Sie zuckte ertappt zusammen. Für einen winzigen Moment konnte er in ihren Augen erkennen, dass er mit seinem Verdacht ins Schwarze getroffen hatte. Zitternd bis ins Mark, das Gesicht krebsrot vor Zorn, öffnete er den Krawattenknoten.
»Erstens brauchst du mich nicht anzuknurren. Zweitens sind wir getrennt und drittens geht dich mein Privatleben nichts mehr an«, entgegnete ihm Louise kalt. Das Lächeln, das dabei um ihre Mundwinkel lag, ließ ihm fast augenblicklich die Sicherungen durchbrennen. Resoluter als er es ihr je zugetraut hätte, versuchte sie, an ihm vorbei zu gelangen. Doch er war schneller, vereitelte ihre Flucht. Statt Hand an sie zu legen, und er war wirklich kurz davor, versuchte er es zähneknirschend auf charmante, großmütige Art.
»Du solltest dringen zu deinem Psychiater, Louise, Liebes. Noch kannst du zurückkommen. Ich verzeihe dir. Lass uns diese ganze Farce einfach vergessen. Ich bitte dich, komm zur Vernunft. Du brauchst doch keinen dahergelaufenen Bauern, Liebling!«
Ihr Gesicht nahm eine unschöne feuerrote Farbe an. Sie schlug seine Hand weg, mit der er in einem Anflug von Sentimentalität eine der Haarsträhnen aus ihrem Gesicht streichen hatte wollen.
»Nimm deine Finger von mir!«, stieß sie aus.
Verflucht. Er hatte ganz vergessen, wie schön Louise aussehen konnte, wenn sie so voller Wut war.
»Ich werde nicht zu dir zurückkommen, Alexander. Es ist vorbei. Unsere Ehe ist bereits Vergangenheit. Ich verstehe nicht, wieso ein intelligenter Geschäftsmann wie du, nicht akzeptieren kann, dass er verloren hat. Meine Zukunft ist bei Alasdair, den ich im Übrigen liebe. Jetzt geh mir aus dem Weg, bevor du uns beide noch mehr blamierst, als du es in Schottland bereits getan hast!«
Mit enormer Kraft stieß sie ihn weg. Es gelang ihm dennoch, den Ärmel ihres Kleides zu erwischen. Der Stoff ächzte unter seinen Fingern, war kurz vor dem zerreißen. Vor Zorn bebend, blieb Louise stehen. Dummerweise tauchte jäh der elende Schotte am anderen Ende des Korridors in ihrem Blickfeld auf. Alexander bildete sich ein zu sehen, wie sich die Augen des Kerls verdunkelten. ,Nimm sofort deine Hände von meiner Frau oder ich erwürge dich mit bloßen Händen‘, das schien der Körperausdruck, samt den diabolisch funkelnden Augen zu sagen. Dass der Mistkerl einen ziemlich guten rechten Haken besaß, hatte er bereits schmerzvoll feststellen müssen. Auch jetzt sah der Mann nicht aus, als wäre er gewillt, lange Federlesen zu machen. Er hatte bereits die Hände zu Fäusten geballt.
»Ich mache dir und deinem Röckchen tragenden Schotten das Leben zur Hölle. Die Scheidung kannst du vergessen!«, zischte er drohend in Louises Ohr, genoss wie sein Speichel, auf ihrer Wange landete und sie unter seinen Worten zusammen zuckte. Er weidete sich an ihrer spürbareren Angst, die sein Herz regelrecht jubilieren ließ. Jetzt erst öffnete er seine Finger, die sich unbarmherzig in den Stoff ihres Kleides gekrallt hatten und gab sie frei.
Louise rannte los. Jeder Schritt, das Wehen ihres weitschwingenden Kleides, all das war wie Balsam. Flüchte dich nur in die Arme deines Röckchen tragenden Bauern. Du wirst schon sehen, was du davon hast du Flittchen!, brüllte er ihnen ohne Ton hinterher. Mordlust breitete sich in seinem Inneren aus wie Säure. Alexander ließ zu, dass ihn der Zorn in seinem Inneren übermannte. Sekunden später knallte das Champagnerglas mit voller Wucht gegen die Wand, wo es unbeachtet von allen, in einem Hagel aus Splittern zu Boden fiel.
Lou konnte erst wieder Atmen, als Alasdairs Armen sich um sie schlossen wie ein schützender Kokon. Das Herz ihres Schotten pochte wild unter ihrem Ohr. Sie brauchte ihn gar nicht erst anzusehen, um zu wissen, dass sein Blick ihren Noch-Ehemann geradezu durchbohrte.
Einen Lidschlag lang schloss sie die Augen um nicht etwa in Tränen auszubrechen. Wann war aus Alexander dieser ekelhafte Kerl geworden? War es denn zu viel verlangt, einfach wieder glücklich sein zu wollen? Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Sie musste sich verhört haben. Alexander glaubte doch nicht wirklich, ihre Ehe retten zu können, indem er Drohungen und Beschimpfungen aussprach. Hatte er wirklich gesagt: ,Noch kannst du zurückkommen. Ich verzeihe dir. Lass uns diese ganze Farce einfach vergessen´?
Sie musste das wirklich geträumt haben. Anders konnte es nicht sein. Schon alleine ihren Söhnen zuliebe sollten sie doch beide vernünftig miteinander umgehen können. Er nahm sie zurück? Er, sie? Wie gönnerhaft. Was wurde dann mit Konstanze? War sie nur ein Mittel zum Zweck für ihn oder einfach nur billiger Ersatz?
Das geht dich nichts an, Lou. Warum verschwendest du überhaupt einen einzigen Gedanken an die beiden?, rügten sie ihre Gedanken.
»Wenn du willst, prügle ich ihm jeden seiner teuren, perfekten Zähne aus dem Mund. Du musst es mir nur erlauben, Lass.«
Alasdairs tiefer Bariton an ihrem Ohr zauberte ihr ungewollte ein kleines Lächeln ins Gesicht. Es schien, als wisse er immer das Richtige zu sagen, um sie zu beruhigen. Entschlossen griff sie nach seiner geballten Faust, öffnete diese, um sie an ihre Lippen zu führen. Zärtlich küsste sie die Handinnenfläche.
»Heute nicht mein Held. Die Genugtuung geben wir Alexander nicht.« Aufmerksamkeit war das Allerletzte, was er verdient hatte.
Geraume Zeit später verließen sie Hand in Hand und ohne weitere Vorkommnisse die Vernissage. Die wenigen Wochen, die sie bereits zurück in Deutschland war, hatte sie damit verbracht ihr Hab und Gut zusammenzupacken. Mit Christophs Hilfe war alles Weitere für die Scheidung in die Wege geleitet worden. Das Gute an ihrem Künstler Dasein war, das sie ihr eigener Chef war. Bereits am Tag ihrer Rückkehr in Deutschland hatte sie das winzige Gästezimmer in Debbie´s und Christophs Haus bezogen. Die wenigen Dinge, die sie mitgenommen hatte, konnte sie dort locker unterbringen. Ihre beiden besten Freunde taten alles, was in ihrer Macht stand, um ihr die Situation einfacher zu machen. Christoph als ihr Anwalt hatte Alexander sehr direkt in die Schranken gewiesen. Tatsächlich ließ dieser sie im Anschluss überraschend schnell in Ruhe. Wie trügerisch dieser Umstand war, hatte sie nun wieder einmal live erleben dürfen. Selbstverständlich traf ihn keinerlei Schuld am Untergang ihrer Ehe. O nein. Schuld war alleine ihre Midlife-Crisis. Müde schmiegte sie sich näher an Alasdair, der interessiert aus dem Fenster des Taxis sah. Schade, dass er in der Nacht nicht sonderlich viel von der schwäbischen Alb zu sehen bekam.
»Du bist dir sicher dass deine Freundin und ihr Mann nichts dagegen haben, wenn ich über Nacht bei dir bleibe?«, wisperte er kaum hörbar, einen Kuss auf ihren Scheitel hauchend.
»Sie freuen sich ebenso auf dich, wie ich es getan habe.«
Das Debbie mit einen völlig hysterischen; »O mein Gott. Ich weiß gar nicht, was so ein Schotte zum Frühstück habe will. Himmel. Was isst Alasdair überhaupt? Ich habe keine Ahnung wie man diesen Frühstücksbrei, Porridge heißt er, glaube ich, kocht?«, verschwieg sie ihrem Schotten wohlweislich.
Als sie einige Zeit später den Schlüssel ins Schloss des kleinen Einfamilienhauses steckte, kam sie sich fast wie ein Teen vor. Es war nicht alleine die Aufregung oder der Umstand mit dem Mann ihrer Träume alleine zu sein, vielmehr fühlte Lou sich auf seltsame Weise verletzbar, so als offenbarte sie ihrem Schotten ihr letztes Geheimnis. Mitten auf der Stufe zum Kellergeschoss, in dem das kleine Gästezimmer lag, blieb sie, unschlüssig den Schlüssel in den Fingern hin und her drehend, stehen.
»Es… also es ist auch nicht das Scotsman und … also falls du lieber in ein Hotel…« Sein wärmendes Lächeln ließ sie augenblicklich jedes weitere Wort vergessen.
»Lou, ich würde mit dir im Park auf einer Bank übernachten, wenn es sein müsste. Weißt du das denn nicht? Ich dachte, das wäre dir klar geworden, nachdem ich völlig planlos ohne großes Gepäck einfach auf deiner Vernissage aufgekreuzt bin.«
Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln, griff nach seiner Hand, aus dem kindlichen Bedürfnis heraus ihn hinter sich zu wissen. Mit Alasdair, der ihren Rücken stärkte, fühlte sie sich irgendwie sicher. So seltsam sich das auch anhören mochte. Es kam ihr fast ein bisschen vor, als hätte sie ihren eigenen Bodyguard. Die bescheidene Bleibe bestand aus Bergen voller Umzugskisten, welche die eine Wand des