Kein Filmstar zum Küssen. Jennifer Schreiner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jennifer Schreiner
Издательство: Bookwire
Серия: Zum Küssen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960000525
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      »Wer?«, erkundige ich mich. Leider klinge ich selbst in meinen eigenen Ohren misstrauisch und kein bisschen so, als wolle ich es wirklich wissen. Doch ich habe Glück und Joanna bemerkt es nicht.

      »Errätst du nie!«, behauptet sie stattdessen.

      »Mach es nicht so spannend.« Ich verdrehe die Augen, halte aber innerlich die Luft an, da ich das Schlimmste befürchte.

      »Joey Lendeon.«

      Ich starre sie an und die angehaltene Luft entweicht mir lautstark. Joanna lacht leise, weil sie meine Reaktion falsch deutet und erklärt: »Das ist der, der bei dieser Westernserie die zweite Hauptrolle hatte.« Sie hält sich die Papiere mit den Daten und dem Auftrag theatralisch vor die Brust. »Ich war sechs Jahre lang in ihn verliebt. Er war meine erste große Liebe.«

      Die Frau meines Chefs reicht mir den Zettel und es gelingt mir sogar, ihn entgegenzunehmen. Allerdings sehe ich nicht auf den Auftrag, sondern frage: »Wieso mich?«

      Jetzt ist es an Joanna, mich anzustarren. So als frage sie sich, was genau ich an ihrer Erklärung nicht verstanden habe. Schließlich meint sie: »Er hat explizit nach der Dame gefragt, die gestern für Tom gearbeitet und für ihn getanzt hat.«

      »Sonst noch was? Von Tom oder der Feier?«, erkundige ich mich misstrauisch.

      »Nein.« Joanna runzelt die Stirn. Erst jetzt scheint ihr aufzufallen, dass dieses Gespräch kein bisschen in die Richtung geht, die sie sich erhofft hat.

      »Gut!«, meine ich und die Erleichterung, die durch meine Adern tost, ist grenzenlos. Er hat keine Ahnung!

      »Ich kann ihn nicht nehmen.« Ich reiche meiner Chefin das Blatt zurück. »Aber ich denke, du bist sein Typ.«

      Joannas Miene zeigt deutlich, dass sie nicht weiß, ob sie sich über meine Einschätzung freuen soll oder nicht.

      Betreten sehe ich zu Boden, denn trotzdem ist es zu riskant zu bleiben. Ich muss Joey abschütteln, jedes Aufspüren abwehren. »Es tut mir leid, ich kündige!«

      Ich kann spüren, wie mir Tränen in die Augen treten und mache auf dem Absatz kehrt, um zu fliehen – schon wieder.

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      Zu Hause stelle ich alles aus: Telefon, Handy, Internet. Und weil ich ausnahmsweise keine Lust darauf habe, mich mit dem Gärtner und der Poolfrau zu unterhalten, die heute da sind, sitze ich auf der vorderen Veranda, auf der Schaukel, genieße die Ruhe und warte auf die Kinder.

      Dabei lese ich eines der Bücher, die schon seit einer Ewigkeit auf meiner »Musst-du-lesen«-Warteliste stehen und frage mich, ob es dekadent ist, einfach nicht mehr zu arbeiten, nie mehr.

      Gerade als ich zu dem Ergebnis komme, ich würde mich vermutlich nach zwei Monaten tödlich langweilen, fährt ein Auto in unsere Sackgasse und hält direkt vor dem letzten Haus, meinem Haus. Leider weiß ich sofort, zu wem es gehört, noch bevor Joey aussteigt. So viel zum Nicht-Aufspüren.

      Er sieht sogar noch besser aus als am gestrigen Abend und dieses Mal habe ich keine Probleme unter dem Bart, der gebrochenen Nase und den Jahren den Mann zu erkennen, mit dem ich vor einer Ewigkeit geschlafen habe. Obwohl er so erschreckend hartnäckig ist, kommt er jetzt nur langsam näher, schlendert beinahe, wie um mir Zeit zur Flucht zu geben. Eine Blöße, die ich mir nicht noch einmal geben werde. Kampfbereit stehe ich auf.

      »Wieso bist du weggelaufen?«, meint er ohne Begrüßung und ohne die Spur einer wie auch immer gearteten Emotion in der Stimme. Nichts an ihm lässt darauf schließen, warum er hier ist und sich so viel Mühe gegeben hat, mich zu finden.

      »Weil ich nicht denselben Fehler machen will wie damals«, gebe ich zu. Ein anderer Fehler, eine andere Blöße.

      »Fehler?«, echot er irritiert.

      »Dir zu vertrauen oder mit dir einen Abend zu verbringen, eine Nacht«, helfe ich ihm auf die Sprünge.

      »Violet.« Er sagt nur ein einziges Wort, schafft es aber, damit bei mir so viele Emotionen auszulösen, dass ich versucht bin, das Buch nach ihm zu werfen.

      »Oh, der Herr kennt ja noch meinen Namen, ich fühle mich geschmeichelt«, meine ich, obwohl mein Sarkasmus das Gegenteil sagt.

      Joey hat immerhin den Anstand betreten auszusehen. »Ich wollte dir nur sagen, dass du wegen mir nicht deinen Job hinschmeißen musst.«

      »Das ist ja nett.« Wieder tropft meine Stimme vor Sarkasmus.

      »Du bist gestern gegangen, weil du Angst hattest, ich könnte dich outen oder dir eine Szene machen und deinen echten Namen verraten?«, rät er und sein schwer zu deutender Blick legt sich förmlich auf mich, scheint mich durchleuchten zu wollen. Ich schweige. Die Erklärung ist gut. Glaubwürdig. Und ich könnte meinen Job behalten und mein Leben.

      »Okay«, meine ich schlicht und gebe mir extrem viel Mühe dabei, dankbar zu klingen.

      Joeys Blick wandert von mir zum Haus und zurück. »Wenn du Geld brauchst …« Er verstummt und spricht das angefangene Angebot nicht zu Ende, lässt seine Vermutung einfach so offen im Raum stehen, dass ich es schon beinahe lustig finde. Schließlich wohne ich nicht in der Bronx, sondern in einem schicken Villenviertel. »Du meinst, ich mache den Job, weil ich Geld brauche?«

      Er mustert mich von oben bis unten und wie etwas, was man normalerweise unter einem Stein findet. »Warum sonst?«

      »Weil es mir Spaß macht? Weil es ein toller Job ist, mit genialen Arbeitszeiten?«, erkläre ich inbrünstig.

      »Es macht dir Spaß, andere zu quälen oder dich quälen zu lassen?«, hakt er nach und sein Blick wird noch abwertender.

      »Wovon redest du?«

      »Ich habe mir die Seite des Office-Escorts durchgelesen«, erklärt er.

      »Und nichts verstanden«, fauche ich. Dabei bin ich selbst überrascht, wie wütend ich bin. Nicht nur wegen damals, sondern auch, weil er mich, meinen Beruf und auch meine erotische Gesinnung herabstuft.

      »Du kannst es mir ja ganz privat erklären«, schlägt er vor.

      »Ich bin nicht für dich buchbar.« Dieses Mal bin ich diejenige, die abwertend klingt.

      »Ich kann ja eine Kollegin nehmen«, meint er. Vielleicht auch in der Hoffnung, mich zu provozieren.

      »Nimm Joanna, die ist bestimmt begeistert, wenn sie ihrem Lieblingsserien-Indianer etwas über SM beibringen kann.«

      Joey kneift die Augen zusammen, so langsam überträgt sich mein Ärger anscheinend auf meinen ungebetenen Gast. »Wieso bist du so sauer auf mich? Ich bin hergekommen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.«

      Unwillkürlich ballen sich meine Hände, auch wenn meine Stimme fast ruhig bleibt. »Erstens ist das Wort nicht ‚hergekommen‘ sondern ‚verfolgen‘ und zweitens kommt jede Form von ‚Sorgen‘ Jahre zu spät.«

      »Aha, daher weht als der Wind«, meint er hochmütig. Jetzt klingt er genauso, wie ich die letzten Minuten mit ihm in Erinnerung habe.

      »Das hat was mit Höflichkeit zu tun. Eine Nachricht hätte gereicht. Aber einfach nach einem lapidaren Kommentar zu verschwinden …« Ich zucke mit den Schultern, als spiele es inzwischen auch keine all zu große Rolle mehr.

      »Es war ein One-Night-Stand«, klärt mich Joey, immer noch sehr hochmütig, auf.

      Ich verziehe die Lippen zu einem gönnerhaften Lächeln. »Ja, das habe ich dann auch begriffen.«

      Joey sieht mich an, als sei ich gestört, überhaupt an mehr gedacht zu haben und ich fühle mich genötigt zu erklären, warum ich so naiv gewesen bin. »Es war mein einundzwanzigster Geburtstag und ich war in dich verliebt, seit ich denken konnte.« Ich seufze bei der Erinnerung, muss dann aber doch fluchen. »Herrgott! Ich war sogar blöde