Kommentierung
II.Bezug zum OECD-MA5 – 7
III.Kommentierung8 – 42
1.Abkommensvergünstigungen bei Doppelansässigkeit (Abs 1)8 – 26
b)Anwendungsbereich10, 11
d)Verfahren zur Verständigung über die Ansässigkeit12 – 15
e)Kriterien für die Verständigung16 – 18
f)Folgen bei Verständigung über die Ansässigkeit19, 20
g)Folgen bei fehlender Verständigung über die Ansässigkeit21 – 24
h)Verfassungsrechtliche Bedenken25, 26
2.Änderung bestehender DBA (Abs 2)27 – 29
3.Vorbehalte zur Anwendung (Abs 3)30 – 37
a)Keine Anwendung des Art 4 (Abs 3 Buchst a und f)30 – 32
b)Keine Anwendung des Art 4 für DBA mit bestimmten Regelungen (Abs 3 Buchst b–d)33, 34
c)Anwendung einer alternativen Fassung des Art 4 Abs 1 (Abs 3 Buchst e)35 – 37
4.Notifizierung (Abs 4)38 – 42
IV.Umsetzung in Deutschland43 – 45
Literatur: Bendlinger Multilaterales Instrument zur automatischen Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2017, 2; Polatzky/Balliet/Steinau Neue Hürden für die DBA-Anwendung durch das Multilaterale Instrument, IStR 2017, 226; Reimer Meilenstein des BEPS-Programms: Das Multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung der DBA-relevanten Maßnahmen, IStR 2017, 1.
I. Zweck der Vorschrift
1
Doppelt ansässige Rechtsträger wurden im Zuge der Untersuchung hybrider Gestaltungen und ihrer Neutralisierung iRd Aktionspunkts 2 des OECD BEPS-Projekts als Mittel möglicher hybrider Gestaltungen ausgemacht.[1] Diese resultieren in Besteuerungsinkongruenzen und gewähren einen doppelten Betriebsausgabenabzug (sog Double-Dip). So könnten zB in beiden Staaten Betriebsausgaben mit Beträgen verrechnet werden, die jedoch nach den Rechtsvorschriften eines Staates nicht als Einnahmen behandelt werden.[2] Oder es könnten ausländische Verluste nach nationalem Recht durch konzerninterne Verrechnungsmöglichkeiten (zB Gruppenbesteuerung, Organschaft) auf ein anderes gebietsansässiges Unternehmen verlagert werden und gleichzeitig die Bestimmungen eines DBA gegen eine Besteuerung der ausländischen Gewinne greifen.[3] Dadurch entspricht die Summe der steuerpflichtigen Einkünfte über den Konzern nicht den konsolidierten operativen Ergebnissen. Dieses „Problem“ entsteht – neben unterschiedlichen nationalen Besteuerungskonzepten – auch durch Inkongruenz zwischen den in nationalen Rechtsvorschriften und DBA verwendeten Gebietsansässigkeitskonzepten. Da aber nicht alle nationalen Gebietsansässigkeitskonzepte aller Vertragsstaaten mit einer Musterformulierung abgedeckt werden können, wird mit Art 4 versucht die Lösung für diese Umgehungsstrategien in Anknüpfung an die nationalen Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragsstaaten zu finden. Er schafft flankierend zu den Empfehlungen der technischen Arbeitsgruppe für innerstaatliches Recht eine Abkommensregelung, die doppelt ansässige Rechtsträger davon abhalten soll, die Vorteile von Steuerabkommen missbräuchlich in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus soll die Umsetzung der empfohlenen Änderungen für innerstaatliches Recht nicht durch Steuerabkommen konterkariert oder gar verhindert werden.[4]
2
Art 4 wurde iRd Aktionspunkts 6 des OECD BEPS-Projekts entwickelt,[5] der sich ua mit der Versagung der Gewährung von Abkommensvergünstigungen in Fällen befasst, in denen diese als unangemessen empfunden werden. Darin werden die Empfehlungen der technischen Arbeitsgruppe zu Aktionspunkt 2 zu Abkommensfragen aufgegriffen. Als wichtiger Punkt wird die Umgehung von Beschränkungen der Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen identifiziert. Da die Ansässigkeit nach DBA Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen ist und doppelt ansässige Ges nach Ansicht vieler Vertragsstaaten oftmals zur Steuerumgehung eingesetzt werden,[6] soll durch Art 4 die Ansässigkeitsbestimmung von grds doppelt ansässigen nicht natürlichen Personen neu geregelt werden. Dabei handelt es sich nicht um einen sog Mindeststandard. Art 4 ist somit keine Bestimmung, die zwingend von allen teilnehmenden Staaten umgesetzt werden muss. Vielmehr können die Vertragsstaaten frei wählen, Art 4 insgesamt nicht anzuwenden oder dann nicht anzupassen, wenn bereits eine vergleichbare Regelung mitsamt Verständigungsverfahren besteht.[7]
3
Nach der von Art 4 vorgesehenen Bestimmung soll die steuerliche Ansässigkeit nach DBA im Falle doppelt ansässiger nicht natürlicher Personen[8] nicht mehr durch den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, sondern durch eine Verständigung zwischen den Vertragsstaaten bestimmt werden. Dies ermöglicht eine flexible Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls