Schneesturm im Hochsommer. Meinrad Inglin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Meinrad Inglin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038552369
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hätte sie ihn ja niemals zum Besuche ermuntert, und sie werde ernsthaft darüber nachdenken. Da fuhr drüben mit dem unheimlichen Fauchen, das sie kannte, die Lawine den Berg hinunter. Sie rannten zur Brücke hinab, und als sie den Knecht nicht fanden, packte die Frau den Soldaten mit beiden Händen an den Schultern und sagte erschüttert, mit Sätzen, die er nur allmählich in ihrem Zusammenhang verstand, dass sie nicht wisse, ob dies ein Fluch oder ein Segen sei. Sie habe gewünscht, ihren ersten Mann loszuwerden, und die Lawine habe ihn weggenommen. Dann habe sie gewünscht, diesen beschwerlichen Knecht loszuwerden, und auch ihn habe die Lawine genommen, im gleichen Soldatenkleid, mit dem gleichen Gewehr und Helm wie ihren Mann, als ob sie das erste Unglück hätte wiederho­len und bekräftigen wollen.

      «Dafür hat sie mich verschont», antwortete Schelbert, als er es begriff. «Auch ich hätte hier das Leben verlieren können; stattdessen ist mir, als ob ich es bei dir erst recht gewonnen hätte. Für mich hat es nun dieser arme Mensch verloren, und er hat es in der gleichen Uniform verloren wie der Mann, der nicht zu dir passte; dies alles sollte nicht umsonst geschehen sein, auch wenn der unglückliche Knecht dadurch von seinem elenden Dasein erlöst worden ist. Ich kann es nur so an­­sehen, und wenn du es auch so ansiehst, ist es für uns beide ein Segen.»

      Da kamen sie überein, das Ereignis als ein ungeheures Zeichen anzusehen, das sie beide für immer aufeinander an­weise, und sie versprachen sich noch auf der Brücke feierlich, Mann und Frau zu werden. Darauf stieg der Mann in die Schlucht hinab, um den Verunglückten zu suchen, und die Frau rief ihm nach, dass sie daheim auf ihn warte.

      Er hätte es leicht gehabt, vor seinem Leutnant den wunderbar Geretteten zu spielen, sein schweres Wachtvergehen zu verheimlichen und vielleicht später bei der Schneeschmelze den Verunglückten zu suchen und beiseitezuschaffen, aber nach dem, was auf der Brücke geschehen war, konnte er zuerst nur schweigen. Als er dann wieder bei der Frau eintraf, um Gewehr und Helm zu holen, sagte er zu ihr: «Ich habe mich als Schildwache schwer vergangen, schwerer, als du begreifen kannst, und ich bin immer noch ein Soldat. Meinst du nicht, dass da etwas Dreckiges an mir hängen bliebe, auch wenn alles andere so kommen musste, wie es kam?»

      «Doch!», antwortete sie rasch. «Du musst es bekennen und die Strafe annehmen. Es ist für uns ja auch dann noch kein ganz sauberer Anfang, weil wir doch daran schuld sind, dass der Seppetoni um sein armes Leben gekommen ist. Ich will eine heilige Messe für ihn stiften, und bei der Brücke sollte auch er ein Kreuz haben. Bekenne du nur, wir wollen das nicht auch noch mittragen!»

      «Das freut mich», sagte er. «Ich habe es schon gestanden, ich werde vor Divisionsgericht kommen und viele Monate absitzen müssen, aber dann bin ich es los.»

      Sie erschrak über eine so schwere Strafe, aber sie musste ihm recht geben und versprach, getreulich auf ihn zu warten. –

      Dies alles erfuhr der Verteidiger auf eine etwas umständli­chere, sprödere Art am Vorabend der Verhandlungen; er stellte es in seiner Verteidigungsrede schonend, aber eindringlich so dar und rückte damit den schwierigen Fall erst in jenes rechte Licht, das ihn über das starre Gesetz hinaus dem lebendigen menschlichen Urteil unterbreitete. Das Gericht tönte in seinem Wahrspruch denn auch an, eine so außerordentliche Verknüpfung von Zufällen, die zu einer so entschiedenen inneren Wandlung des Fehlbaren und am Ende noch zu einem so erfreulichen Ergebnis führe, könne man fast nur noch Schicksal nennen. Es verurteilte den Angeklagten zu sechs Monaten Gefängnis, jedoch bedingt, zu einer Strafe also, die ihn wohl noch bedrohen und an sein Vergehen erin­nern, aber nicht mehr erreichen konnte, da er selber keinen Augenblick an seiner künftigen Bewährung zweifelte. Sein Leutnant beglückwünschte ihn dazu und meinte, es sei märchenhaft, wie sich ihm alles zum Guten gewendet habe. Schel­bert erwiderte ernsthaft: «Es hat so kommen müssen.»

      Als der sehr nüchtern denkende Hauptmann die Begründung des Urteils gelesen hatte, sagte er lachend zu seinem Leutnant: «Der Aufwand, den das Schicksal da getrieben hat, um aus zwei einfachen Menschen ein Paar zu machen, scheint mir denn doch etwas reichlich.»

      «Zugegeben!», erwiderte der Leutnant. «Aber ein Mensch wie dieser Schelbert ist mir auch noch nie vorgekommen. Er kann über Abgründen herumklettern, er fällt nicht herunter, er kann im Tunnel einem abspringenden Bremsklotz ausge­setzt sein, er wird nicht getroffen, er kann in diesem Tunnel vor dem Zug herrennen, er wird nicht überfahren, er kann als Schildwache auf einen Posten gestellt werden, wo eine Lawine alles hinwegfegt, er gerät nicht in die Lawine, er kann sich eines schweren Vergehens schuldig machen, er muß die Strafe nicht antreten. Es ist ihm bestimmt, eine junge Bäuerin zu heiraten, und da kann er das Verkehrteste, Verbotenste tun, er tut dennoch immer das Richtige und wird auf diesem scheinbar verrückten Umweg auf die unglaublichste Art geradenwegs ans Ziel geführt. Und zuletzt behauptet er noch, dass alles so habe kommen müssen! Wenn das nicht mehr ist als Glück, dann weiß ich nicht, was man Schicksal nennen sollte.»

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