a) Organisches Laufmittel
Auf dieser Grundlage heißt es also, dass der erste (aber auch wichtigste) Parameter zur Methodenentwicklung die Art und der Gehalt an organischem Lösungsmittel in der mobilen Phase ist.
Die Art des Lösungsmittels in der HILIC ist meistens schnell gefunden (besonders, wenn man die massenspektrometrische Detektion nutzt). Die Polarität und damit die Elutionskraft der mobilen Phase kann durch die Nutzung unterschiedlicher organischer Lösungsmittel gesteuert werden. Verschiedene wassermischbare Lösungsmittel, die man verwenden kann, enthalten Alkohole oder sind zyklische Ether. Prinzipiell ist bei HILIC-Trennungen folgende abnehmende Elutionskraft von Laufmittel in der mobilen Phase festzustellen: Methanol > Ethanol > Isopropanol > Tetrahydrofuran > Acetonitril. Je stärker die Elutionskraft ist, umso schwieriger ist das Laufmittel aber zu dosieren und aufgrund der protischen Eigenschaften (der Alkohole) für die Ausbildung der Wasserschicht schlechter geeignet. Bis auf Methanol sind die Laufmittel in der Massenspektrometrie auch nur eingeschränkt bis nicht nutzbar. Somit ist Acetonitril aufgrund schwacher Elutionskraft sowie nicht protischer Eigenschaften und massenspektrometrischer Kompatibilität das meistgenutzte Lösungsmittel für HILIC-Trennungen und repräsentiert die beste Wahl für einen ersten Einstieg in die Methodenoptimierung. Also steht das organische Laufmittel schon mal fest: Acetonitril.
Das Laufmittel mit starker Elutionskraft ist (aufgrund der Notwendigkeit einer Wasserschicht auf der HILIC-Oberfläche) auch schon klar: Wasser.
Für Trennungen in HILIC (wie bei RPLC auch) gibt es nun die Möglichkeit, die mobile Phase isokratisch oder aber in einem Gradienten zu pumpen. In der Methodenoptimierung ist es meistens zweckdienlich, sich eines Lösungsmittelgradienten zu bedienen; zum einen um die Laufmittelzusammensetzung zur optimalen Elution der interessierenden Moleküle zu ermitteln und zum anderen um die Peak-Schärfung bzw. die -Forcierung zu unterstützen. So ist es essenziell, dass man zunächst die Verteilung der Analyten zwischen der mobilen Phase und der an der Oberfläche der stationären Phase befindlichen Wasserschicht berücksichtigt. In HILIC starten die Bedingungen des Gradienten bei einem sehr hohen Anteil an schwachem Elutionsmittel, d. h. typischerweise 95 % Acetonitril (maximaler Anfangsgehalt 98 % bzw. minimal 90 %). Ein Beispiel hierfür ist in Abb. 2.4 zu sehen. Die anschließende Elution retardierter Moleküle wird durch Erhöhung des starken Elutionsmittels Wasser auf typischerweise bis zu 40 % realisiert. Bei diesem Wassergehalt im Laufmittel kann die Wasserschicht auf der Partikeloberfläche nicht mehr aufrechterhalten werden und die meisten neutralen, polaren Analyten eluieren dann umgehend. In dieser Situation hat dann der Parameter „Verteilung zwischen Wasserschicht und mobiler Phase“ keinen Einfluss mehr auf die Retention der Moleküle. Auf der Oberfläche der stationären Phase vorhandene funktionelle Gruppen können dann lediglich noch adsorptive und bei geladenen Säulen auch elektrostatische Wechselwirkungen mit den Analyten ausbilden. Die Konsequenz ist zu diesem Zeitpunkt eine Co-Elution vieler polarer Moleküle und somit dort eine häufig schlechte chromatographische Trennung. Dies gilt es immer dann zu bedenken, wenn man sehr schnelle und steile Lösungsmittelgradienten nutzen möchte. In der RPLC-Anwendung funktioniert das häufig gut, in der HILIC aus oben genannten Gründen eher nicht. Zu flach sollte der Gradient aber aufgrund der ungünstigen Bedingungen (der van-Deemter-Gleichung) auch nicht sein, denn dann werden die Peaks breit (ko)eluierend und verlieren ihre Form. Ein generischer Elutionsgradient ist in Abb. 2.4 dargestellt und kann – bestehend aus einer Wasser-/Acetonitril-Mischung – als ein erster Schritt in der detaillierter werdenden Methodenentwicklung genutzt werden. So bekommt man auf jeden Fall einen ersten Eindruck über die Elutionseigenschaften der jeweils zu trennenden Substanzen und deren polaren Eigenschaften.
HILIC reagiert – wie bereits erwähnt – im Betrieb sehr viel empfindlicher gegenüber Laufmitteländerungen als die RPLC. Aus diesem Grund sind hier die noch weitere Informationen bzw. Vorsichtsmaßnahmen beschrieben, die Ihnen bei der Methodenoptimierung weiterhelfen können, und die Sie auch berücksichtigen sollten: So ist das Lösungsmittel der zu injizierenden Probe immer kritisch. Da hohe lokale wässrige Anteile wie in einer Wasserprobe die fragile wässrige Schicht auf der Oberfläche der stationären Phase zerstört, sind diese Proben bisher eben problematisch. Halten Sie den Gehalt an Acetonitril je nach Analyt so hoch wie möglich. Methanol bis zu 20 % kann die Löslichkeit des Analyten unterstützen. Auf jeden Fall sollte der Wassergehalt in der zu injizierenden Probe unter 5 % gehalten werden oder aber die Wasserprobe langsam einbringen. So ermöglichen es langsame Injektionen von geringen Volumina beispielsweise wässrigen Proben über eine Vermischung mit der mobilen Phase vor Auftreffen auf die stationäre Phase geeigneten Bedingungen zuzuführen und somit keine Veränderung der Säulenoberfläche hervorzurufen. Weitere Möglichkeiten, Wasser zu injizieren, finden Sie am Ende des Kapitels. Ebenso sind Waschlösungen der Injektionsnadel kritisch. Verwenden Sie immer Acetonitril mit 5–10 % Wasser ohne Zusatz von Säuren oder Salzen, denn alles andere kann die Zusammensetzung des Laufmittels bei der Injektion kurzfristig ein klein wenig verändern und das führt oftmals schon zu unreproduzierbaren Änderungen in der Retentionszeit. Ebenso sind vorgemischte Lösungsmittel eine problematische Sache, v. a. dann, wenn unterschiedliche Anwender Laufmittel unterschiedlich herstellen. Die Retention bei HILIC verändert sich teilweise schon sehr drastisch auch bei kleinen Änderungen des Wasser- (und Salz-)Gehaltes. So ist es notwendig, dass es sehr detaillierte Handlungsanweisungen im Labor gibt, die genau wiedergeben, wie das Laufmittel hergestellt wird bzw. werden soll. Die Nutzung von industriell vorgemischten bzw. immer im gleichen Verfahren hergestellten Acetonitril/Wasser- lösungen hilft die Reproduzierbarkeit der Analysen zu erhöhen.
Abb. 2.4 Typischer HILIC-Gradient mit Verlauf und Zusammensetzung der mobilen Phase (oben) und dem entsprechenden Wechselwirkungsschema eines Analyten mit der Oberfläche der stationären Phase (entnommen aus [5]).
Nutzen Sie wie in Abb. 2.4 angegeben nach einem Gradienten eine erhöhte Flussrate bei der Rekonditionierung Ihrer Säule, ohne den Maximaldruck der Pumpe zu überschreiten. So können Sie den vermeintlichen Nachteil von Lösungsmittelgradienten in der HILIC durch die bekannte „lange“ Rekonditionierungszeit der stationären Phase vermeiden. Für eine ausreichende Rekonditionierung werden im Gegensatz zu RPLC nämlich statt zehn etwa zwanzig bis dreißig Säulenvolumina benötigt. Durch die Erhöhung der Flussrate kann man die Säule somit ausreichend schnell rekonditionieren. Alternativ ist es möglich, eine kürzere Zeit bei konstanter Flussrate zu äquilibrieren. Dies führt zu einem sogenannten „dynamischen Gleichgewicht“ und kann ebenfalls zu reproduzierbaren Ergebnissen führen. Hierbei muss aufgrund der unvollständigen Äquilibrierung sichergestellt sein, dass die Äqulibrie- rungszeit und die Flussrate zwischen den Läufen immer identisch bleiben. Davon ist vor allem vor dem Hintergrund, dass schon kleine Änderungen in der HILIC- Trennung große Effekte haben können, eher abzuraten (v. a. dann, wenn man nicht schon längere Erfahrung mit dieser Technik hat). Apropos kleine Änderungen und große Effekte, Abb. 2.5 zeigt die zwei Moleküle 2-Hydroxy- und 4-Hydroxybenzoe- säure (Molekül 1 bzw. 2) in ihrer Retention und Performance auf drei stationären Phasen in einem isokratischen Lauf bei 90 % Acetonitril (obere Chromatogramme) und bei 80 % Acetonitril (untere Chromatogramme). Wie v. a. an der 4-Hydoxybenzoesäure gut zu erkennen ist, reduziert sich die Retentionszeit auf allen drei Phasen sehr stark, wobei offensichtlich nur die kationisch geladene Oberfläche bei 80 % Acetonitril noch ausreichend Retention aufweist.
Abb. 2.5 Trennung von 2-Hydroxy- und 4-Hydroxybenzoesäure (Molekül 1 bzw. 2) in Chromatogrammen mit Retention