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Insgesamt ist es unentbehrlich mit dem Abschluss der Vorbereitung und vor Beginn des Interviews eine möglichst valide Einschätzung der Interessenlage des Informationsträgers vorzunehmen. Viele Abwägungsfragen über die konkrete praktische Vorgehensweise werden von dieser Teilanalyse abhängen.
2. Belehrung
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Bevor die Befragung beginnt, stellt sich die Frage, über welche Rechte der Mitarbeiter zu belehren ist. Da keine rechtlich zwingenden Vorgaben bestehen[10] und insbesondere die Strafprozessordnung keine Anwendung findet,[11] bleibt vieles Geschmacksfrage. Rechtlich folgen die Kompetenzen des Fragestellers dem Rechtskreis des Auftraggebers.[12] Allerdings sollte eine Untersuchung nicht nach Geschmack geführt werden, sondern nach vorher aufgestellten konkreten Grundsätzen. Einer davon ist Effizienz. Prinzipiell sollte in einer Investigation nichts Überflüssiges getan werden. Und so könnte man der Idee verfallen, die Befragung ganz ohne Belehrungen zu beginnen. Dabei sollte man zweierlei bedenken. Erstens: Eine Belehrung über Rechte kann das Vertrauen des Informationsträgers in den Fragesteller stärken und damit zu einem besseren Ergebnis beitragen. Zweitens: Eine gute Untersuchung folgt neben der Effizienz auch den Grundsätzen der Legalität, Objektivität und Neutralität.[13] Dies kann Belehrungen im Einzelfall erfordern. Die folgenden Inhalte einer möglichen Belehrung bedürfen näherer Betrachtung:
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Soweit vertreten wird, der verdächtige Arbeitnehmer habe zur Befragung zu erscheinen, dürfe aber schweigen, soweit er sich selbst belasten müsste,[14] besteht keine korrespondierende Belehrungspflicht.
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Der Mitarbeiter hat jedenfalls bei Befragungen, die zugleich Anhörungen im Vorfeld einer Verdachtskündigung sind, das Recht, einen eigenen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu konsultieren.[15] Der Mitarbeiter ist nach Empfehlung der BRAK hierüber zu belehren.[16]
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Die BRAK empfiehlt auch, den Mitarbeiter darüber zu belehren, dass Aufzeichnungen der Befragung gegebenenfalls an Behörden weitergegeben werden und dort zu seinem Nachteil verwertet werden können.[17] Bei Anhörungen im Rahmen sog. Amnestieprogramme soll der Mitarbeiter zusätzlich darüber belehrt werden, dass das Unternehmen keine strafrechtliche Amnestie gewähren kann.[18]
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Soweit die Befragung dokumentiert wird, soll – ebenfalls nach Empfehlung der BRAK – in Abschriften Einsicht gewährt werden. Die Auskunftsperson soll die Abschrift genehmigen. Darüber sei die Auskunftsperson zu belehren.[19] Diese Belehrungsobliegenheit erscheint schon deshalb zweifelhaft, da es keinen (arbeits- oder zivilrechtlichen) Anspruch auf Einsicht in ein von dem Befragenden verfasstes Protokoll gibt.[20] Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer dementsprechend auch nicht gezwungen werden, ein Protokoll zu genehmigen. Im Übrigen steht es ihm oder seinem Rechtsbeistand frei, ein eigenes anzufertigen.[21] Allerdings sollte der Interviewende bedenken, dass ein genehmigtes Protokoll die Beweiskraft erhöht.
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Unterbleibt eine Belehrung ist dies für die spätere strafprozessuale Verwertung ohne Belang[22] – jedenfalls solange die Grenzen des § 136a StPO nicht überschritten werden. So stellt sich die Rechtslage de lege lata dar.
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Jenseits einer förmlichen Belehrung, bietet es sich für eine zielführende Gestaltung des Interviews häufig an, zu Beginn des Interviews den Verfahrens- und ggf. auch Kenntnisstand einführend zusammenzufassen.
3. Durchführung der Befragung
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Für die Durchführung gelten nur die allgemeinen Gesetze und keine spezifische Kodifikation, insbesondere gilt nicht die StPO. Der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) formuliert in seinen „Thesen zum Unternehmensanwalt im Strafrecht“ lediglich: „Bei internen Erhebungen, insbesondere bei der Befragung von Mitarbeitern des Unternehmens, wahrt der Unternehmensanwalt die allgemeinen Gesetze und die sich aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen ergebenden Standards.“[23] Diese Thesen begründen einen hohen und zweckmäßigen Standard für unternehmensinterne Ermittlungen. Der Untersuchungsführer hat kein Interesse an unlauteren Einwirkungen und unzulässigen Methoden, wie sie § 136a StPO für das Strafverfahren kennzeichnet. Zu Recht betont die BRAK, dass eine Auskunftsperson nicht eingeschüchtert, nicht getäuscht, nicht bedroht und erst recht keinem unzulässigen Zwang ausgesetzt werden darf.[24] Die „BRAK-Thesen“ haben keinen rechtlich verbindlichen Charakter.[25] Befragt jedoch ein Rechtsanwalt die Mitarbeiter, so können die „BRAK-Thesen“ indiziellen Charakter für eine etwaige Berufsrechtswidrigkeit des Vorgehens entfalten.
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Um die gerichtliche Verwertbarkeit der Aussagen im Interview zu gewährleisten, sollten alle Gespräche von wenigstens zwei Personen geführt werden.[26]
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Die Vernehmung ist ein kommunikativer Prozess. Dies ist keine Neuigkeit und doch wird dieses Wissen oft nicht genutzt bzw. es werden zu selten die Konsequenzen daraus gezogen. Eine Kommunikation bringt immer einen Austausch mit sich. Die Menschen (re)agieren aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig, oft ohne dies zu wollen oder zu bemerken. Diese Erkenntnis ist Grundlage einer jeden Vernehmung. Je nach Ziel einer Vernehmung sollten die Verhaltensweisen, also nicht nur die verbale Sprache, angepasst werden.
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Der Vernehmer sollte eine Grundstruktur (Bericht und Verhör) einhalten und sich der Wirkungen unterschiedlicher Fragetypen bewusst sein. Hinzu kommen einige Grundregeln, die der Vernehmer einhalten sollte.
a) Grundregeln
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Der Fragesteller hat ein Interesse daran, den Sachverhalt aufzuklären und richtige Informationen von dem Mitarbeiter zu erhalten. Die Auskunftsfreudigkeit kann durch das Verhalten des Vernehmers gefördert oder eingeschränkt werden. Immer muss man sich der Wirkungen des eigenen Auftretens und der anderen Anwesenden bewusst sein und sich ggf. der Situation anpassen.
aa) Kontaktaufnahme
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Selbst wenn die Aufklärung im Interesse der Auskunftsperson liegt, verlangt der Vernehmer etwas und fordert eine Auskunft. Daher initiiert der Vernehmer die Befragung und nimmt zum Informationsträger Kontakt auf. Damit ist (nicht nur) die Aufforderung zum Interview gemeint, sondern eine das gesamte Gespräch umfassende Haltung. Die Kontaktaufnahme in diesem Sinne wird erleichtert oder teilweise auch erst eröffnet, wenn sich der Vernehmer auf die Persönlichkeit der Auskunftsperson einlässt.[27] Der Fragesteller muss sich um seinen Gesprächspartner bemühen.[28] Er ist dafür verantwortlich, dass Bedingungen geschaffen werden, bei denen der Mitarbeiter eher bereit ist, sein Wissen zu teilen. Die Begleitumstände der Befragung beeinflussen das Ergebnis und können gestaltet werden.[29] Der Mitarbeiter soll vermittelt bekommen, dass seine Belange berücksichtigt und seine Bemühungen gewürdigt werden.
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Eine neutrale Position ist anzustreben, denn eine parteiische Haltung wirkt kontraproduktiv und ist für eine Wahrheitsfindung nicht förderlich. Jedoch muss sich der Vernehmer immer vergegenwärtigen, dass jegliche