Die vorgenannten Überlegungen sind nachfolgend in einem Schaubild zusammengefasst, wobei die Phasen nicht zwingend in einer chronologischen Reihenfolge zu sehen sind, insbesondere weil Rückkopplungseffekte nicht ausgeschlossen werden können. Wenn z.B. ein „E-Mail Review“ im Rahmen einer Tax Investigation bisher nicht bekannte Fraud-Schemata zu Tage fördert, können der Gegenstand der Investigation und damit der Untersuchungsplan sich verändern und neue Untersuchungshandlungen nach sich ziehen.
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Wenngleich die dargestellten Phasen bzw. Einzelmaßnahmen in ihrer Bedeutsamkeit keine Unterschiede aufweisen, soll im Folgenden ein klarer Fokus auf „Phase 3 – Durchführung“ gelegt werden. Grund hierfür ist, dass diese Durchführungsmaßnahmen regelmäßig Bestandteil einer Tax Investigation sind und insbesondere hier jeweils ein systematischer Untersuchungsansatz erforderlich ist, damit das Gesamtergebnis der Investigation nachvollziehbar und im Zweifel auch gerichtsverwertbar ist. Dargestellt werden insofern die konkreten Untersuchungshandlungen Hintergrundrecherchen, Prozessanalysen, Datenanalysen, Interviews, die Sichtung kritischer Dokumente und computerforensische Auswertungen.
Abb. 2:
Übersicht „Phasen einer Tax Investigation“
2. Hintergrundrecherchen
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Im Rahmen einer Tax Investigation ist es in nahezu allen Fällen relevant, intensive Kenntnisse aus öffentlich verfügbaren Quellen über Geschäftspartner im In- und/oder Ausland zu erlangen. In dem vorgenannten Fall wäre es bspw. sehr hilfreich, detaillierte Kenntnisse über die Lautlos GmbH zu erhalten, z.B. über
– | das Gründungsjahr, |
– | den Gegenstand der Geschäftstätigkeit, |
– | die Gesellschafter, |
– | die Geschäftsführer, |
– | das Eigenkapital, |
– | den Jahresumsatz, |
– | die Bonität, |
– | die Anzahl der Mitarbeiter, |
– | die Reputation usw. |
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Bezugnehmend auf den unter Rn. 36 ff. dargestellten Fall kann dies bedeuten, dass es ebenso zielführend sein kann, Informationen über den Gesellschafter Gustav Gierig einzuholen. Hier ist die Frage von Interesse, ob Gustav Gierig
– | noch Gesellschafter weiterer Unternehmen ist, die dann ebenfalls Lieferanten der Sorglos GmbH sind, |
– | in einem Naheverhältnis zu Erwin Eifrig steht (z.B. über ein nicht offenkundiges Verwandtschaftsverhältnis oder gemeinsame Aktivitäten) bzw. |
– | über eine zweifelhafte Reputation verfügt usw. |
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Recherchen zu natürlichen und juristischen Personen können über Handelsregister, Pressearchive, Gerichtsdatenbanken, Wirtschaftsauskunfteien und viele andere Quellen durchgeführt werden. Eine ausschließliche Recherche im „Surface Web“, also dem allgemein zugänglichen Teil des Internets, greift oft zu kurz und führt nicht immer zu vollständigen, richtigen und aktuellen Informationen. Gleichwohl kann eine erste Internetrecherche hilfreiche Anhaltspunkte bieten.
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Tiefergehende bzw. weiterführende Informationen erlangt man häufig jedoch erst über spezialisierte Datenbanken und Auskunfteien, die häufig kostenpflichtig sind und deren Bedienung komplexer ist als eine gewöhnliche Suche in einer der hinlänglich bekannten Online-Suchmaschinen.
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Letztlich ist die Methode, mit der die gewonnenen Erkenntnisse konsolidiert und bewertet werden, ausschlaggebend für die Qualität des Ergebnisses.
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Ein solcher Rechercheprozess kann wie folgt grafisch dargestellt werden. Wie auch der Tax Investigation Prozess selbst, sind die abgebildeten Schritte nicht als starre Abfolge einzelner Phasen, sondern vielmehr als iterativer Prozess zu verstehen.
Abb. 3:
Übersicht „Rechercheprozess einer Tax Investigation“
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Bei sehr komplexen Strukturen des oder der Untersuchungsobjekte bietet sich häufig eine visuelle Darstellung der Ergebnisse an. IT-Anwendungen, wie z.B. IBMs i2, werden von staatlichen Ermittlungsstellen wie auch privaten Unternehmen und Dienstleistern auf dem Gebiet der forensischen Sonderuntersuchungen gleichermaßen genutzt. Nachfolgend ist beispielhaft eine solche Visualisierung dargestellt:
Abb. 4:
„i2-Chart-Beispiel“
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Eine Herausforderung kann die Hintergrundrecherche im Ausland darstellen. Es kommen erschwerende Faktoren, wie z.B. Sprache, Kultur und praktische Zugangsmöglichkeiten hinzu. Hier ist es häufig unerlässlich auf lokale Expertise zurückzugreifen, wenn Unterlagen nur in lokaler Sprache vorliegen oder für den Auszug aus dem Handelsregister ein persönliches Vorstellen bei einem kommunalen Gericht erforderlich ist.
3. Prozessanalysen
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Zur Ermittlung steuerlicher Delikte ist es oftmals zielführend sich den unternehmensinternen Sollprozess ausgewählter Transaktionen genau anzuschauen, um Abweichungen vom Sollprozess bei der Durchführung kritischer Transaktionen zu erkennen.
Zurückkommend auf das Beispiel unter Rn. 36 ff. ist es möglich, dass die Zahlungen an die Lautlos GmbH nicht das klassische Genehmigungsverfahren durchlaufen haben, sondern bestimmte Teile des Zahlungsfreigabeprozesses umgangen wurden. Ist organisatorisch geregelt, dass vor der Freigabe einer Eingangsrechnung die dieser zugrundeliegenden Leistungsnachweise durch eine zweite Person kontrolliert und abgezeichnet werden müssen, kann das Fehlen einer sollen Kontrolltätigkeit Hinweise auf Unregelmäßigkeiten geben. Werden die Freigaben im Unternehmen beispielsweise durch eine IT-Anwendung dokumentiert, kann im Rahmen einer IT-gestützten Prozessanalyse untersucht werden, ob die notwendigen Freigaben tatsächlich für alle Rechnungen vorliegen. Abweichungen