Die Regelung wird durch Rule 26 Abs. 3 für die Kammern und Rule 24 Abs. 4 für die Große Kammer dahingehend präzisiert, dass ausscheidende Richter weiter tätig bleiben, wenn sie an der Prüfung der Begründetheit der Beschwerde teilgenommen haben.
Der Präsident des Gerichtshofs kann die Zusammensetzung der Sektionen nur ausnahmsweise ändern (Rule 25 Abs. 4). Auf seinen Vorschlag kann das Plenum eine zusätzliche Sektion bilden (Rule 25 Abs. 5).
Für die Ausschüsse und den Einzelrichter gilt diese Regelung entsprechend (Rule 28 Abs. 5).
Schmaltz DRiZ 2010, 120.
IK-EMRK/Keller/Schmidtmadel Art. 24, 5.
Im Falle einer offensichtlich unzulässigen Beschwerde kann dies auch ein nichtrichterlicher Berichterstatter sein, siehe dazu Rn. 305.
Wittinger NJW 2001, 1238, 1240; Schmaltz DRiZ 2010, 120 f.; IK-EMRK/Keller/Schmidtmadel Art. 24, 1, 5.
IK-EMRK/Keller/Schmidtmadel Art. 24, 6.
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › B. Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde
B. Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde
66
Zugang zum EGMR erhalten Verteidiger und Mandant über die sog. Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK). Sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen prüft der EGMR von Amts wegen.[1]
67
Einwendungen gegen einzelne Zulässigkeitsvoraussetzungen muss der Vertragsstaat, gegen den sich die Beschwerde richtet, in seinen schriftlichen oder mündlichen Erklärungen zur Zulässigkeit der Beschwerde erheben (Rule 55). Nach diesem Zeitpunkt sind solche Einwendungen präkludiert, es sei denn, dass besondere Gründe (particular reasons)[2] für ihr verspätetes Vorbringen vorliegen (z.B. Eintritt neuer Tatsachen) und diese vom betroffenen Vertragsstaat unverzüglich (without delay) nach ihrem Entstehen vorgebracht werden.[3]
68
Der Gerichtshof selbst kann aber ohnehin jederzeit (on its own motion) eine Zulässigkeitsfrage (erneut) überprüfen, unabhängig davon, ob eine entsprechende Einwendung von dem betroffenen Vertragsstaat überhaupt oder verspätet erhoben wird.[4]
69
Dies gilt insbesondere für Umstände, die die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Frage stellen. Da die Konvention selbst den Umfang der Zuständigkeit des EGMR festlegt und nicht die Parteien mit ihrem Vortrag im jeweiligen konkreten Fall, kann eine nicht erhobene Einwendung der Unvereinbarkeit der Beschwerde allein die Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht begründen.[5]
70
Selbst frühere abweichende, bereits getroffene Entscheidungen über die Zulässigkeit einer Beschwerde stehen einer erneuten Überprüfung nicht entgegen.[6] Es gibt diesbezüglich – auch in Hinblick auf die Entstehung weiterer Verfahrenskosten (Anwaltsgebühren) – für den Beschwerdeführer keinerlei Vertrauensschutz.
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › B. Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde › I. Zuständigkeit des EGMR
I. Zuständigkeit des EGMR
71
Art. 35 Abs. 3 EMRK umschreibt – in Verbindung mit Art. 1 EMRK – die Zuständigkeit des Gerichtshofs. Eine Individualbeschwerde ist unzulässig, wenn sie mit der Konvention unvereinbar ist. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich eine Beschränkung der Zuständigkeit des Gerichtshofs sowohl in zeitlicher und örtlicher Hinsicht als auch in Hinblick auf die streitenden Parteien.
1. Sachliche Anwendbarkeit der EMRK (ratione materiae)
72
Bei der Zuständigkeit ratione materiae wird überprüft, ob das vom Bf geltend gemachte Recht im konkreten Einzelfall von der Konvention gewährleistet wird. Über dieses Zulässigkeitskriterium filtert der Gerichtshof solche Beschwerden heraus, deren Gegenstand ganz offensichtlich nicht in den sachlichen Schutzbereich einer Vorschrift der EMRK fällt.[7] Daneben werden auch spezielle Fragestellungen zum Schutzgehalt der EMRK geklärt.
73
Prüfungsmaßstab vor dem EGMR sind allein die Garantien der EMRK. Die Einhaltung anderer menschenrechtlicher Garantien, der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts oder gar die abstrakte Vereinbarkeit einer nationalen Rechtslage mit den Vorgaben der EMRK kann der EGMR nicht überprüfen. Ebenso kann der Gerichtshof von Einzelpersonen nicht zur Klärung abstrakter Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung der Konvention angerufen werden (Rn. 21).
74
Hat der Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet, ein Zusatzprotokoll nicht ratifiziert, so sind Beschwerden hinsichtlich der Verletzung der Rechte des Zusatzprotokolls unzulässig (Art. 35 Abs. 3 lit. a, Abs. 4 EMRK).[8] Hat der Staat anlässlich der Ratifizierung der EMRK oder eines Zusatzprotokolls einen materiellen Vorbehalt (reservation) hinsichtlich einzelner Garantien erklärt (Art. 57 EMRK), so kann der EGMR den jeweiligen Fall bzw. die durch ihn aufgeworfene menschenrechtliche Fragestellung nicht vor diesem Hintergrund prüfen.[9]
75
Den hinsichtlich Art. 7 Abs. 2 EMRK (Interpretation in den Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG) erklärten Vorbehalt hat Deutschland am 5.10.2001 zurückgenommen.[10]
2. Persönliche Unvereinbarkeit mit der EMRK (ratione personae)
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Eine Unvereinbarkeit ratione personae liegt vor, wenn dem Bf. die Opfereigenschaft fehlt oder er nicht aktiv legitimiert (zur Parteifähigkeit des Bf. ab Rn. 101) oder der Beschwerdegegner nicht passiv legitimiert ist.[11]
77
Tauglicher