte, nur der Reflex seiner eigenen Neigungen war. Die schwere Aufgabe in Anderer Seelen zu lesen, ist nicht für junge Männer gemacht, deren ganzes geistiges Bewusstsein sich wesentlich aus ihren Wünschen zusammensetzt.

      Der innere Kampf, den Fred jetzt durchzumachen hatte, drehte sich hauptsächlich darum, ob er seinem Vater etwas von der Sache sagen oder versuchen solle, ohne Wissen desselben damit fertig zu werden. Er hielt es für wahrscheinlich, daß Frau Waule dem alten Featherstone die Gerüchte über ihn mitgeteilt habe, und wenn Mary Garth Rosamunden Frau Waule's Bericht wieder erzählt haben sollte, so würde derselbe ohne Zweifel auch bis zu seinem Vater gelangen, der ihn dann sicher darüber befragen würde.

      Als sie bald darauf ihre Pferde im Schritt gehen ließen, sagte er daher zu Rosamunden:

      »Rosy, hat Mary Garth Dir erzählt, daß Frau Waule Onkel etwas über mich mitgeteilt habe?«

      »Allerdings hat sie das getan.«

      »Und was war es?«

      »Daß Du sehr unsolide seiest.«

      »War das Alles?«

      »Ich sollte denken, das wäre genug, Fred.«

      »Bist Du sicher, daß sie nicht mehr gesagt hat?«

      »Mary hat nichts Anderes erwähnt. Aber, Fred, Du solltest Dich wahrhaftig schämen.«

      »Ach dummes Zeug, halt' mir keine Predigt. Und was sagte Mary darüber?«

      »Das brauche ich Dir doch wohl nicht zu sagen. Du bist so begierig, zu hören, was Mary gesagt hat, und bist doch so grob, mir das Wort abzuschneiden.«

      »Gewiß bin ich begierig zu wissen, was Mary gesagt hat. Sie ist das beste Mädchen, das ich kenne.«

      »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß man sich in sie verlieben könnte.«

      »Was weißt Du davon, wie ein Mädchen beschaffen sein muß, damit sich ein Mann in sie verliebe. Davon verstehen Mädchen gar nichts.«

      »Laß mich Dir, Fred, wenigstens den guten Rat geben, Dich nicht in sie zu verlieben, denn sie hat erklärt, sie würde Dich nicht heiraten, wenn Du um sie anhieltest.«

      »Damit hätte sie warten können, bis ich um sie angehalten hätte.«

      »Ich wußte, daß Dich das ärgern würde, Fred.«

      »Ganz und gar nicht, sie würde das nicht gesagt haben, wenn Du sie nicht gereizt hättest.«

      Noch bevor er zu Hause angelangt war, hatte Fred beschlossen, die Sache so einfach wie möglich seinem Vater vorzutragen, der sich dann vielleicht selbst der unangenehmen Aufgabe unterziehen würde, mit Bulstrode zu sprechen.

2. Buch

      13

      1st Gent. How class your man? – as better than the most,

      Or, seeming better, worse beneath that cloak?

      As saint or knave, pilgrim or hypocrite?

      2nd Gent. Nay, tell me how you class your wealth of books

      The drifted relics of all time.

      As well sort them at once by size and livery:

      Vellum, tall copies, and the common calf

      Will hardly cover more diversity

      Than all your labels cunningly devised

      To class your unread authors.

      In Folge der Mitteilungen Fred's entschloss sich Herr Vincy, Herrn Bulstrode in seinem Privat-Comptoir in der Bank um halb zwei Uhr Nachmittags, einer Zeit, wo er gewöhnlich nicht von anderen Besuchern in Anspruch genommen war, aufzusuchen. Aber dieses Mal hatte sich um ein Uhr ein anderer Besuch eingestellt, mit welchem Herr Bulstrode so viel zu sprechen hatte, daß wenig Aussicht dazu vorhanden war, diese Zusammenkunft schon in einer halben Stunde beendigt zu sehen. Herr Bulstrode sprach fließend, aber er war sehr wortreich, und verbrauchte viel kostbare Zeit mit kurzen Pausen des Nachdenkens.

      Man darf sich sein kränkliches Aussehen nicht so vorstellen, als ob er zu der leberfarbenen, schwarzhaarigen Sorte gehört hätte; er hatte einen blonden blassen Teint, dünnes braunes schon etwas ins Graue spielendes Haar, hellgraue Augen, und eine große Stirn.

      Lautredende Leute nannten seinen gedämpften Ton ein Flüstern, und gaben auch wohl zu verstehen, daß diese Art zu reden mit einem offnen Wesen unvereinbar sei, wiewohl doch in der Tat kein Grund vorhanden zu sein scheint, warum nicht auch ein lautredender Mensch beflissen sein könnte etwas zu verbergen, – natürlich mit Ausnahme seiner Stimme –, es wäre denn, daß aus der heiligen Schrift nachgewiesen werden könnte, der Sitz der Aufrichtigkeit sei die Lunge.

      Herr Bulstrode pflegte beim Zuhören eine ergeben geneigte Haltung anzunehmen und seine Augen mit dem Ausdruck anscheinend gespannter Aufmerksamkeit auf den Redenden zu heften, eine Manier, durch welche Leute, die Wert auf ihre Äußerungen legten, zu dem Schluss veranlaßt wurden, daß er aus ihren Reden die größtmögliche Belehrung zu ziehen suche. Andere, welche keinen besonderen Wert auf ihre Äußerungen legten, fanden diese Art, sie mit einer moralischen Laterne zu beleuchten, unangenehm.

      Wenn man nicht stolz auf seinen Weinkeller ist, so gewährt es Einem keine große Befriedigung, wenn der Gast mit einer Kennermiene sein Weinglas gegen das Licht hält. Solche Freuden sind dem selbstbewußten Verdienste vorbehalten. Daher war die gespannte Aufmerksamkeit, welche Herr Bulstrode in der Unterhaltung mit Anderen an den Tag legte, den »Zöllnern und Sündern« in Middlemarch nicht angenehm; Einige schrieben Herrn Bulstrode's Art und Weise seinem Pharisäertum, Andere seiner streng kirchlichen Richtung zu; wieder Andere wiesen auf die unbekannte Herkunft des Herrn Bulstrode hin, indem sie bemerkten, daß man bis vor fünfundzwanzig Jahren den Namen Bulstrode in Middlemarch nie habe nennen hören.

      Seinem gegenwärtigen Besuche, dem jungen Lydgate, war der forschende Blick Bulstrode's ganz gleichgültig; er beschränkte sich darauf, sich eine ungünstige Ansicht über die Constitution des Bankiers zu bilden, und schloss, daß der Mann ein aufreibendes inneres Leben ohne Genuss an faßbaren Dingen führen müsse.

      »Ich werde Ihnen außerordentlich verbunden sein, Herr Lydgate, wenn Sie mich hier dann und wann aufsuchen wollen,« bemerkte Herr Bulstrode nach einer kurzen Pause. »Wenn ich, wie ich zu hoffen wage, auf Ihren schätzbaren Beistand in der interessanten Angelegenheit der Hospitalverwaltung rechnen darf, so werden wir viele Fragen vertraulich miteinander zu verhandeln haben. In Betreff des fast vollendeten neuen Hospitals werde ich das, was Sie über die Vorteile einer speziellen Bestimmung desselben für Fieberkranke gesagt haben, in reifliche Erwägung ziehen. Die Entscheidung wird von mir abhängen; denn obgleich Lord Medlicote den Grund und Boden und das Holz für das Gebäude hergegeben hat, ist er doch nicht geneigt, sich persönlich weiter mit der Sache zu befassen.«

      »Es gibt wenig Dinge, deren Unternehmung in einer Provinzialstadt mehr der Mühe lohnte, als der Bau eines schönen Hospitals für Fieberkranke,« erwiderte Lydgate. »Ein solches neben dem alten Krankenhause hier errichtetes Hospital könnte der Ausgangspunkt einer medizinischen Schule werden, wenn wir einmal unsere Reformen bekommen, und was wäre wohl geeigneter, auf eine gute medizinische Erziehung zu wirken, als die Verbreitung solcher Schulen im Lande. Jeder in der Provinz geborne Mann, der nur einen Funken von Patriotismus und höherem Interesse besitzt, sollte Alles aufbieten, um dem Hinströmen alles Dessen, was sich nur im Mindesten über das ganz Gewöhnliche erhebt, nach London, entgegen zutreten. Die, welche in ihrem Beruf gesunde Zwecke verfolgen, können darauf rechnen, in den Provinzen oft ein freieres, wenn nicht reicheres Feld