PLATON - Gesammelte Werke. Platon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Platon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 4066338120939
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Gute will eigentlich dem gültigen in der gesamten Natur diesen Namen geben. Wenn nämlich alle Dinge sich bewegen, so gibt es doch darin Schnelligkeit und Langsamkeit, und es ist nicht alles schnelle und mutige gültig und zu loben, sondern nur einiges davon ist so gültig, und eben dieses gültig mutige heißt das Gute. Die Gerechtigkeit nun ist leicht zu verstehen, daß sie auf die Tunlichkeit des gerechten geht. Das Gerechte selbst aber ist schwer. Denn das sieht man wohl, bis zu einer gewissen Stelle sind die Meisten darüber einig, weiterhin aber ist Streit. Die nämlich welche glauben, daß alles im Gange ist, denken sich das meiste so, daß es eben nichts anderes ist als ein Fortgehn. Durch dieses Alles aber gehe ein anderes hindurch, vermittelst dessen alles werdende werde, und welches also erst das rechte gehende sei. Dieses müsse das schnellste sein und das dünnste. Denn es könnte sonst nicht durch alles gehende hindurch gehen, wenn es nicht das dünnste wäre, so daß nichts es fassen und festhalten kann, und zugleich das schnellste, so daß dieses rechte gehende alles andere behandelt als stehendes. Da es nun durch alles hindurchgehend über alles Aufsicht führt und ihm seine Richtung gibt, so führt es wohlverdient diesen Namen des gehend richtenden, der nur des Wohlklangs wegen in gerecht zusammengezogen worden. Bis hieher nun, wie ich eben sagte, sind die meisten einig über das Gerechte. (413) Und ich, o Hermogenes, der ich besonders lüstern danach bin, habe dies alles erforscht als ein Geheimnis, und daß dieses Gerechte auch das ursächliche ist, denn wodurch etwas wird, das ist die Durchsache oder Ursache; und es sagte mir auch einer ganz heimlich, deswegen hieße es eben mit Recht so. Wenn ich sie aber, nachdem ich dies alles gehört, nichts desto weniger ganz sachte weiter frage, Was, o Bester, ist doch aber nun das Gerechte, wenn dies alles sich so verhält, dann dünkt ihnen schon daß ich weiter frage als sich ziemt, und über die Schranken hinaus springe. Denn sie meinen, ich hätte ja nun schon genug erfahren und gehört vom Gerechten, und wenn sie nun doch versuchen wollen mir satt und genug zu geben, dann spricht jeder etwas anderes und sie stimmen nicht mehr zusammen. Der Eine sagt wohl, das Gerechte sei die Sonne, denn diese gehe durch alles hindurch, Aufsicht führend und allem seine Richtung gebend. Wenn ich denn dies, hocherfreut als hätte ich etwas herrliches gehört, einem andern erzähle: so lacht mich der aus, wenn er es gehört hat, und fragt mich, ob ich denn glaube es sei keine Gerechtigkeit zu finden unter den Menschen nach Sonnenuntergang? Und bin ich dann wieder lüstern danach, was der wohl meint, so sagt er es sei das Feuer, und das ist wahrlich nicht leicht zu verstehen. Ein Anderer sagt wieder, nicht das Feuer selbst, sondern die dem Feuer einwohnende Wärme. Ein Anderer sagt, er lache alle diese aus, und das Gerechte sei, was auch schon Anaxagoras gesagt, die Vernunft. Denn diese sei, sagt er, selbstherrschend, und mit nichts anderm vermischt ordne sie alles, indem sie durch alles hindurchgeht. So komme ich denn in weit größere Verwirrung, Bester, als worin ich war, ehe ich mich bemühte zu erfahren, was das Gerechte wohl wäre. Weshalb wir aber jetzt danach fragten, der Namen, der scheint ihm aus dieser Ursach zuzukommen.

      Hermogenes: Dies hast du offenbar von Jemand gehört, Sokrates, und nicht jetzt aus dem Stegreif vorgebracht.

      Sokrates: Wie aber? Das andere auch?

      Hermogenes: Nein das wohl nicht.

      Sokrates: So höre denn. Vielleicht kann ich dich auch mit dem übrigen noch hintergehen, daß du glaubst, ich hätte es nicht sonst wo gehört. Also was ist uns noch übrig nach der Gerechtigkeit? Die Tapferkeit, glaube ich sind wir noch nicht durchgegangen. Denn die Ungerechtigkeit ist ohne weiteres die Verhinderung des gehend richtenden. Die Tapferkeit aber zeigt, daß sie in Beziehung auf Streit so genannt worden; und Streit gibt es unter den Dingen, wenn sie sich bewegen, keinen andern als die entgegengesetzte Bewegung; und daher zeigt, wenn du nur ein weniges nachgibst, der Namen Tappfertigkeit, weil doch tappen stark entgegentreten heißt, ihr eigentliches Wesen. Offenbar aber ist nicht die einer jeden entgegengesetzte Bewegung Tapferkeit, sondern nur welche der bei dem gerechten vorbeilaufenden sich entgegensetzt, (414) denn sonst könnte ja die Tapferkeit nicht gelobt werden. Eben so bedeuten Mann und mannhaft, woran man doch bei tapfer denken muß, das mächtig angehende. Weib hingegen will wohl offenbar Werden und Leib sagen. Frau aber scheint von frisch und saugen benannt zu sein, frisch aber, o Hermogenes, von frei und rasch, weil das befeuchtete und genährte ja so wird.

      Hermogenes: Das mag wohl sein, Sokrates.

      Sokrates: Und so bildet das frisch und erfrischen selbst das Wachstum der Jugend ab, daß es rasch und eifrig geschieht. Aber du gibst nicht gut Acht auf mich, daß ich aus der Bahn springe, wenn ich auf eine glatte Stelle komme, denn es sind mir noch mehrere von jenen wichtigen Worten übrig.

      Hermogenes: Ganz recht.

      Sokrates: Hievon ist nun eines auch die Kunst, zu wissen was die wohl sagen will.

      Hermogenes: Allerdings.

      Sokrates: Das ist nun wohl der Kunde Sinn, wenn du nur das d wegwirfst, und statt des t das in annimmst.

      Hermogenes: Gar sehr dürftig, Sokrates.

      Sokrates: Aber weißt du denn nicht, du Schwieriger, daß die ursprünglichen Namen schon ganz zusammengeschmolzen worden sind von denen, welche sie prächtig machen wollten, und nun Buchstaben darum hersetzten, und andere herausnahmen des bloßen Wohlklangs wegen, so daß sie auf vielerlei Weise verdreht sind teils der Verschönerung wegen, teils aus Schuld der Zeit. So wie in Spiegel, scheint dir da nicht auch ganz ungereimt das ge hineingesetzt zu sein? Aber dergleichen, denke ich, tun die, welche sich um die Richtigkeit nichts bekümmern, sondern nur der Stimme wohltun wollen, und deshalb oft soviel zu den ersten Namen hinzutun, daß zuletzt kein Mensch mehr verstehen kann, was das Wort sagen will, wie sie auch eine Spange anstatt Spanne Spange nennen und vieles andere.

      Hermogenes: Das ist freilich wohl so, Sokrates.

      Sokrates: Wenn man aber wieder Jeden läßt nach Belieben Buchstaben hineinsetzen in die Worte und herausnehmen, so muß es wohl sehr leicht sein, jeden Namen jeder Sache anzupassen.

      Hermogenes: Da hast du Recht.

      Sokrates: Recht freilich; aber ich denke, du weiser Aufseher mußt eben Acht haben, daß Maß und Billigkeit beobachtet werde.

      Hermogenes: Das wollte ich wohl gern.

      (415) Sokrates: Und ich will es auch mit dir, Hermogenes. Aber nimm es nur nicht gar zu genau, du Wunderlicher, daß du mir nicht entnervest den Mut. Denn ich komme jetzt zum Gipfel alles bisherigen, wenn wir nach der Kunst erst noch das Geschick betrachtet haben. Geschick nämlich scheint mir dasjenige anzudeuten, wodurch man es weit bringt. Daher muß, wenn doch alles in Bewegung ist, aus diesen beiden dem Gehen und dem sich schicken in das Gehen der Namen Geschick zusammengesetzt sein. Doch wie gesagt, wir müssen nun zu dem Gipfel alles dessen, was wir jetzt vorhaben, kommen, indem wir untersuchen, was wohl die Namen der Tugend und der Bosheit sagen wollen. Das eine nun sehe ich noch nicht, das andere scheint mir aber deutlich zu sein; es stimmt wenigstens mit allem bisherigen überein. Wenn nämlich alle Dinge gehen, so muß alles bös hingehende Bosheit sein; am meisten aber muß was in der Seele ein solches bös hingehn zu den Dingen ist den Namen des Ganzen führen und Bosheit sein. Was aber böse gehen heißt, das glaube ich zeigt sich auch an der Feigheit, welche wir nicht mitgenommen, sondern übergangen haben, da wir sie sollten nach der Tapferkeit betrachtet haben; so haben wir wohl auch vieles andere übergangen. Die Feigherzigkeit also deutet darauf, daß sie ein festes Band für die Seele ist; denn das Ziehen ist etwas bindendes, und die Feigherzigkeit ist ein fest sich herziehn der Seele; wie auch die Verlegenheit etwas schlechtes ist, und alles, wie es scheint, was die Bewegung und das Gehen hindert. Jenes böse gehn deutet also auf eine aufgehaltene und gehinderte Bewegung, wodurch die Seele, wenn sie eine solche hat, voll Bosheit wird. Heißt nun aus dieser Ursache die Bosheit so, so muß ja die Tugend das Gegenteil bedeuten, nämlich eine Unbefangenheit zuerst, und dann das der Fluß einer guten Seele immer frei ist, so daß also ein unaufgehaltener und ungehinderter Gang, wie es scheint, durch dieses Wort bezeichnet wird. Richtig also hieße sie Tugehend, als immer zu gehend, denn t und z werden häufig verwechselt. Vielleicht aber meint er auch das tunliche Gehen als die vorzüglichste Beschaffenheit