bb) Beweisverwertung gem. Abs. 2 S. 3
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Auch für die Frage der Beweisverwertung gilt gem. § 160a Abs. 2 S. 3 StPO der in S. 1 normierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Verwertungsverbot ist dabei, wie bereits zu Abs. 1 ausgeführt, nicht an das Bestehen eines Beweiserhebungsverbotes geknüpft, so dass dem unterschiedlichen Zeitpunkt der Beurteilung und den neu gewonnenen Erkenntnissen eine besondere Bedeutung zukommt.[36] Insbesondere kann der Verdacht bezüglich einer erheblichen Straftat zunächst die Beweiserhebung gerechtfertigt haben, sich dann aber zerstreuen, so dass eine Beweisverwertung bezüglich der festgestellten geringfügigen Straftat unverhältnismäßig ist.[37] Ob dies auch in umgekehrter Richtung gilt, etwa wenn trotz Verdachts einer nur geringfügigen Straftat eine Ermittlungsmaßnahme durchgeführt wurde, die dann Erkenntnisse über eine erhebliche Straftat erbringt, ist umstritten.[38] Der Gesetzgeber hat sich in BT-Drucks. 16/5846 S. 37, dafür ausgesprochen. Puschke/Singelnstein nehmen indes an, dass der Mangel nicht ohne weiteres geheilt werde, sondern die Verwertbarkeit des rechtswidrig gewonnenen Beweises nun anhand der Kriterien der Abwägungslehre zu bestimmen sei.[39] Gleiches müsste dann aber auch für Abs. 1 gelten. Vermittelnd schlägt schließlich Bertheau vor, die Unzulässigkeit der Beweiserhebung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 160a Abs. 2 S. 3 StPO zu berücksichtigen.[40] Auf diese Weise will sie den Bedenken von Puschke und Singelnstein Rechnung tragen. Es bleibt im Hinblick auf ihre Ausführungen zur nachträglichen Entbindung von der Schweigepflicht aber leider unklar, ob diese Einschränkung immer gilt und wie der vergleichbare Fall im Rahmen des § 160a Abs. 1 StPO zu behandeln sei.
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Zu anderen Zwecken als zu Beweiszwecken können einmal gewonnene Erkenntnisse im Unterschied zu § 160a Abs. 1 StPO stets verwendet werden.[41] Die mittelbare Verwertung der erlangten Informationen wird von Abs. 2 nicht erfasst und die Norm sieht auch keine Löschungs- oder Dokumentationspflichten vor. Ein absolutes Beweiserhebungs- und Verwendungsverbot kann jedoch auch unabhängig von § 160a Abs. 2 StPO aus einem Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung erwachsen.[42]
cc) Revisionsgrund
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Vgl. oben Rn. 60.
4. § 160a Abs. 5 StPO: § 97 StPO bleibt unberührt
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Dass § 97 StPO dem § 160a StPO gem. dessen Abs. 5 nur in dem Umfang vorgeht, in dem § 97 StPO eine eigenständige Regelung trifft, wurde bereits wiederholt betont.[43] Die Reichweite dieser Feststellung ist jedoch umstritten. Unstreitig entfaltet § 97 StPO keine Sperrwirkung für die Beweisverwendungs- und -verwertungsanordnungen des § 160a StPO, da sich § 97 StPO ausschließlich auf die Zulässigkeit der Beweiserhebung bezieht.[44] Ebenso unstreitig folgt aus der Vorrangregelung des § 160a Abs. 5 StPO, dass eine Beschlagnahme, die nach § 97 StPO unzulässig ist, auch dann unzulässig bleibt, wenn sie nach § 160a StPO zulässig wäre.[45] Umstritten ist jedoch der gegenläufige Fall, wenn eine Ermittlungsmaßnahme keinem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO unterfällt, aber dem Beweiserhebungsverbot nach § 160a StPO. Die überwiegende Auffassung geht in dem entsprechenden Fall wohl von einer Beschlagnahmemöglichkeit und einem absoluten Vorrang des § 97 StPO für die Beweiserhebung aus, so dass auch der Änderung des § 160a Abs. 1 S. 1 StPO keine Beachtung geschenkt wird.[46] Zu Recht bezeichnet Bertheau dieses Vorgehen jedoch als nicht nachvollziehbar,[47] wenn man an der restriktiven Auslegung des § 97 StPO festhalten möchte. Bertheau führt aus, § 97 StPO sei keine Rechtsgrundlage für Beschlagnahmen, sondern regele ausschließlich Verbote der Beschlagnahme. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Beschlagnahme nach den §§ 94 ff. StPO etc. werde vorausgesetzt. § 160a Abs. 5 StPO lasse nun aber nicht die Zulässigkeit der Beschlagnahme unberührt, sondern lediglich deren Verbot nach § 97 StPO. Aus diesem Grund verbiete sich der Schluss, aus § 160a Abs. 5 StPO folge, eine Beschlagnahme sei stets zulässig, wenn § 97 StPO sie nicht verbiete. Ein Verbot der Beschlagnahme könne auch unmittelbar aus § 160a StPO erwachsen. § 97 StPO kann den umfassenden Schutz des § 160a StPO bei enger Auslegung nicht einschränken, sondern muss ihn zwingend ergänzen.[48] Auf diesem Weg gelingt es dann, vertrauliche Dokumente, die nicht dem Beschuldigten zuzuordnen sind, in den Schutz einzubeziehen. Der Preis ist jedoch, dass auch die differenzierten Regelungen über den Ausschluss des Beschlagnahmeverbotes nach § 97 Abs. 2 StPO ausgehebelt werden.[49] Dies war offensichtlich bei der Neufassung des § 160a StPO nicht gewollt, weshalb die Lösung des Problems im Rahmen der Auslegung des § 97 StPO zu suchen ist.[50] Das Ergebnis muss jedenfalls lauten: Dokumente, die ein Rechtsanwalt im Rahmen einer internen Untersuchung erstellt hat und die sich in seinem Gewahrsam befinden, sind von der Beschlagnahme frei.
Anmerkungen
Eingeführt mit Wirkung zum 1.1.2008 durch Art. 1 Nr. 13a des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG v. 21.12.2007, BGBl I, S. 3198.
Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 1.
Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 1.
Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 1. Die Sonderprobleme bei der Entbindung von Geistlichen und Abgeordneten berühren die möglichen Fragestellungen zu internen Ermittlungen nicht, vgl. zu diesem Problemkreis Bertheau StV 2012, 303 f.
KK-StPO/Griesbaum § 160a Rn. 4.
KK-StPO/Griesbaum § 160a Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 3.
Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 7.
Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 15.
KK-StPO/Griesbaum § 160a Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn. 15.
Bertheau StV 2012, 303, 304.
Meyer-Goßner/Schmitt § 160a Rn.