Middlemarch. George Eliot. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752988956
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hier herum so viel ich weiß, kein Land. Der Patron ist ein Spekulant. Er kann jeden Tag herumliegen, wenn der Teufel einmal keine Lust mehr hat ihn zu stützen. Und dazu dient ihm auch seine Religion: er braucht Gott den Allmächtigen um weiterzukommen. Das ist dummes Zeug! Eine Sache ist mir ziemlich klar geworden, als ich noch zur Kirche ging: Gott der Allmächtige schützt den Landbesitz. Er verheißt Land und er gibt Land und macht Menschen reich mit Vieh und Korn. Aber Du neigst Dich auf die andere Seite, Dir gefallen Bulstrode und Spekulationen besser, als Featherstone und Landbesitz.«

      »Bitte um Vergebung, Onkel,« sagte Fred, indem er aufstand, sich mit dem Rücken gegen das Kamin stellte, und sich mit der Reitpeitsche auf den Stiefel schlug: »ich liebe weder Bulstrode noch Spekulationen.«

      Er sagte das in einem ziemlich verdrießlichen Ton; denn er fand sich in einer Weise in die Enge getrieben, die man im Schachspiele »Patt« nennt.

      »Nun, nun, Du kannst ohne mich fertig werden, das ist ziemlich klar,« sagte der alte Featherstone, während ihm der Gedanke an die Möglichkeit, daß Fred sich von ihm unabhängig machen könnte, in Wahrheit sehr unangenehm war. »Du brauchst weder ein Stückchen Land, um einen Squire anstatt eines verhungernden Pastors aus Dir zu machen, noch hast Du nötig, mit einem Sümmchen von hundert Pfund lanciert zu werden. Mir ist es alles einerlei. Ich kann ja noch fünf Kodizille zu meinem Testament machen, wenn ich Lust habe, und ich werde meine Banknoten für ein Nestei aufsparen. Mir ist es alles einerlei.«

      Fred errötete abermals. Featherstone hatte ihm zwar selten, aber doch dann und wann Geldgeschenke gemacht, und in diesem Augenblick erschien es ihm fast härter, die unmittelbare Aussicht auf Banknoten, als die entferntere Aussicht auf Landbesitz verlieren zu sollen.

      »Ich bin nicht undankbar, Onkel. Ich habe gewiß nie Missachtung gegen die freundlichen Absichten zeigen wollen, welche Du vielleicht für mich hegen möchtest. Im Gegenteil.«

      »Seht gut, dann beweise es auch. Bringe mir ein Schreiben von Bulstrode, in welchem er erklärt, er glaube nicht, daß Du geprahlt und versprochen habest, Deine Schulden aus meinem Landbesitz zu bezahlen, und dann – wenn es sich zeigen sollte, daß Du in einer Klemme bist, wollen wir einmal sehen, ob ich nicht etwas für Dich tun kann. Das wäre abgemacht! Komm, gib mir Deinen Arm. Ich will versuchen, einmal um das Zimmer herumzugehen.«

      Fred hatte trotz seiner augenblicklichen Gereiztheit doch so viel natürliche Gutmütigkeit, daß ihm der ungeliebte und unverehrte alte Mann, der mit seinen wassersüchtigen Beinen beim Gehen noch kümmerlicher aussah als gewöhnlich, ein bisschen Leid tat. Während er ihm seinen Arm reichte, dachte er bei sich, wie wenig es ihm selbst gefallen würde, ein alter Mann mit zerrütteter Gesundheit zu sein, und gutmütig stand er mit dem Alten still, erst vor dem Fenster, um die gewohnten Bemerkungen über die Hühner, die das Stück eine Guinee kosteten, und den Wetterhahn anzuhören und dann vor dem spärlich besetzten Büchergestell, dessen in dunkles Kalbsleder gebundene Zierden Josefus, Culpepper, Klopstocks Messias und mehrere Bände des alten »Gentleman's Magazine« waren.

      «Lies mir doch einmal die Titel der Bücher vor, komm, Du bist ja ein Gelehrter.«

      Fred tat, wie ihm geheißen war.

      »Wozu braucht denn das Mädchen noch mehr Bücher? Wozu mußt Du ihr noch mehr Bücher bringen?«

      »Die Bücher unterhalten sie, Onkel. Sie liest sehr gern.«

      »Ein bisschen gar zu gern,« sagte Herr Featherstone in einem etwas verfänglichen Tone. »Sie pflegte immer zu lesen, wenn sie bei mir saß. Aber da habe ich einen Riegel vorgeschoben. Sie muß mir jetzt die Zeitung laut vorlesen. Das ist, denke ich, genug für den Tag. Ich kann es nicht mit ansehen, wenn sie für sich liest. Verstehst Du? – Und nun bring ihr keine Bücher mehr.«

      »Jawohl, Onkel, ich höre.«

      Fred hatte diese Ordre schon öfter erhalten, hatte ihr aber im Geheimen immer zuwider gehandelt, und gedachte ihr auch ferner zuwider zu handeln.

      »Klingle,« sagte jetzt Herr Featherstone, »die Kleine soll herunter kommen.«

      Die Unterhaltung zwischen Rosamunde und Mary war in einem rascheren Tempo vor sich gegangen, als die ihrer männlichen Verwandten. Sie dachten nicht daran sich hinzusetzen, sondern blieben vor dem Toilettentisch in der Nähe des Fensters stehen, vor welchem Rosamunde ihren Hut abnahm, ihren Schleier in Ordnung brachte und ihr Haar, welches blond war, wie das eines Kinderkopfes, mit den Fingerspitzen zurecht stutzte. Mary Garth erschien nur um so häßlicher, als sie in einem Winkel zwischen den beiden Nymphen stand, (der einen im Spiegel und der andern vor demselben) welche sich einander mit Augen ansahen, die von einem himmlischen und so tiefen Blau waren, daß sie wohl die feinsten Gedanken, die etwa ein sinniger Beobachter hinter ihnen suchen mochte, aber auch weniger seine Gedanken, welche die Besitzerin vielleicht nicht zu verraten Lust hatte, bergen konnten. Es gab nur wenige Kinder in Middlemarch, die neben Rosamunde noch blond aussahen, und ihr eng anliegendes Reitkleid ließ die zarten Wellenlinien ihrer schlanken Gestalt nur um so anmutiger hervortreten.

      In der Tat waren alle Männer in Middlemarch mit Ausnahme ihrer Brüder der Ansicht, daß Rosamunde das beste Mädchen in der Welt sei, und einige nannten sie einen Engel. Mary Garth dagegen hatte das Aussehen einer gewöhnlichen Sünderin; sie war braun, ihr krauses dunkles Haar war rau und struppig, ihre Gestalt war klein, und es wäre nicht wahr gewesen, wenn man einer gefälligen Antithese zu Liebe behauptet hätte, daß sie im Besitze aller Tugenden sei. Hässlichkeit hat ihre besondern Versuchungen und grade so viele Laster wie Schönheit: sie ist in Gefahr Liebenswürdigkeit zu heucheln, oder wenn sie das nicht tut, alle Widerwärtigkeit eines unzufriedenen Gemüts zu zeigen. Unter allen Umständen ist es begreiflich, wenn in der Seele eines Mädchens, welches einem so lieblichen Geschöpfe gegenüber ein häßliches Ding genannt wird, der Sinn für edle Wahrhaftigkeit und die Angemessenheit der Sprache leiden.

      Im Alter von zweiundzwanzig Jahren hatte sich Mary sicherlich noch nicht jenen höchst verständigen Sinn und jene guten Grundsätze angeeignet, welche weniger glücklich situierten Mädchen gewöhnlich empfohlen werden, als ob sie in fertig präparierter Quantität, mit einem angenehmen Beigeschmack von Resignation, nach Vorschrift zu haben wären. Ihr Scharfsinn hatte einen Anstrich von satirischer Bitterkeit, der sich immer wieder erneuerte und nie ganz verschwand, außer wo sie von einem starken Dankbarkeitsgefühl gegen Diejenigen beherrscht war, welche anstatt ihr vorzupredigen, daß sie mit ihrem Lose zufrieden sein müsse, etwas dazu taten, ihr dasselbe zu erleichtern. Die Jahre hatten ihre Hässlichkeit gemildert, welche von der guten, menschlichen Beschaffenheit war, wie sie zu allen Zeiten unter allen Breitengraden bei unserm Geschlecht sehr gewöhnlich gewesen ist. Rembrandt würde sie gern gemalt und würde ihre breiten Züge mit einem Ausdruck intelligenter Rechtschaffenheit aus der Leinwand haben herausblicken lassen. Denn rechtschaffene, wahrheitsliebende Billigkeit war Mary's beste Eigenschaft; weder versuchte sie es Andere zu täuschen, noch gab sie sich Selbsttäuschungen hin, und wenn sie guter Laune war, hatte sie Humor genug über sich selbst zu lachen.

      Als sie sich zufällig mit Rosamunde zugleich im Spiegel sah, sagte sie lachend:

      »Was bin ich doch für ein braunes Ungeheuer neben Dir, Rosy! Du bist die schlechteste Folie für mich.«

      »O nein, nein, wer wird an Dein Äußeres denken, Du bist ja so verständig und machst Dich so nützlich, Mary! Schönheit hat für das praktische Leben sehr wenig zu bedeuten,« sagte Rosamunde, indem sie ihren Kopf nach Mary hin umwandte, ihre Augen aber an der durch diese Drehung des Kopfes sich darbietenden neuen Aussicht auf ihren Hals weidete.

      »Du meinst meine Schönheit,« erwiderte Mary in einem etwas spöttischen Tone.

      Rosamunde dachte: »die arme Mary! sie nimmt die freundlichsten Dinge übel,« laut aber sagte sie: »Was hast Du kürzlich angefangen?«

      »Ich? Ach was habe ich angefangen! mich um das Hauswesen bekümmert, eingegeben, getan, als wäre ich liebenswürdig und zufrieden, und gelernt, von allen Menschen schlecht zu denken.«

      »Du führst hier ein elendes Leben.«

      »Nein,« sagte Mary kurz, indem sie den Kopf ein wenig zurückwarf. »Ich glaube, mein Leben ist immer noch