239
Bei einzelnen isolierten Speichermedien wie USB-Sticks und Memory-Cards kann auch die körperliche Sicherstellung in Betracht kommen, weil dies für den Beschuldigten regelmäßig keine so einschneidenden Folgen hat.
bb) Zugriff auf räumlich getrennte Speichermedien
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Den Besonderheiten der modernen Netzwerke trägt mittlerweile § 110 Abs. 3 StPO Rechnung, der auch den Zugriff auf räumlich getrennte Speichermedien erlaubt, die sich nicht im Durchsuchungsort befinden, für den der Durchsuchungsbeschluss gilt. Damit sind Daten im WLAN oder auch in der sog. Cloud umfasst, wenn auf diese Daten vom Durchsuchungsort aus zugegriffen werden kann. Immer wieder wird problematisiert, ob dadurch nicht ein Verstoß gegen den Territorialitätsgrundsatz vorliegt, denn möglicherweise verstoßen deutsche Ermittler durch ihren Datenzugriff gegen die Souveränität des Staates, in dem die Server tatsächlich stehen. Das ist aber regelmäßig nicht einmal dem Inhaber der Daten bekannt. Wer weiß schon, wo die Cloud liegt? Viel wahrscheinlich ist, dass Daten überhaupt keinen festen Ort haben. Sie sind ihrer Natur nach schon anders zu bewerten als Gegenstände, Räume oder Gebäude, die Gegenstand von Durchsuchungsbeschlüssen sind. Ohne einen „Ort der Daten“ kann auch nicht gegen staatliche Souveränitätsrechte verstoßen werden. Der Problembereich harrt noch der gerichtlichen und vielleicht völkerrechtlichen Klärung.
cc) Beweise aus der elektronischen Kommunikation
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Eine besondere Herausforderung für die IT – Prüfung ist die elektronische Kommunikation durch Mails oder etwa auch Skype, weil hier der besondere Grundrechtsschutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) zu beachten ist, der auch für E-Mails gilt.[96] Fraglich war aber, ob für die Sicherstellung des E-Mail-Verkehrs die strengen Anforderungen der §§ 100a StPO Gültigkeit haben. Das hat das BVerfG mit Beschluss vom 31.3.2009[97] abgelehnt, weil der Schutzzweck des Art. 10 GG nicht der rein technischen Begriffsbestimmung des TKKG folgen müsse. Nach Auffassung des BVerfG genügen die strafprozessualen Regeln in §§ 94, 98 StPO den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Ermächtigung zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis. Ausdrücklich nimmt es das BVerfG in Kauf, dass die vorläufige Sicherstellung größerer Teile oder des gesamten Bestandes an E-Mails zulässig sein muss, weil eine sorgfältige Sichtung und Trennung der Mails nach Verfahrensrelevanz am Durchsuchungsort nicht immer möglich sei. Es müsse sich dann – wie bei Papierunterlagen auch – eine Sichtung nach § 110 StPO zur Feststellung der verfahrensrelevanten Beweismittel anschließen.
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Es sind drei Fallkonstellationen zu unterscheiden:
a) | Der Mailverkehr ist auf dem Rechner des Beschuldigten vor Ort gespeichert: Die Daten können vor Ort gesichert werden, wenn sie im Beschluss enthalten sind. Darunter fällt auch der Fall, dass der Beschuldigte mit der Herausgabe seiner Mails einverstanden ist, etwa indem er dem Ermittler das Zugangs-Passwort zu seinem Mailprogramm gibt. |
b) | Die Mails sind auf einem Server des Providers gespeichert: es ist ein Beschluss nach § 103 StPO gegen den Provider zu erwirken auf Herausgabe des dort gespeicherten Mailverkehrs. |
c) | Der Server des Providers steht im Ausland: Der Beschluss gegen den Provider muss im Wege eines internationalen Rechtshilfeverfahrens vollstreckt werden. Damit die elektronischen Beweismittel in der Zwischenzeit nicht verschwinden, sieht die Cyber Crime Convention[98] ein vorläufiges (schnelles) Sicherstellungsverfahren vor, dem das „papierne“ Rechtshilfeersuchen folgt. Der Cyber Crime Convention sind mittlerweile 45 Staaten beigetreten, darunter viele EU–Mitgliedsstaaten, die Schweiz, Japan, Kanada, Südafrika und die USA. |
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Wie Mails wird die schriftliche Skype–Kommunikation (Skype SMS) gesichert, die sich auf dem Rechner des Beschuldigten befindet. Der gesprochene Verkehr über Skype bedarf zu seiner Sicherung eines Beschlusses nach § 100a StPO und ist zudem technisch nur schwierig abzuhören.
d) Risiko von Untersuchungshaft
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In größeren Steuerstrafverfahren besteht durchaus das Risiko einer Untersuchungshaft, die durch das Gericht in den Fällen mit dringendem Tatverdacht und zusätzlicher Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angeordnet werden kann, § 112 StPO.
245
– | Dringender Tatverdacht liegt vor bei einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat und dass alle Voraussetzungen einer Verurteilung vorliegen, insbesondere verwertbare Beweise gesichert werden können oder konnten, keine Verjährung droht etc. |
246
– | Verdunkelungsgefahr ist zu befürchten, wenn der Beschuldigte Einfluss auf die Zeugen nimmt (z.B. als Chef, als wichtiger Abnehmer) und versucht deren Aussagen zu beeinflussen. Werden den Behörden solche Kontakte bekannt, kann es gefährlich werden, insbesondere, wenn etwa auch solcherart beeinflusste Zeugen beginnen ihre Aussagen zu widerrufen. |
247
– | Fluchtgefahr wird einerseits durch die Prognose geprägt, wie belastend eine mögliche Bestrafung auf den Beschuldigten wirken kann (insbesondere drohende Freiheitsstrafe ohne Bewährung) und andererseits wie stark er im Inland verwurzelt ist (z.B. Lebensmittelpunkt, Familie, Stärke des sozialen Umfeldes) und ob er bereit ist, das alles aufzugeben. Die Prognose geht oft genug schief und dann ist der Beschuldigte weg. |
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Nicht zu verkennen ist, dass bei Ausländern die Prognose einer Fluchtgefahr leichter fällt als bei Inländern. Dies ist aber im Zeitalter der Globalisierung nicht zwingend. Ausländische Geschäfts- und Privatadressen, vielfältige Geschäftskontakte im Ausland und die Möglichkeit, sein Geschäft von jedem Ort der Welt betreiben zu können kann auch für deutsche Staatsbürger zu einer Fluchtprognose führen.
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Gleichwohl ist selbst bei größeren Steuerfahndungsfällen der Haftbefehl die Ausnahme, weil den Steuerfahndern gerade bei größeren Verfahren der Preis zu hoch ist. Der Haftbefehl wird erkauft durch einen enormen Zeitdruck, unter dem das Verfahren ab dann zu führen ist. Spätestens nach sechs Monaten muss die erste Haftprüfung stattfinden (§ 121 StPO). Der Haftbefehl darf nur aufrecht erhalten werden bei besonderen Schwierigkeiten oder besonderem Umfang der Ermittlungen, wie sie allerdings in Steuerstrafverfahren üblich sind. Dauert die Untersuchungshaft ein Jahr an, ohne dass Anklage erhoben wurde, wird es für die Ermittlungsbehörde endgültig eng durch die weitere besondere Haftprüfung seitens des OLG, §§ 122 StPO. Diese gesetzlichen Fristen tragen der besonderen Schwere des Grundrechtseingriffs Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft Rechnung. Wer aber die Dauer von größeren Steuerstrafverfahren kennt, bei denen sich die Ermittlungen schon einmal über zwei und mehr Jahre hinziehen, um den Prozessstoff wenigstens einigermaßen bewältigen zu können, weiß, in welche zeitliche