Kein Filmstar zum Küssen. Jennifer Schreiner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jennifer Schreiner
Издательство: Bookwire
Серия: Zum Küssen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960000525
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bis die Kids im Kindergarten sind.

      Immerhin kann ich mich – alt wie ich bin – hinter der Maske verstecken, die mir Tom reicht. Sie ist sehr hübsch und so verziert, dass mich selbst mein eigener Bruder nicht erkennen würde. Nur die untere Gesichtshälfte ist zu sehen – mein Mund und mein Kinn und natürlich die Augen, die durch die Maske hervorgehoben werden.

      »Hast du überhaupt schon Chips?«, raunze ich Tom zu, da die Spieler, die um die Tische – Blackjack, Roulette, Poker – stehen, sich allesamt setzen.

      »Nein, ich wollte dich versetzen«, kontert der Anwalt. »Oder vielleicht einen Strip oder einen Tanz von dir.« Er leckt sich lasziv die Lippen und lässt seinen Blick ungeniert über meinen Körper gleiten. »Was denkst du?«

      Ich runzle die Stirn. »Keine Ahnung, wie viel ist denn ein Chip wert?«

      »Ich glaube, du schätzt deinen Wert zu gering ein – oder deine Verführungskünste.«

      Ich öffne meinen Mund, um zu widersprechen, aber Tom ist schneller. Offensichtlich hat er jemanden erspäht, den er kennt, denn er löst sich von mir.

      »Bleib einen Moment hier stehen und sei dekorativ, sehr dekorativ«, meint er und schlägt mir wieder auf den Po. Ich verdrehe die Augen, tue aber was mir befohlen ist, lehne mich an die Säule und strecke meine Hände über dem Kopf aus. Dabei drücke ich meinen Rücken durch, weil ich weiß, dass meine Haltung eine stumme, sinnliche Einladung ist – und meine Vorzüge ins rechte Licht rückt.

      Möglichst würdevoll sehe ich zu, wie Tom mit dem Unbekannten spricht, es scheint eine heiße Diskussion zu geben, bis der Anwalt schließlich in meine Richtung deutet. Trotz der Entfernung kann ich erkennen, dass ich abschätzend gemustert werde, bevor die Diskussion wieder beginnt. Sie dauert eindeutig zu lange und so langsam fühle ich mich wie der sprichwörtliche geschenkte Gaul – dem doch ins Maul geschaut wird. Denn dass es bei den Gesten und Worten um mich geht, daran zweifele ich nicht eine Sekunde lang. So wie es aussieht, nötigt mich Tom dem anderen förmlich auf.

      Ich versuche meinen grenzdebil einladenden Blick beizubehalten, obwohl ich inzwischen sauer bin. Wer mich nicht will, ist selbst schuld!

      Dabei sieht der Mann nicht einmal schlecht aus. Eher im Gegenteil, soweit ich das erkennen kann. Sein Smoking sitzt tadellos und wirkt wie maßgeschneidert, er hat einen gepflegten Vollbart und dunkle Haare, nur sein Gesichtsausdruck ist ein wenig zu finster.

      Als er meinen Blick bemerkt, bricht er das Gespräch mit Tom ab und schlendert zu mir. Dabei scheint es ihn deutlich weniger Mühe zu kosten als mich, lasziv zu wirken. Kurz vor mir bleibt er stehen und mustert mich ebenso ungeniert, wie ich es zuvor bei ihm getan habe und immer noch tue. Jetzt kann ich sehen, dass er älter ist als ursprünglich gedacht. In seinen Haaren – und seinem Bart – zeigen sich graue Haare und betonen seine prägnanten Gesichtszüge. Seine Nase ist relativ flach und scheint schon einmal gebrochen gewesen zu sein. Der leichte Knick wirkt aber nicht störend, sondern unterstreicht seine natürliche Eleganz noch und auch die schön geschwungenen Lippen werden hervorgehoben. Er kommt mir vage vertraut vor, aber gut, wahrscheinlich habe ich ihn wirklich schon mal gesehen. Im Theater oder eben in irgendeiner Nebenrolle, einem älteren Film.

      Ich schenke ihm ein Lächeln und nehme die Hand, die er mir reicht.

      »Ich schulde dem Herrn einen Lapdance«, meint Tom, der sich zu uns gesellt hat und kurz bin ich versucht, ihm zu raten, dafür doch einen kurzen Rock anzuziehen oder uns einander wenigstens vorzustellen. Aber ich verkneife mir ganz brav die Bemerkung und lasse mich von meinem neuen Herrn in eines der Separees führen. Tom bleibt draußen und ohne mich aus den Augen zu lassen, rückt der Herr einen der Stühle in die Mitte des Raums und setzt sich.

      Zum Glück versucht er nicht ein Gespräch mit mir anzufangen, sondern sieht geduldig zu, wie ich die Musik wähle und einlege. Irgendetwas an ihm gefällt mir nicht, es fühlt sich an, als sei jemand über mein Grab gelaufen – wie eine böse Vorahnung.

      Fast erleichtert begrüße ich die ersten Takte der Musik und beginne mich zu ihrem Rhythmus zu bewegen. Dabei versuche ich mit den Gedanken abzudriften. Dann bekomme ich immer diesen Schlafzimmerblick, wie die Männer sagen. Etwas, was ich nicht beurteilen kann, aber es ist auch egal, ich trage ja eine Maske und ob man meinen Blick darunter deuten kann, ist erst recht fraglich.

      Außerdem gelingt es mir so immer, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, nachdem ich Platz auf seinem Schoß genommen habe. Ich nehme Kleinigkeiten wahr, wie den Geruch, die Ausstrahlung oder das Gefühl eines Mannes, wie fühlt er sich unter mir an? Alt, jung, vertraut? Außerdem hat dieser Mann wirklich schöne Augen und … auch sonst fühlt er sich gut an … vertraut … und … dann erinnere ich mich und gleite mit einer einzigen Bewegung von seinem Schoß. Ich bin versucht ihn anzustarren, aber mein Instinkt hat übernommen. Eine Chance anders zu reagieren habe ich nicht, ich drehe mich auf dem Absatz um und verlasse den Raum.

      Erleichterung und Panik schlagen über mir zusammen, als die Tür hinter mir zufällt und ich wieder unter Menschen bin. Ich beginne zu laufen. Nur raus hier. Schnell.

      Fast schon am Ausgang, renne ich beinahe in Tom, der gerade einige Gäste willkommen heißt.

      Irritiert sieht er mich an und erst jetzt fällt mir auf, dass mich auch die meisten anderen Leute anstarren, an denen ich eben vorbeigehetzt bin.

      »Was ist los?« An Toms Augen erkenne ich seine Sorge um mich.

      »Alles in Ordnung, ich kann einfach nur nicht für ihn tanzen«, erkläre ich so ehrlich wie möglich.

      »Hat er etwas gemacht?« Tom wirkt misstrauisch, aber das ist wahrscheinlich eine Berufskrankheit.

      »Nein.«

      Ich gehe weitere zwei Schritte, bis mir klar wird, wie blöd mein Verhalten ist. Ich hätte einfach weitermachen sollen. Ich trage ja eine Maske und niemand hätte irgendeinen Verdacht geschöpft. Nicht einmal er. Doch jetzt muss ich die Konsequenzen tragen und Grenzen setzen.

      Ich bleibe stehen und erkläre weiter: »Mir ist nur klar geworden, dass ich diesen Job nicht mehr machen kann.« Ich werfe einen letzten Blick zurück und umarme Tom aus einem spontanen Gefühl heraus. »Es tut mir leid, wenn ich die Party gesprengt habe.«

      »Ist schon gut, dann haben die Gäste wenigstens was zu tuscheln!« Er schließt seine Arme fester um mich. »Außerdem bin ich stolz, dass du es bei mir gemerkt hast.« Sekunden später korrigiert er sich: »Also nicht bei mir, sondern dass ich dabei sein durfte, wie du erwachsen wirst.«

      Ich kann das breite Lächeln auf meinem Gesicht spüren. Trotz allem ist es da, wird wahrscheinlich immer für Tom reserviert sein. »Ich liebe dich!«

      »Ja, wie einen Bruder!« Er zwinkert mir zu. »Das hatten wir schon!«

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      Kapitel 2

      Meine Nerven haben sich immer noch nicht beruhigt, als ich am nächsten Morgen ins Büro fahre. Und nur aufgrund meiner langjährigen Erfahrung gelingt es mir, alles »auf Automatik« zu erledigen. Ich melde mich unten an, stempele ab, fahre nach oben. Erst am Empfangstresen bei Joanna schlagen meine Emotionen erbarmungslos zu.

      Zum Glück merkt die attraktive Blondine nicht, wie es mir geht, da sie selbst zu aufgekratzt ist. »Jemand hat für dich angerufen und dich quasi blind gebucht.«

      Sie strahlt mich an und wartet offensichtlich darauf, dass ich neugierig werde.

      »Mm…«, mache ich und meine Gedanken rasen. Ich liebe meinen Job. Er ist großartig. Joanna ist großartig und auch alle anderen Kolleginnen, Claire, Melissa, Cat … ich kann spüren, wie sich ein Kloß in meinem Hals ausbreitet. Noch immer bin ich mir nicht sicher, ob ich kündigen will oder ob ich überreagiere und eine Panikattacke habe. Eine vollkommen berechtigte Panikattacke.

      Joanna gibt mir einen weiteren