»Ah … eine Pause«, murmelte Lou, in der noch immer das reinste Gefühlschaos herrschte, die Augen auf das volle Glas ihres Schotten gerichtet.
»Champagner ist nicht so mein Ding«, deutete er ihren Blick richtig und nahm ihr dabei ungefragt ihr eigenes Glas aus der Hand um es zum anderen zu stellen.
»Aber… aber heiraten ist dein Ding?« Mühevoll versuchte Lou, das Zittern ihrer Stimme zu überspielen. Es misslang. Im flackernden Licht der Neonröhre an der Decke, die vermutlich demnächst den Geist aufgeben würde, war das erneute freche Grinsen im Gesicht des Mannes, dem sie scheinbar total verfallen war, bis ins kleinste Detail zu erkennen. Ihr schien, als reichte es von einem bis zum anderen Ohr. Nervös gruben sich ihre Zähne in die Unterlippe. Langsam bewegte er sich auf sie zu. Warum musste sie plötzlich an ein Raubtier denken?
»Ist es nicht das, was sich eine Frau wünscht, Lass? Heiraten?«
Das tiefe Timbre seiner Stimme ließ ihren Körper vor Erregung vibrieren. Das Blau seiner Augen schien sich verdunkelt zu haben. Gefährlich und geheimnisvoll wie die tiefsten Stellen des Loch Ness. Lou schluckte trocken. Ihre Augen huschten unstet über das ganze Arsenal an Putzmittel in den Regalen.
Nicht in der Besenkammer. Nicht mit so vielen Menschen vor der Tür. Denk an das, was Boris Becker passiert ist. Sieh ihn einfach nicht an, dann merkt er nicht, wie sehr er dich gerade unter Strom setzt. Ach da ist das Lösungsmittel für die Pinsel, das ich vor kurzem gesucht hatte… , wetterten ihre Gedanken warnend und doch völlig konfus. Dabei wusste sie bereits, dass sie gegen ihre Gefühle keine Chance hatte. Wenn sie es recht bedachte, war es von ihrer ersten Begegnung an da gewesen, diese gar übermächtige Anziehungskraft. Fast als wären sie wie magnetische Pole, die sich anzogen. Oder wie Yin und Yang. Jede Faser ihres Seins sehnte sich nach ihm. Hatte ihn vermisst. Sie wurde schwach. Verflucht! Sein muskulöser Körper hatte den ihren erreicht. Ohne zu zögern, drängte er sie gegen die Tür, bis sie das harte Holz hinter ihrem Rücken spürte. Lad, du brauchst selbst für diesen Blick einen Waffenschein!
»Du… Du hast mir keinen… also keinen Antrag gemacht«, krächzte sie.
Alasdairs Augenbrauen schoben sich in die Höhe. »O… nun aye, ich dachte, das vorher war so eine Art Antrag«, bemerkte er mit unschuldigem Blick, während seine Finger sich am Ausschnitt ihres Kleides zu schaffen machten.
»Tatsächlich… also ich … vielleicht möchte ich gar nicht wieder …«
»Ganz schön gewagt dieses Kleid…«, unterbrach er sie völlig ungerührt. Seine Finger wurden zunehmend mutiger, zumal die Spitzen ihrer Brüste sich verräterischer sichtbar gegen den dünnen Stoff ihres Kleides drückten.
»Das ist nicht fair!«, stieß sie aus, versuchte dabei, seine Finger festzuhalten. Es gelang ihr nicht. In Sekundenschnelle waren es ihre eigenen beiden Hände, die ihr Schotte locker mit einer einzigen Hand über ihrem Kopf in Schach hielt.
»Gib einfach auf, Lass. Hast du mich nicht vermisst?«
»Also … also ich… das tut doch gar nichts zur Sache. Weich mir nicht aus … du…«
»Sturer Kerl. Schotte.«
»Das… es ist nicht lustig, Al. Du… Du hast dieser, dieser …«
»Grauen Eminenz«, half er ihr weiter.
»Egal. Du hast ihr verflucht noch mal gesagt, dass wir HEIRATEN!«, knurrte sie sauer und erschrak dabei selbst über den finsteren Tonfall ihrer Worte.
»Natürlich heiraten wir. Außerdem wollte ich mich auch nicht von einer Frau aushalten lassen, Lass. Quid pro quo!«, erklang es rau, aus ihrem Ausschnitt, in dem soeben seine Lippen liebkosend am Werk waren.
»Vielleicht will ich aber nicht! Vielleicht möchte ich niemals wieder heiraten«, protestierte sie rebellisch.
Einen Moment lang hielt Alasdair inne. Sein Gesicht kam wieder zum Vorschein. Stumm betrachtete er sie, bevor seine Hand entschlossen und provokativ ihr Kleid in die Höhe schob. Das ,und was machst du jetzt‘ stand, wenngleich unsichtbar, in großen Lettern in sein Gesicht geschrieben.
»Außerdem … also das… Schulden kann man doch nicht mit … mit … heiraten und… vergleichen!« Alle ihre Widerworte und Gedanken verflüchtigten sich binnen Sekunden. Alasdairs gierige Lippen hatten ihre feuchte Mitte erreicht. Jetzt kniete er auf dem schmutzigen Teppichboden den Kopf unter ihrem Kleid.
»Da sind wichtige … viele Leute … die gesehen haben, dass … also dass wir …
Oh Gott…«
»Al reicht völlig, Lass. Wir wollen doch nicht übertreiben. Wenn du deinen süßen kleinen Mund halten würdest, fallen wir sicherlich gar nicht weiter auf!«
Bloß gestellt. Erneut und in aller Öffentlichkeit bloß gestellt. Was hatte sich Louise nur dabei gedacht? Hatte dieser fürchterliche schottische Bauer ihr den Verstand geraubt? War es nicht nobel von ihm, die Vernissage seiner Frau zu besuchen? Schließlich hatte Alexander seiner untreuen Ehefrau sogar die Presse ins Haus gebracht. Und was war der Dank für seine Geste? Vor allen Gästen hatte sie sich diesem Kerl an den Hals geworfen, geknutscht hatten die beiden wie verfluchte Teens.
Konstanze hing schwer an seinem linken Arm, säuselte beständig in sein Ohr. Sah sie nicht, was ihm angetan wurde? Musste sie ihn jetzt ebenfalls blamieren? Bebend vor Zorn leerte Alexander den teuren Champagner in einem einzigen Zug. Wie konnte Louise ihn gegen einen Schotten eintauschen? War der Kerl überhaupt schon dreißig? Er sah aus wie ein John Travolta für Arme, in seinem Kilt mit dieser absurden Lederjacke.
»Was regst du dich den so auf, Alex-Schatz. Du hast doch mich. Vergiss doch dein prüdes Hausweibchen. Amüsiere dich Liebling. Ich wüsste etwas, um dich ein bisschen aufzulockern…«, versuchte ihn Konstanze mit klimpernden Wimpern abzulenken.
»Ach halt doch die Klappe, Konstanze. Du bist betrunken«, zischte er, ihre Hände festhaltend, die sich Tentakel gleich, in sein seinen Hosenbund schoben. Das hatte er nun davon, sich ausgerechnet mit einer wie Konstanze, eingelassen zu haben. Ich könnte mich ohrfeigen für so viel Blödheit!
Wie sie schon wieder aussah mit diesen grell rot geschminkte Lippen, die jäh einen Schmollmund bildeten. »Lass das sein, bitte. Nicht hier in aller Öffentlichkeit«, tadelte er sie ungehalten, schnippte währenddessen jedoch bereits mit den Fingern in der Luft nach dem Kellner. »Na endlich. Ich dachte schon, sie sind auf dem Weg hier her eingeschlafen!«, raunzte er den jungen Mann an und riss ihm das neue Glas Champagner regelrecht vom Tablett. Konstanze war nicht mehr als ein billiges Flittchen. Alexander hatte einen großen Fehler gemacht. Aber Louise und ihr schottischer Bauer würden schnell feststellen, dass man mit einem Schulzinger nicht so umspringen konnte. Er würde ihnen das Leben zur Hölle machen. Schließlich hatte er Beziehungen. Beziehungen in den höchsten, ja den besten Kreisen. Louise würde auf Knien zu ihm zurück kriechen. Gott er würde sie um Vergebung winseln lassen wie einen Köter. Sein finsterer Blick bohrte sich ins Holz der Tür, durch welche die beiden Turteltauben verschwunden waren. Er ließ sie nicht mehr aus dem Auge. Wo führte diese Tür überhaupt hin?
Im selben Moment in dem Konstanze sich auf den Weg zur Toilette machte, öffnete sich die Tür, der Schotte schlenderte fröhlich pfeifend in die gleiche Richtung wie Konstanze davon. Sekunden später erschien Louise. Seine Louise. Die freie Hand zur Faust geballt konnte er kaum fassen, wie sie aussah. Er nahm das verrutschte Kleid, das sie hastig glatt strich, ebenso war, wie das erhitzte Rot auf ihren Wangen oder die Haarsträhnen, die aus ihrer Frisur entflohen waren. Die beiden hatten doch nicht etwa hier?
Das leise Knacken des Champagnerglasstieles klang wie ein schlechtes Omen in seinen Ohren. Unter Aufbringung aller Kraft zwang er sich zur Contenance. Ihre Blicke trafen sich. Louise wich ihm nicht aus. Im Gegenteil aufsässig, gar provokativ, hob sie das Kinn. Alexander bildete sich gar ein, Trotz in ihren Augen lesen zu können. Dieses elende Miststück. Bevor er wusste, was er überhaupt tat, war er auf sie zugeschossen,