Nacktgespräche. Wilfried Heinrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilfried Heinrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991079316
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      Inhalt

       Impressum 2

       Vorgespräch: Geschichten hinter Schweißperlen 3

       Proteine auf der Flucht 7

       Horden schwuler Hooligans 15

       Toleranz ist eine Straßennutte 23

       Der Seelenfresser 38

       Wenn Darwins pinkeln 55

       Sein Leben möchte er nicht haben 71

       Online Retoure 1: Erotische Kusslippen 85

       Online Retoure 2: Autistische Zombie-Babys 91

       Hohlkopf der Woche 107

       Sorry, Ahmet 115

       Gehacktes halb und halb 120

       Zwischen Beziehungsknast und Sauna-Asyl 131

       Veganerin erlegt Jäger 140

       Würmchen an der Angel 149

       Erlogenes Glück auf dem Laufsteg 157

       Sonne strahlt durch mehlige Knochen 165

       Unterschätze keinen herumlungernden Politikerpenis 174

       Telefon-Flat klingt zu Englisch 196

       Hot Dogs beißen doch 200

      Impressum

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

      Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

      Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

      © 2022 novum publishing

      ISBN Printausgabe: 978-3-99107-930-9

      ISBN e-book: 978-3-99107-931-6

      Lektorat: Mag. Eva Zahnt

      Umschlagfoto: Nina Sitkevich, Evgenii Naumov, Rolly Angga Wijaya | Dreamstime.com

      Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

       www.novumverlag.com

      Vorgespräch: Geschichten hinter Schweißperlen

      Der deutsche Sauna-Knigge meint: In öffentlichen Saunen hat es gefälligst still zu sein. Atemlos ruhig, kein Pieps im schummerigen Licht, damit sich der nackte Mensch auf die Rinnsale des Schweißes konzentrieren und gleichzeitig sein Hirn konzentriert durchputzen kann.

      Die Sauna meines Sportstudios hat zwar die typisch gleiche Optik, Bänke und Wandverkleidung ganz unspektakulär in durchgeschwitztem Holz, eine ständig von Fingerabdrücken übersäte Glastür, automatischer Aufguss, alternde Fliesen, metallische Wandhaken als einziges Interieur, die aufgesplitterte Lampenverkleidung fällt auf. Aber sie bietet kein Stillleben, keine Verbotsblicke fürs Reden, genau das Gegenteil, da sitzt eine vertraut redende Community drin. Menschen, die sich vielfach trotzdem nur namenlos kennen, aber regelmäßig an den Sportgeräten erleben. Das reicht für eine fast schon mehr gedankliche als körperliche Entblößung. Mit grandiosen Überraschungen, merkwürdigen Bekenntnissen und irritierenden Einblicken in verzwickte Lebenswelten, Inspirationen, gewöhnungsbedürftigen Sichtweisen.

      Man erzählt mit souveränem Gesicht, was anderen oder woanders höchstpeinlich wäre. Rot schämende Gesichter passen tatsächlich nicht zu nackten Körpern, aber das kann nicht die wirkliche Erklärung für die unerschrockene Intimität in dieser Sauna sein. Wenn Persönliches preisgeben wird, gegensätzliche Ideen aufeinander prallen, greller Witznonsens hochkocht, traurige Momente das Lachen verätzen. Die Sauna erlebt sich als selbstorganisierte Theaterbühne, auf der im einen Moment ein verqueres Musical gespielt und kurz darauf sinnfreier Karneval inszeniert wird, dazwischen ein Schauspiel mit tiefgründigen Betroffenheitsszenen oder bloß ein verbales Armdrücken. Alles völlig ohne Plan, die Geschichten suchen sich ihren eigenen Weg und entwickeln sich gerade dadurch anders als üblich.

      Zumal sich in diesem bunten Kommunikationstreiben jeder wohlfühlen kann. Niemand wirkt auffällig, selbst wenn sehr spezielle Wesensmerkmale pur zur Entfaltung gebracht werden. Etwa die Frau mit der großflächigen Tätowierung über dem Busen. Draußen Briefträgerin, hier drin erlebt man sie gelichtet, ihr Verhalten von den üblichen Alltagskonventionen freigelegt. Die meisten kennen sie, ihr akustisches Markenzeichen ist eine gejohlte, heitere Stimme, oft in einer Endlosschleife, kaum Sätze ohne vereinnahmende Lachsirenen. Bis sich niemand mehr wehrt, Widerstand gegen ihre offensive Art duldet sie nicht. Bevorzugt groovt sie durch die Gespräche anderer Leute und kommentiert ungefragt Äußerungen. Sie hat jederzeit die ganze Palette an möglichen Meinungen parat, von anstößig bis tief reflektiert, irgendeine passende Bemerkung findet sich immer auf dem Wühltisch ihrer Gedanken. Immer in lächelnde Laune verpackt, selbst ihre Schweißperlen machen Dauerparty.

      „Patina nennt sich jetzt dein Glanz von irgendwann mal.“

      Bevorzugt boshafte Töne, niemand kann ausweichen, und das meist in der ihr eigenen Botox-Sprache, also alles sehr gestrafft.

      „Achte du bei deinen Bakterien auch gefälligst auf den Artenschutz!“

      Genauso der Mann, dem diese Bemerkung einmal galt, er hat mit seinen nebensächlichen Auffälligkeiten nichts Aufregendes. Sie zählt ihn zu den belanglosen, aber umso enthemmteren Mitlachern, die nur ihre Poren und nicht sich selbst öffnen wollen. Seine Lachereien dürfen sich hier frei entfalten, weil sie mit dem monatlichen Studiobeitrag bezahlt sind, für seine Kommunikation mit Kollegen in der Kantine gilt das nicht.

      Als anderes beliebig ausgewähltes Beispiel lässt sich die Mitsaunerin nennen, die manche unter uns als eine Muse der Sauna bezeichnen. Zuständig für seelisches Kuscheln, mit vielen auf den Holzbänken verbandelt, ein großes Gespür für Verletzlichkeiten und abseitige Mentalitäten. Gerne schweißige Freundschaftsumarmungen, sie hilft mit ihrem Geburtstagsgedächtnis aus, streichelt fröhlich oder tröstend durch nasse Gesichter. Eine Frau mit goldenem Mund, ihre Anwesenheit löst sanftere Wortwechsel aus, lautere Stimmen bleiben dann die Ausnahme. Sie richtet immer so lange ihre Aufmerksamkeit auf jemanden, bis