So von Galen NJW 2011, 945, 945; zust. Wessing WiJ 2012, 1, 5; Rotsch/Sahan S. 133, 142 ff.
Vertiefend Erb FS Kühne, S. 171, 175 ff.
Vgl. dazu auch LG Mannheim NZWiSt 2012, 424, 430, m. dem Ergebnis zust. Anm. Schuster; Jahn/Kirsch NStZ 2012, 718, 719.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 5. Kapitel Die Rechtsstellung der internen Ermittler › VI. Strafbarkeit des internen Ermittlers
1. Strafbarkeit gemäß § 203 StGB
69
Ein interner Ermittler, der zugleich Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft ist, ist gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Verschwiegenheit über fremde Geheimnisse verpflichtet, die ihm als Berufsträger anvertraut oder sonst bekannt geworden sind. Gleiches gilt erneut für seine Hilfspersonen, § 203 Abs. 3 S. 2 StGB, denen gegenüber er die Geheimnisse zur Aufgabenerfüllung offenbaren darf. Die sonstigen in § 203 Abs. 1 und 2 StGB genannten Berufsgruppen dürften wohl regelmäßig nicht mit der Durchführung interner Untersuchungen betraut werden. An die bereits oben unter Rn. 3 angesprochenen Unterschiede zwischen § 203 StGB und § 53 StPO sei erinnert. So steht z.B. den Organen oder Mitgliedern eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO zu, auch wenn sie nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Eine dem Zeugniszwang entsprechende Aussage im Strafverfahren wäre daher gerechtfertigt. Ein fremdes Geheimnis umfasst im Gegensatz zu § 53 StPO nur äußere und innere Tatsachen, die sich auf eine andere, auch juristische, Person oder ein Unternehmen und deren vergangene oder gegenwärtige Lebens- oder Geschäftsverhältnisse beziehen.[1] Reine Werturteile werden nicht erfasst.[2] Des Weiteren müssen die Tatsachen geheim sein, um dem Geheimnisbegriff zu unterfallen. Das sind sie, wenn sie höchstens einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und nicht im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder Ermittlungsverfahrens öffentlich gemacht worden sind.[3] Zudem muss die betroffene Person ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung haben.[4]
70
Ähnlich wie auch im Rahmen der §§ 53, 53a StPO muss das Geheimnis dem Berufsträger schließlich in dieser Eigenschaft und Funktion zur Kenntnis gelangen. Zu den Begriffen des Anvertraut-Seins und des Sonst-Bekannt-Werdens gelten die oben gemachten Ausführungen entsprechend.[5] Tathandlung ist das Offenbaren eines Geheimnisses, d.h. die Mitteilung an einen Dritten. Eine Einwilligung der geschützten Person entfaltet zumindest rechtfertigende Wirkung. Gesetzliche Offenbarungspflichten und -befugnisse sowie § 34 StGB entfalten ebenfalls rechtfertigende Wirkung.[6] Der Geheimnisverrat wird in Abs. 5 qualifiziert, wenn der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.
2. Strafbarkeit gemäß § 356 StGB
71
Auch an eine Strafbarkeit wegen Parteiverrats gem. § 356 StGB ist zu denken. Das LG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass der mit einer internen Untersuchung beauftragte Rechtsanwalt nicht zugleich die zu überprüfenden Angestellten beraten oder vertreten darf und zu diesen daher auch keine mandatsähnliche Vertrauensbeziehung besteht.[7] Als Täter des Parteiverrats kommen neben Rechtsanwälten insbesondere Patentanwälte, Syndikusrechtsanwälte und Justiziare in Betracht, soweit sie in anwaltlicher Unabhängigkeit handeln.[8] Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer können als „andere Rechtsbeistände“ unter die Norm fallen, wenn sie in Steuerstrafsachen vor der Finanzbehörde die Verteidigung führen.[9]
72
Inhaltlich setzt ein Parteiverrat voraus, dass dem Berufsträger eine Rechtssache anvertraut worden ist und er in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient. Ob dieselbe Rechtssache betroffen ist, richtet sich stets nach dem zugrundeliegenden historischen Vorgang.[10] Eine teilweise Überschneidung soll ausreichen.[11] Besondere Auslegungsprobleme bereitet das Merkmal „anvertraut“, wenn ein Rechtsanwalt innerhalb einer Sozietät mandatiert wird. § 3 Abs. 2 S. 1 BORA bestimmt für diesen Fall, dass das Verbot für alle mit ihm in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte gilt, gleich welcher Rechts- oder Organisationsform. Eine Ausnahme wird in S. 2 gemacht, wenn sich im Einzelfall die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen. Diese Regelung gilt aber nicht unmittelbar für § 356 StGB, sondern kann allenfalls als Auslegungshilfe herangezogen werden.[12] Der Begriff des Anvertraut-Seins und das Verbot der Beschäftigung anderer Sozietätsmitglieder mit demselben Gegenstand entsprechen sich nicht. Im Unterschied zu § 3 Abs. 2 BORA soll daher insbesondere die ausdrückliche oder schlüssige Mandatsbeschränkung auf einen Anwalt der Sozietät die Anwendbarkeit des § 356 StGB ausschließen.[13] Für den Bereich der Strafverteidigung ist inzwischen anerkannt, dass mehrere Anwälte einer Sozietät verschiedene Mandanten in einem Verfahren verteidigen dürfen.[14] Gleiches gilt auch für Anwälte in Bürogemeinschaft und sonstige Kooperationen.[15] Eine Mehrfachverteidigung durch denselben Verteidiger ist in § 146 StPO ausdrücklich verboten.
3. Sonstiges
73
Als weitere Strafbarkeitsrisiken interner Ermittler werden regelmäßig die §§ 132 und 240 StGB ins Feld geführt. Interne Ermittler müssen daher sorgfältig darauf achten, – insbesondere in Interviewsituationen – nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie amtliche Aufgaben oder Befugnisse wahrnehmen, und für den Fall der Nichtauskunft keinen unzulässigen Druck auszuüben, wie er beispielsweise mit der nicht gerechtfertigten Androhung einer fristlosen Kündigung erzeugt werden kann.[16] Zugleich sind stets die Vorschriften des 15. Abschnitts des StGB zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereiches nach §§ 201 ff. StGB und bei der Auswertung von Daten zusätzlich die §§ 43, 44 BDSG zu beachten.[17] So kann z.B. das Abhören von Telefongesprächen nach § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar sein, das Ausspähen von E-Mails nach § 202a StGB oder § 206 StGB.[18] Vielfach hängen die rechtlich zulässigen Überwachungsmöglichkeiten davon ab, ob es sich um Dienst- oder Privatpost handelt, ob die Nutzung der dienstlichen E-Mail-Adresse auch zu privaten Zwecken gestattet ist usw.[19] Dass Beleidigungen und Bedrohungen zu unterlassen sind, versteht sich von selbst.[20]
Anmerkungen
Fischer § 203 Rn. 2 ff.
Fischer § 203 Rn. 4.
Fischer § 203 Rn. 5.