Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 7. Kapitel Tax Investigation › A. Begriff der Tax Investigation im Sinne einer internen Ermittlung
A. Begriff der Tax Investigation im Sinne einer internen Ermittlung
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Der Gegenstand einer Tax Investigation bzw. „Tax Fraud Examination“ ist grundsätzlich die Sachverhaltsklärung eines möglichen Verstoßes gegen steuerliche Regeln (auch intern gesetzte steuerliche Richtlinien bzw. Standards) im Rahmen einer anlassbezogenen unternehmensinternen Ermittlung.[1] Sie dient damit den unternehmenseigenen Interessen und ist von einer behördlichen Ermittlung abzugrenzen.
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Der Begriff „Fraud Examination“ wird durch die ACFE[2] als ein Prozess zur Klärung von Fraud-Verdachtsmomenten, der alle Prozessstufen umfasst, definiert. Dieser Prozess umfasst unterschiedliche Aufgaben, darunter etwa:
– | Beweiserlangung, |
– | Berichterstattung (Reporting), |
– | Bezeugung von Ergebnissen, z.B. vor Gericht (abhängig von der Jurisdiktion), |
– | Unterstützung bei der Aufdeckung und Vorbeugung von „Fraud“.[3] |
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Im internationalen Kontext wird Tax Fraud als eine vorsätzliche Handlung verstanden, bei der ein Steuerpflichtiger die geschuldete Steuer nicht oder nicht vollständig entrichtet. Eine besondere Unterform des Tax Fraud stellt in der Systematik des ACFE die Steuerhinterziehung dar, die damit klar von einer legalen Steuervermeidung abgegrenzt wird. Dies entspricht im Wesentlichen dem Verständnis einer Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung i.S.d. § 378 AO, auch wenn es nach deutschem Verständnis kein Betrugsdelikt i.S.d. § 263 StGB darstellt.[4]
Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 7. Kapitel Tax Investigation › B. Gründe für die Durchführung einer Tax Investigation
B. Gründe für die Durchführung einer Tax Investigation
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Der Auslöser für eine Tax Investigation wird regelmäßig ein Hinweis auf ein Handeln bzw. Unterlassen sein, der den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen könnte. Der Hinweis auf dessen Grundlage ein Unternehmensorgan eine Sachverhaltsklärung anweist, kann dabei sowohl interner wie externer Natur sein.
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Als interner Auslöser bezeichnet man Hinweise, die durch unternehmenseigene Kanäle erfolgen, wie bspw. eine Whistleblowing Hotline für Mitarbeiter oder die Interne Revision. Externe Auslöser sind i.d.R. Hinweise von staatlichen Stellen oder der Öffentlichkeit, auf (potentielle) Regelverstöße durch das Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter oder Organe.
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Das Ergebnis einer jeden Investigation besteht immer in der objektiven Sachverhaltsdarstellung.[5] Die aus der Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse können anschließend zum Erreichen unterschiedlicher Ziele genutzt werden.
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Da insbesondere die Unternehmensorgane die Pflicht trifft, substantiierten Hinweisen auf Regelverstöße nachzugehen bzw. eine Untersuchung und Aufklärung zu veranlassen,[6] werden regelmäßig haftungsrelevante Erwägungen im Vordergrund stehen. Insofern ist es durchaus empfehlenswert auch parallel zu einer behördlichen Ermittlung eine (unternehmensinterne) Investigation zu beauftragen, um eine bestmögliche Grundlage für eine (straf-) rechtliche Verteidigung zu schaffen[7] und/oder die Kooperation mit den Behörden zu intensivieren. Denn oft sind die kritischen Sachverhalte, mit denen das Unternehmen konfrontiert wird, nicht vollständig ausermittelt oder ermöglichen dem (steuer-) rechtlichen Berater nicht, eine klare Strategie festzulegen. So kann unklar sein, ob alle kritischen Sachverhalte und das steuerliche Ausmaß bekannt sind, wer für die Delikte verantwortlich ist, wer informiert war und welcher Zeitraum betroffen ist. Verdachtsmomente, die im Zusammenhang mit potentiellen steuerlichen Straftaten stehen, können aber auch im Rahmen von Betriebsprüfungen bekannt werden. Außerdem ist es möglich, dass Hinweisgeber sich nicht an das Unternehmen, sondern an die Finanzbehörden oder andere öffentliche Einrichtungen wenden und diese daraufhin ermitteln. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, dass die mit der Investigation beauftragte Person das Ziel der Untersuchung und die Anforderungen an diese mit dem mandatierten Steuerberater und/oder Rechtsanwalt abstimmt.
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Auch besteht die Möglichkeit im Rahmen einer Kooperation mit den Behörden Ergebnisse der Tax Investigation zur Verfügung zu stellen, sofern die Prämissen und Vorgehensweisen nachvollziehbar und gerichtsverwertbar sind und dadurch die Ermittlungen der Behörden ergänzen oder ersetzen können.
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Nichtsdestotrotz dient eine Tax Investigation auch dem Reputationsschutz indem gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden kann, dass ein (potentielles) Fehlverhalten abgestellt und aufgearbeitet wird. Durch das Schließen der Kontrolllücken, die einen gegebenen Regelverstoß ermöglichten, wird das Unternehmen vor weiteren (finanziellen) Schäden bewahrt (Remediationsphase). Gleichwohl können anhand der dokumentierten Untersuchungsergebnisse u.U. auch Schadenersatzansprüche gegenüber dem Täter oder Ansprüche gegenüber Versicherungen geltend gemacht werden und somit zusätzlich zum Ziel des Vermögensschutzes beitragen.
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Substantiierten Hinweisen im Rahmen einer Investigation nachzugehen, ist darüber hinaus die logische Schlussfolgerung eines wirksamen Compliance Management Systems und trägt somit erheblich zur Stärkung der Unternehmenskultur bei, sofern die interne Ermittlungen begründet und objektiv durchgeführt wird.
I. Tax Investigation als Grundlage für eine Selbstanzeige
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Wird im Rahmen einer Tax Investigation festgestellt, dass sich ein Verdacht erhärtet hat, besteht die Möglichkeit einer Selbstanzeige bei der zuständigen Finanzbehörde auf Basis des ermittelten Sachverhalts. Die drohenden Konsequenzen können das Unternehmen oder die handelnden Personen treffen.[8]
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Gem. § 371 AO bleibt straffrei, wer gegenüber der Finanzbehörde in vollem Umfang die unrichtigen Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart – mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre – anzeigt und die unvollständigen Angaben vollständig ergänzt oder die unterlassenen Angaben vollständig