Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300564
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als prestigeträchtiger Begriff ist eindeutig im Sinne von research verstanden worden. Dabei wurde unterschlagen, dass research nur einen Aspekt einer angewandten wissenschaftlichen Disziplin darstellt. In den britischen Applied Linguistics ist dieser Bereich z.B. innerhalb einer Trias von theory, practice und research angesiedelt und steht hier für den Bereich der empirischen Forschung (Littlewood 1991). Eine Wissenschaft, die jedoch ausschließlich auf empirische Forschung setzt und den Aspekt der Konzeptbildung, der Explizierung einer auf stringenten Hypothesen beruhenden Theorie ignoriert, begibt sich eines Regulativs, ohne das die Empirie blind und richtungslos bleibt und vor allem keine Impulse für innovative Handlungsempfehlungen geben kann. Ohne einen theoretischen Bezugsrahmen gerät die für den Fremdsprachenunterricht typische Wechselwirkung von Lehren und Lernen als Gegenstand der Erforschung aus dem Blick.41 Symptomatisch dafür ist der Grundsatzartikel „Die Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) stellt sich vor“ von 2001, in dem F. Klippel und G. Schmid-Schönbein42 zwischen zwei „großen Bereichen der fremdsprachendidaktischen Forschung“ unterscheiden, nämlich den „fremdsprachlichen Lernprozessen“ einerseits und der „Fremdsprachenlehrmethode“ andererseits (Klippel, Schmid-Schönbein 2001, 3sq.). Zwar werden unter „Forschungsmethoden“ neben den empirischen Untersuchungen auch „Grundlagenforschung und Theoriebildung“ flüchtig erwähnt, doch wenn konkret vom „Stand der Theoriebildung zum Fremdsprachenlernen“ die Rede ist, so werden darunter offensichtlich empirische Forschungsergebnisse zu Einzelaspekten verstanden, wie z.B. den individuellen „Lernvoraussetzungen und Lernstrategien“ oder der „Lernersprachenforschung“ sowie zu den Bereichen „Lese- und Hörverstehen“, „Wortschatzerwerb“, „autonomes Lernen“, „interkulturelles Lernen“ und „Informationstechnologie als Lern- und Unterrichtshilfe“. Neben Problemen aus der Lernerperspektive werden auch Einzelaspekte aus der bisher vernachlässigten Lehrerperspektive als Forschungsgegenstände erwähnt, wie z.B. „das Erfahrungswissen und die subjektiven Theorien von Fremdsprachenlehrkräften“.

      Der bis in die 90er Jahre kontinuierlich erhobene Anspruch, einen Beitrag zu leisten „zur Entwicklung einer integrierten Theorie des Fremdsprachenunterrichts und zur begründeten Konsolidierung bzw. Veränderung der Unterrichtspraxis (Bausch / Krumm 1989, 11sq.), taucht hier nicht mehr auf.43 Stattdessen wird unter „Fremdsprachenlehrmethode“ auf die Ergebnislosigkeit der „vergleichenden Studien zur Wirksamkeit von Unterrichtsmethoden“ in den 60er und 70er Jahren verwiesen und daraus der Schluss gezogen, dass „der Glaube an die Existenz der idealen Lehrmethode zu Recht“ schwindet. Die Argumentation zeugt von einem fatalen Missverständnis, indem die ursprünglich anvisierte ‚Unterrichtstheorie‘ nun auf konkrete ‚Vermittlungskonzepte‘ verkürzt wird.

      Der diskreditierte Begriff des ‚Vermittlungskonzepts‘ scheint eine plausible Distanzierung der auf wissenschaftliche Dignität dringenden Forschung von den Erfordernissen der Praxis zu erlauben. Die Horizontverengung könnte nicht offensichtlicher sein. Hatte R.M. Müller 1978 im Hinblick auf die grundsätzliche Verantwortlichkeit der jungen wissenschaftlichen Disziplin gemeint: „Für eine große, revolutionierende Rolle in der Gestaltung der Praxis ist die Fremdsprachendidaktik noch44 nicht entwickelt genug“ (Heuer 1979, 143), so sucht F. Königs sich 35 Jahre später aus dieser Verantwortung herauszuwinden, indem er argumentiert, die heutzutage geltende „individualistisch geprägte Vorstellung von fremdsprachlichem Lernen“ lasse sich nicht mehr vereinbaren mit dem „in Vermittlungskonzepten unvermeidlich hohen Anteil an überindividuellen Gemeinsamkeiten“. Deshalb sei „aktuell nicht mit vermittlungsmethodischen Neuentwicklungen zu rechnen“. Allerdings fügt Königs dann doch hinzu, dass „die Absenz dieses Themas in der Forschung […] sicher nicht dazu führen sollte, dieses Themenfeld in der Ausbildung45 von Fremdsprachenlehrern unbesetzt zu lassen“ (Königs 2013, 13).46 Das Erkenntnisziel der fremdsprachendidaktischen Forschung und die gesamte Entwicklung der letzten 50 Jahre werden vollends ad absurdum geführt, wenn Königs fortfährt: „Allerdings müssen wir dabei einräumen, dass wir gesicherte Aussagen über den Effekt einzelner Methoden oder auch anderer unterrichtlicher Entscheidungen47 auf den fremdsprachlichen Lernvorgang nicht wirklich belegen, sondern allenfalls vermuten können“ (ibid.). Dass dieses Eingeständnis im Grunde eine Bankrotterklärung der fremdsprachendidaktischen Disziplin (und nicht nur der Sprachlehrforschung48) ist, scheint dem Autor seltsamerweise überhaupt nicht bewusst zu werden. Wie ist das möglich? War man nicht angetreten, die „weitgehend rezeptologische [und auf „erfahrungsgeronnenen Handlungsanweisungen“ basierende] Fremdsprachendidaktik durch empirische Forschung und aus ihr abgeleitete begründete Empfehlungen für die Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts zu ersetzen“ (op.cit., 8–10)49?

      6.1.2 Irrelevanz der empirischen Fragestellungen

      Die Erklärung könnte in der Art der empirischen Forschung liegen, wie sie die Disziplin in ihrer Gesamtheit, allen voran die DGFF, zum Ausweis ihrer Wissenschaftlichkeit in den letzten Jahrzehnten betrieben hat. Königs merkt dazu selbstkritisch an, dass die Untersuchungsmethoden kein Selbstzweck sind, sondern „in konsequentem Bezug zum untersuchten Gegenstand diskutiert, hinterfragt, ggf. erweitert oder entwickelt werden“ müssen (op.cit., 19). Das war eigentlich immer das Credo auch der Sprachlehrforschung gewesen, nämlich „Probleme aus der Praxis (aufgreifen), der systematischen und integrativen Erforschung (zuführen) und wieder in die Praxis (einbringen) (Bausch / Krumm 1989, 9). Zweifel an der Verwirklichung dieser Forderung wurden allerdings schon in den 80er Jahren laut, und zwar ausgerechnet innerhalb der Sprachlehrforschung, in der es zu einer polemisch aufgeheizten wissenschaftsmethodologischen Kontroverse kam.50 Die sog. Bielefelder Gruppe51, die sich der Zweitsprachenerwerbsforschung52 zugewandt hatte, griff die von den Sprachlehrforschern um K.-R. Bausch vertretenen empirischen Forschungsmethoden heftig an, indem sie vor allem deren unterrichtliche Relevanz in Frage stellte. E. Zöfgen behauptete, dass es den von der Sprachlehrforschung vorgelegten Arbeiten „generell an Praxisrelevanz mangelt“, obwohl diese Relevanz in den programmatischen Äußerungen immer wieder gefordert werde, so dass „Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander (klaffen)“. Das „Schwanken zwischen grundlagen- und handlungswissenschaftlicher Orientierung“ zeige sich auch in dem „Mangel an problembezogenen, aus dem FU hervorgegangenen Fragestellungen“ (Bausch / Königs 1986, 171sq.).

      Ob Zöfgens Kritik berechtigt ist, kann durch einen kurzen Blick auf einen Katalog von Fragestellungen verifiziert werden, den Bausch und Königs 1983 vorgestellt haben (Bausch / Königs 1983, 329):

       In welcher Situation erscheinen Sprachproduktionen von Lernern spontan und in welchen sind sie beobachtbar auf ‚Außenwirkungen‘ zurückzuführen?

       In welcher Weise beeinflussen Lernerreaktionen und Lernerverhalten die Sprache des Lehrers?

       Worauf sind Änderungen im geplanten Lehrersprachverhalten zurückzuführen?

       Welche emotionalen und affektiven Elemente beeinflussen den Lehrer in seiner Sprachausgestaltung und in seiner Selbsteinschätzung?

       Welche emotionalen und affektiven Elemente beeinflussen den Lerner in seiner Sprachausgestaltung und in seiner Selbsteinschätzung?

       In welchem beobachtbaren Zusammenhang stehen Einstellungen zum FU, fremdsprachliche Leistungsfähigkeit und emotionales Verhältnis zum Lehrer?

       In welcher Weise schlagen Erfüllung und Enttäuschung von Erwartungen an den FU auf die Sprachproduktion durch?

       Unter welchen Bedingungen beeinflussen Außenfaktoren bestenfalls die Performanz, nicht aber die Kompetenz negativ?

       In welcher Weise schlägt die lehrerseitige Berücksichtigung der Lehrpläne und der übergeordneten Lernziele sichtbar auf die Sprachproduktionen von Lehrern und Lernern durch?

       In welchem näher beschreibbaren Verhältnis stehen aktive Mitarbeit der Lernergruppe, des einzelnen, Sprachverhalten des Lehrers und ‚Kompetenzgrad‘ der Lerner jeweils zueinander?

       In welchem beobachtbaren Zusammenhang stehen Sprachproduktion von Lernern mit nicht-verbalen Reaktionen von Lehrern und Mitlernern?

      Die hier aufgeworfenen Fragen empirisch