Jenseits der vernehmungspsychologischen Verantwortung des Fragestellers hat die Rechtsprechung der parallel zu einem Ermittlungsverfahren durchgeführten Befragung in Einzelfällen Grenzen gesetzt. Die Grenzen unerlaubter Erhebung liegen in der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und der individuell geschützten Rechtsgüter, namentlich das Recht am Bild, Recht am Wort, Recht an der Privatsphäre, Recht der informationellen Selbstbestimmung und an der Integrität und Vertraulichkeit datenführender Systeme.
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Daneben kommen als Straftatbestände, die Befragungen begrenzen können, das unerlaubte Eindringen in befriedetes Besitztum (§ 123 StGB), in fremde Datenbestände (§ 202a StGB), in fremde Geheimnisse (§§ 201, 202 StGB), die unerlaubte Telefonüberwachung (bspw. der Mitschnitt von Mobiltelefonen, Internetübertragungen usw. gem. § 206 StGB) und Eigentumsverletzungen in Betracht. Ein Verstoß gegen diese Gesetze kann auch nicht mit einem „Beweisnotstand“ gerechtfertigt werden.
b) Objektivität
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Die Befragung gegen Bezahlung oder gegen Gewährung anderer Vorteile ist nicht per se unlauter, wirft aber einen negativen Schatten auf die Motivation des Fragestellers, die die Objektivität der Interviewergebnisse infrage stellen kann. Neben der allgemein für zulässig und gerichtsverwertbar gehaltenen Informationsbeschaffung durch Detektive, bei Auskunfteien, Registern und andern Informationsquellen kommt es nicht selten vor, dass ein offen oder anonym auftretender Informant für angebotene Informationen, die von entscheidender Bedeutung in einem Fall sein können, Geld verlangt. Entscheidend ist die Vollständigkeit, Echtheit und Aussagekraft der Information.[16] Wenn Ermittlungsbehörden Anreize und Belohnungen[17] aussetzen können, darf auch der Untersuchungsführer oder sein Auftraggeber solche Belohnungen aussetzen (§ 657 BGB – Auslobung, § 971 BGB – Finderlohn), um Quellen aufzudecken. Der Einsatz von Geld und anderen Vorteilen für die Beschaffung von Beweismaterial hat aber Grenzen. Zwar können Zahlungen zur Erlangung von Beweisen („Schmieren“, „Beschleunigungszahlung“) nicht nach §§ 299 ff. StGB beurteilt werden, weil der Erlangung von Informationen in der Internal Investigation keine Wettbewerbsabsicht zugrunde liegt. Aber die Grenzen zivilrechtlicher Besitz- und Eigentumsrechte sowie die des privatrechtlichen Geheimnisschutzes müssen beachtet werden. Die Verwertung eines derart beschafften objektiven Beweises ist grundsätzlich zulässig. Bei der Vereinbarung eines Erfolgshonorars für den Fall, dass der Befragte auf eine Verfahrenssituation einwirkt, sind allerdings Grenzen schnell erreicht.[18]
c) Neutralität
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Die Befragung muss unbedingt wertneutral erfolgen. Untersuchungsergebnisse und deren Würdigung sind mit dem Befragten nicht zu diskutieren. Ebenso sind unlautere Einwirkungen auf die befragte Person, deren berufliches oder privates Umfeld unbedingt zu unterlassen. Kündigt der Fragesteller deshalb bspw. an, den Befragten vor Gericht zu bringen, ihn zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft „mitzunehmen“ oder sein Aussageverhalten dort vorzutragen, um ihn in der Folge einer peinlichen Befragung durch Behörden auszusetzen, sind die Grenzen einer lauteren Befragung überschritten. Hier handelt schon der Fragesteller außerhalb seiner eigenen Kompetenz und begibt sich auf das Feld einer Nötigung (§ 240 StGB). Die spezifische tatbestandsauslösende Situation liegt dabei nicht in der Ankündigung eines für sich gesehen prozessual zulässigen Handelns, sondern aus der für den Befragten überraschenden Ankündigung in der unternehmensinternen Befragung, noch lange bevor der Auftraggeber des Fragestellers sich für einen derartigen Schritt unter Abwägung aller Argumente entscheiden hat. Indem der Befragte solchen Ankündigungen ohne Abwehr- oder Beendigungsmöglichkeit ausgesetzt ist, erarbeitet sich der Fragesteller einen unlauteren Vorteil.
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Die o.g. Vorgehensweise in verschiedenen Arbeitsphasen birgt auch Gefahren für die Neutralität der Befragung. Die vor dem Interview stattfindende Vorstellungsbildung des Untersuchungsführers konnte bislang nicht von dem Interviewpartner beeinflusst werden, er kennt daher die Versionen und Deutungen nicht, die der Fragesteller mit in das Interview bringt. Beide Interviewteilnehmer „sprechen dann aneinander vorbei“. Die Versionsbildung bei dem Fragesteller kann zudem in eine Voreingenommenheit des Fragestellers umschlagen. Dadurch können Anlass, Gang und Thematik des Interviews in ganz erheblichem Umfang bestimmt sein. Die dem Befragten vor und während des Interviews zur Verfügung gestellten Informationen aus der bisherigen Investigation werden in der Regel gefiltert, um das Aussageverhalten zu fördern oder bestimmte Aussagen zu erhalten. Das Vorgehen ist – wie es häufig von Strafverteidigern zu polizeilichen Vernehmungsprotokollen berichtet wird – einseitig. Derartige Interviews werden auf keiner Seite zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen, weil sich der Befragte regelmäßig fragt, ob er „vorgeführt“, „überführt“ oder „an die Wand gestellt“ werden soll, der Fragesteller aber dem Befragten insgeheim oder ausgesprochen vorwirft, „zu mauern“ oder „die Unwahrheit“ zu sagen. Daher ist bei qualifizierten Interviews in der Vorbereitung der Befragung sehr klar zu trennen zwischen Vorverständnis, Fragerichtung und objektivem Erkenntnishorizont. Der Fragesteller muss sich selbst und seine Arbeitshypothesen in Frage stellen.
3. Aufklärung auf unsicherer Erkenntnisgrundlage
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An der Arbeitshypothese des Untersuchungsführers orientiert sich die Erhebung und Verwertung von Informationen, die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Mandanten und die Darstellung der Ergebnisse. Der Untersuchungsführer arbeitet wie der Strafverfolger auch nach einer kriminalistischen Arbeitshypothese[19], die dazu dient, Täter von Nichttäter zu trennen, den Hergang der Tat, Tatmotive, die Beteiligung des Opfers, sowie die weiteren Umstände aufzuklären. Der Untersuchungsführer darf seinen Arbeitshypothesen alle Informationen zugrunde legen, die für ihn und seinen Auftraggeber erreichbar sind. Er darf dieser Information prinzipiell vertrauen[20]. Er muss – anders als der Verteidiger – eine Überprüfung anstreben, um eine nicht nur für den Auftraggeber, sondern auch für etwaige behördliche Empfänger nötige Überzeugungskraft zu schaffen. Dabei hat er sich auch mit Widersprüchen zu den Erkenntnissen der Kartell-, Verwaltungs- oder Strafverfolgungsbehörden auseinander zu setzen.
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Arbeitshypothesen der Untersuchung haben den jeweiligen Verständnishorizont der Ermittlungsbehörden und eines Gerichts zu bedenken. So kann sich auch gegenüber dem Untersuchungsführer Misstrauen ergeben, das sich den Ergebnissen entgegen stellt. Auch diese Stellen arbeiten mit Hypothesenbildungen[21], die gerade durch den Erkenntnisprozess zu validieren sind. Daher empfiehlt es sich aus Sicht des Praktikers, Ergebnisse der Befragungen stets neutral und möglichst wortgetreu zu schildern.
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Die größte Unsicherheit bei Befragungen vor Abschluss der Informationssammlung des Untersuchungsführers geht von der Beweisrichtung aus. Eine Information kann sowohl belastender als auch entlastender Natur sein, es können Erhebungs- und Verwertungsverbote oder Verfahrenshindernisse eingreifen. Die Befragung darf keine dieser Deutungsmöglichkeiten verdecken oder – trotz naheliegender entgegen gesetzter Hinweise – ausschließen. Für verschiedene Beweisrichtungen sind Handlungsgrundsätze, Methodik und Grenzen durch zivilrechtliche und strafrechtliche Normen zu bestimmen. Die Erkenntnis des Untersuchungsführers über Nutzen oder Nachteil eines Beweismittels (sowohl Personen- wie auch Sachbeweis) für die Untersuchungsergebnisse in Bezug auf das Aufklärungsziel ist Gegenstand der Aufklärung, darf aber nicht bereits in den ersten Phasen der Untersuchung als abgeschlossen betrachtet werden. Solange der Erkenntnisfortschritt anhält, kann die Grundlage der Tatsachenfeststellungen – und damit auch der Ergebnisdarstellung – einem Wandel unterliegen.
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