Blut für Gold. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752923964
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hakte Darcar nach. Dabei wusste er es, ahnte es, und es schmerzte ihn, dass jemand so etwas von ihm denken könnte. Tränen brannten in seinen Augen. »Er ist mein Bruder! Er ist ein Kind! Wenn ich ihn küsse, dann weil ich ihn lieb hab. Nichts weiter sonst! Kapiert?«

      Elmer hob beschwichtigend die Hände. »Ich wollte dir nicht zu nahetreten, tut mir leid, Darcar. Mach mir eben manchmal zu viele Gedanken.«

      Darcar presste die Kiefer fest zusammen, es fiel ihm in solchen Momenten schwer, sich zu beherrschen. »Denk doch, was du willst.« Er wandte sich ab und ging wieder nach drinnen.

      Ihm war die Lust vergangen, sich in Elmers Nähe aufzuhalten. Was wusste dieser schon von ihm und V. Gar nichts! Er wusste nichts.

      Unten angekommen knallte er den Becher auf eine Ablagefläche und riss sich den Mantel vom Leib. Widerwärtig, was Elmer da angedeutet hatte! Und vor allem ärgerte sich Darcar darüber, dass er aus etwas so Unschuldigem, etwas so Liebevollem wie dem brüderlichen Kuss, so etwas Schlechtes, Böses hatte machen wollen. Darcar würde sich das nicht kaputt machen lassen!

      Er konnte sich nicht einfach wieder hinsetzen, lief zwei, drei Mal erregt im kleinen Gewölbe vor der Destille auf und ab, wie immer tropfte dieser eine Hahn, wie zum Zeichen, dass Elmers Gebräu im Behälter schwamm. Ein paar Flaschen hatte er bereits abgefüllt, sie standen in Reih und Glied in einer Kiste neben dem Abfüllhahn. Darcar blieb davorstehen, starrte den Selbstgebrannten an. Er konnte noch nie verstehen, was Männer daran gut fanden, sich damit zu betäuben. Wie von selbst hob sich sein Arm, er griff nach den Flaschen und fuhr über ihre Korken. Er dachte an den Rattenkönig, an das, was Elmer ihm über diesen verraten hatte. Diese Flaschen waren wie ein Schlüssel zu dessen Unterschlupf.

      »Tu es nicht.«

      Erschrocken drehte er sich um, sah Veland im Türbogen stehen.

      »He.« Darcar nahm die Hand zurück, lächelte zerknirscht. »Schon genug vom Drachensteigen?«

      »Er ist weggeflogen, Elmer fängt ihn ein.« Veland kam langsam herein, beäugte die Kisten, dann Darcar. Wie immer wirkte er zu erwachsen für sein Alter, und die ganze Situation ließ ihn nicht jünger, sondern rasant älter werden. »Trink nichts.«

      Darcar seufzte, drehte sich zu ihm um. »Das hatte ich nicht vor«, versicherte er, ging auf Veland zu und legte ihm eine Hand auf den Kopf. »Ehrenwort!« Es war die Wahrheit.

      Er küsste Vs Scheitel, dann ging er zu seinem Lager und nahm den Kräutertee wieder auf.

      Kapitel 10

      Es regnete am nächsten Tag in Strömen, als hätte der starke Sturm am Vortag die Winterkälte vertrieben. Prasselnd schlugen die dicken Tropfen auf den Pflastersteinen der Straße auf, es wurde den ganzen Tag über nicht richtig hell, sodass im Haus die Laternen und Kerzen brannten.

      »Bei dem Wetter kommt nie jemand rum, ihr könnt euch ohne Vorsicht frei bewegen«, hatte Elmer am Morgen gesagt und Darcars Blick gesucht.

      Doch Darcar hatte brütend seinen Haferschleim gelöffelt, seit dem Vortag vermied er es trotzig, Elmer wahrzunehmen, er blieb wütend.

      »Sturkopf«, hatte Veland ihn genannt, ihm war die angespannte Stimmung natürlich nicht entgangen, doch niemand erzählte ihm, was zwischen ihnen vorgefallen war. Dennoch schimpfte er nur mit Darcar, als ob es immer seine Schuld wäre, wenn er mit jemandem stritt. »Du bist eben ein Hitzkopf und regst dich über alles auf! Es ist fast unmöglich, dich nicht zu verärgern!«

      Veland äffte damit nur die Worte ihres Vaters nach, trotzdem brachte es Darcar zum Denken. Nachts konnte er ohnehin nicht schlafen, immer wieder wachte er aus Alpträumen auf und wälzte sich unruhig umher. Staubi die Spinne leistete ihm dabei Gesellschaft. Er nannte sie so, weil sie immer ganz verstaubt war, wenn sie aus ihrer Ritze krabbelte, ihr Körper sah dann aus wie eine einzige Staubfluse. Veland mochte das Vieh nicht, doch das hielt ihn nicht ab, dicht gedrängt an Darcar zu schlafen. Sie hatten beide nicht gerade Angst vor Spinnen, allerdings hatten sie auch keine nennenswerte Zuneigung ihnen gegenüber.

      Am Morgen und auch am Mittag war Darcar noch immer nicht bereit, Elmer zu verzeihen. Er wusste, dass er zu stur, zu schnell eingeschnappt war, das hatte ihn zusätzlich zu gewissen anderen Tatsachen immer wieder in Schwierigkeiten mit anderen Kindern gebracht. Doch jedes Mal, wenn er den Entschluss fasste, Elmer zu signalisieren, dass er ihm nicht grollen wollte, kam er nicht aus sich heraus und reagierte mit seiner üblichen, abweisenden Art, obwohl er gar nicht mehr wütend sein wollte. Es fiel ihm schwer, Fehler einzugestehen, den ersten Schritt zu machen.

      Sie durften sich im Haus umsehen, Elmer war es gleich. Darcar erklomm mit Veland die Stufen, während der Regen so hart und schwer auf das Dach einschlug, dass es beinahe wie Hagel klang. Das Prasseln übertönte sogar die knarzenden Stufen der Treppe.

      Oben war es sehr staubig und verlassen, Elmer war wirklich nicht oft in diesen Räumen. Es gab eine winzige Kammer, in der noch ein Keramiktopf für die Notdurft stand, und zwei Schlafzimmer, dort fanden sie eingebrochene Betten ohne Matratzen vor, einen zerbrochenen Stuhl, über den sich mehr von Staubis Artgenossen hergemacht hatten. Dicke, weiße Spinnenweben zogen sich über alles und eine fette Staubschicht lag auf den Kommoden. Das meiste war ausgeräumt, geplündert. Doch in einem der Zimmer endeckten sie ein paar von Elmers Kisten. Veland machte sich sofort neugierig darüber her, seine Augen leuchteten, als er einen Blick hineinwarf.

      »Darc! Schau nur!«

      Darcar leuchtete in die Kiste, verstaubte Bücher stapelten sich darin. Märchensammlungen, wie Veland sie in der Bibliothek gefunden hatte.

      »Oh die kenne ich noch nicht!« Begeistert hob er ein Buch nach dem anderen heraus und las sich über die verschiedenen Titel.

      »Sie sehen sehr alt aus«, bemerkte Darcar, »glaube, sie stammen aus Zeiten, lange bevor Vater – sogar bevor Großvater geboren war.«

      Das brachte Velands Augen nur umso mehr zum Leuchten. Wie einen Schatz drückte er ein paar der heraus genommenen Bände an sich und sah hoffnungsvoll zu Darcar auf. »Meinst du, ich darf sie lesen?«

      Bestimmt, Elmer schlug Veland überhaupt nichts ab, ließ sich ständig um den Finger wickeln. »Fragen wir ihn.« Darcar lächelte mutmachend, dann gab er Veland die Laterne, um die Kiste aufzuheben und nach unten zu tragen.

      »Habt ihr was gefunden?« Elmer kam gerade durch die Tür, lüftete seinen triefendnassen Umhang, als sie die Treppe wieder hinabstiegen.

      »Bücher«, erklärte Darcar knapp.

      »Darf ich sie lesen, Elmer? Ich bin auch ganz vorsichtig, versprochen! « Veland sprang die letzten Stufen aufgeregt hinunter und blickte mit großen Augen zu Elmer auf, der ihm lächelnd die nasse Hand auf den Kopf legte. »Natürlich. Sie gehören dir, wenn du willst. Ich hab sie ohnehin ganz vergessen, nachdem ich sie hundertmal durchgelesen habe.« Er lachte auf.

      Darcar stellte die Kiste an die Kellertreppe, er würde sie später runtertragen. Veland konnte sein Glück kaum fassen und kniete sich neben seine neue Errungenschaft, aufgeregt kramte er darin herum und suchte, als könnte er sich nicht entscheiden, welches er zuerst lesen wollte.

      Darcar ging unsicher und mit stockendem Gang hinüber zu Elmer, der seinen Umhang auszog und an den Haken neben der Tür hing. Freundlich sah er Darcar entgegen.

      »V… V liebt Märchen.« Darcar wusste nicht, was er sonst sagen sollte, er zuckte mit den Achseln und stellte sich neben Elmer, sie beobachteten Veland, der sie auszublenden schien, in seiner eigenen Welt war. Ihnen gab er einen Grund, sich nicht ansehen zu müssen.

      »Haben wir die nicht alle geliebt?« Elmer schmunzelte auf eine freundliche Art, die Darcar ganz besonders intensiv in eine andere Richtung blicken ließ.

      »Ja, nein, aber er…« Darcar seufzte leise. »Er liebt sie wirklich, nicht wie andere Kinder, er könnte stundenlang lesen und lesen, ohne müde zu werden. Ich glaube, er wird sie auch noch lieben, wenn er alt und faltig ist.« Er verstummte, als ihm klar wurde, dass sie vermutlich niemals so alt