Art 3 Abs 3 ist im Zusammenspiel mit Art 11 zu sehen, welcher das Verhältnis des Abkommensrechts zum nationalen Recht der Vertragsparteien betrifft. Gem Art 11 Abs 1 berührt ein unter das MLI fallendes Steuerabkommen grundsätzlich nicht die Besteuerung der in einem Vertragsstaat ansässigen Person durch eben diesen Vertragsstaat (saving clause). So ist auch mit Blick auf die Bestimmung des Art 3 Abs 1 regelmäßig davon auszugehen, dass sich ein betroffener Vertragsstaat vorbehält, dass die Anwendung von Art 3 Abs 1 keine Beeinträchtigung der nationalen Besteuerungsrechte zur Folge hat. Vor dem Hintergrund, dass es den Vertragsstaaten jedoch freisteht, die Geltung des gesamten Art 11 zugunsten einer spezielleren Lösung abzubedingen, eröffnet Art 3 Abs 3 die Aufnahme einer „saving clause“, welche konkret auf die Fallkonstellationen des Art 3 Abs 1 zugeschnitten ist. Diese Sichtweise steht im Einklang mit Tz 6.1 MK zu Art 1.[60]
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Beispiel:[61]
Die Anteile an einer US-amerikanischen LLC, welche aus dt steuerlicher Sicht als transparent und für US-steuerliche Zwecke als intransparent einzustufen ist, werden von zwei dt Gesellschaftern gehalten. Bezieht die LLC Dividendeneinkünfte von einer US-amerikanischen Corp., so gelten diese Einkünfte abkommensrechtlich als von in Deutschland ansässigen Personen bezogen. Vor dem Hintergrund, dass die LLC für US-steuerliche Zwecke hingegen als eigenständiges Besteuerungssubjekt qualifiziert, rechnet die USA die Dividendeneinkünfte nicht den dt Gesellschaftern, sondern der LLC selbst zu und besteuert diese entsprechend. Aus US-steuerlicher Sicht handelt es sich somit um einen rein nationalen Sachverhalt. Soweit im konkreten Fall beim inländischen Gesellschafter keine Freistellung der Einkünfte nach dem Methodenartikel in Betracht kommt, hat Deutschland die auf Ebene der LLC erhobene US-Körperschaftsteuer gem § 34c Abs 1, 2 iVm Abs 6 EStG auf die dt Steuer anzurechnen bzw einen Steuerabzug vorzunehmen. Eine Steuerermäßigung hinsichtlich etwaiger auf eine spätere Ausschüttung erhobener Quellensteuern kommt hingegen nicht in Betracht, da aus dt Sicht die Ausschüttungen als steuerlich nicht relevante Entnahmen nicht der Besteuerung unterliegen.[62]
4. Abs 4
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Wie eingangs festgestellt wurde,[63] existieren in der gegenwärtigen Praxis bereits vereinzelt Vorschriften zur abkommensrechtlichen Einordnung transparenter Rechtsträger. In Form von Art 3 Abs 4 wurde mithin eine Vereinbarkeitsregelung geschaffen, welche das Verhältnis zwischen Art 3 Abs 1 und etwaigen bereits bestehenden Abkommensbestimmungen mit ähnlicher Stoßrichtung regeln.[64]
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In diesem Sinne ordnet Art 3 Abs 4 einen uneingeschränkten Anwendungsvorrang zugunsten von Art 3 Abs 1 (ggf modifiziert durch Art 3 Abs 3) an, indem klargestellt wird, dass die Bestimmungen des MLI „anstelle oder in Ermangelung“ bereits bestehender abkommensrechtlicher Regelungen gelten. Unerheblich ist die konkrete Ausgestaltung der abkommensrechtlichen Vorschrift, dh es werden sowohl allgemeine Klauseln verdrängt, als auch solche, die auf ganz spezielle Rechtsträger bzw Sachverhaltskonstellationen zugeschnitten sind.[65] Für den Fall, dass ein bestimmtes Abkommen keine dem Art 3 Abs 1 entsprechende Vorschrift enthält, besteht insoweit keine Kollision und das betreffende Abkommen wird um Vorschrift des Art 3 Abs 1 entsprechend ergänzt.
5. Abs 5
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Art 3 Abs 5 räumt den unterzeichnenden Vertragsstaaten als Vorbehaltsnorm größtmögliche Flexibilität ein. Bei Art 3 handelt es sich demnach nicht um einen BEPS-Mindeststandard, zumal es den Vertragsparteien freisteht, die Geltung des gesamten Art 3 im Wege des Opting-out auszuschließen (Art 3 Abs 5 Buchst a).[66]
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Darüber hinaus hält Art 3 Abs 5 eine Vielzahl weiterer möglicher Optionen bereit. Im Einzelfall kann eine Vertragspartei
– | den Vorbehalt auf solche Konstellationen beschränken, in denen existierende DBA bereits Bestimmungen iSd Art 3 Abs 4 enthalten, Art 3 Abs 4 Buchst b würde in diesem Fall einen Anwendungsvorrang zugunsten der bestehenden Bestimmung aussprechen; |
– | einen Vorbehalt zugunsten bereits existierender Bestimmungen iSd Art 3 Abs 4 aussprechen, welche die Abkommensvergünstigungen im Falle des Einkünftebezugs über Rechtsträger oder Gebilde versagt, die in Drittstaaten errichtet wurden (Art 3 Abs 4 Buchst c); |
– | den Vorbehalt im Sinne eines lex specialis auf solche Konstellationen beschränken, in denen existierende Abkommensbestimmungen iSd Art 3 Abs 4 die Behandlung konkreter Sachverhalte sowie Arten von Rechtsträgern oder Gebilden bereits ausführlich regeln (Art 3 Abs 4 Buchst d), ggf mit der weiteren Einschränkung, dass die betreffenden Rechtsträger oder Gebilde in Drittstaaten errichtet wurden (Art 3 Abs 4 Buchst e); |
– | im Wege des Opting-out lediglich die Geltung von Art 3 Abs 2 suspendieren (Art 3 Abs 4 Buchst f) oder |
– | gem Art 3 Abs 4 Buchst g einen Anwendungsvorrang zugunsten Art 3 Abs 1 in solchen Konstellationen aussprechen, in denen bereits eine Bestimmung iSd Art 3 Abs 4 existiert, welche sich ausführlich mit der Behandlung konkreter Sacherhalte sowie Arten von Rechtsträgern und Gebilden auseinandersetzt. |
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In sämtlichen der vorgenannten Konstellationen ist beachten, dass die Vorbehalte lediglich insoweit Wirkung entfalten und Eingang in das betreffende DBA finden, als zwischen den Vertragsparteien Deckungsgleichheit hinsichtlich der Wahl der Vorbehalte besteht.[67]
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