1931 wurde Weil Nachfolger von Horovitz an der Universität Frankfurt. Im selben Jahr bekam er folgenden Brief von Judah Magnes:
You will be glad to know that the meetings of the Board of Governors and the Academic Council have passed off satisfactorily and I am very happy to be able to inform you that you were unanimously elected a member of the Board of Governors and that you are to be invited by unanimous vote to become the Visiting Director of the School of Oriental Studies in place of the late Professor Horovitz. You know how happy this makes me and how happy also Schloessinger50 will be, and you will be pleased also to know that the members of the School of Oriental Studies in Jerusalem ware unanimous in urging us to have this invitation extended to you. I have heard about the possibility of your going to Frankfurt and I want to extend to you my very best wishes for fruitful scientific work in your new position. This will also give us the opportunity of being in closest touch with you and I hope that conditions may sometimes shape themselves in the not too distant future to enable us to bring you to Jerusalem, where I think you could perform a great service.51
Die Zukunft kam viel schneller, als Magnes dachte: 1933 stand Weil unter Berufsverbot und etablierte sich in Jerusalem; kurz vorher wurde ihm die Redaktion der berühmten Zeitschrift der deutsche Morgenländische Gesellschaft angeboten: „Dass eine solche Zeitschrift notwendig ist und dass es trotz der Schwere der Zeiten möglich sein muss, sie durchzuhalten und ihr weitere Bedeutung zu verleihen, erscheint mir zweifellos. Gewisse organisatorische Gaben scheinen mir für die Leitung einer solchen Zeitschrift notwendig zu sein, aber dass Sie diese zu Genüge besitzen, haben Sie ja in Ihrer früheren Tätigkeit bewiesen.“52 Weil war auch am Anfang, zwischen 1931-1935, visiting Director. In diesem Jahr ersetzte er Shmuel Hugo Bergmann als Direktor der Universitäts-und Nationalbibliothek (bis 1946). Übrigens dank des in Jerusalem geborenen Gelehrten Abraham Shalom Yahuda und des in Collège de France lehrenden Louis Massignon wurde die Bibliothek von Ignaz Goldziher von der Bibliothek der hebräischen Universität gekauft. Weil hat bis 1952 regelmäßig mit Erfolg im Gebiet der semitischen Linguistik and arabischen Sprache und Literatur (so wurde sein Lehrstuhl genannt) gelehrt. Sein Spezialgebiebt war die türkische Sprache.53 Ein Blick in seinen Aufsatz Zum Verständnis der Methode der moslemischen Grammatiker: Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaften in Islam54 zeigt den Unterschied zu unserer heutigen Auffassung der islamischen Kultur, was ihre Beziehungen zu der griechischen anbelangt:
Sahen die Griechen das Allgemeine, von dem sie ausgegangen waren, stets hinter dem Einzelnen, so rangen sich die Muslime von dem gegebenen Einzelnen nur schwer zum Allgemeinen durch. Schufen die Griechen daher eine Theorie von der Sprache im Allgemeinen, die wegen ihrer formalen Gültigkeit auf alle Sprachen anwendbar ist, so ist die Terminologie der islamischen Grammatiker nur auf die Grammatik der arabischen Sprache anwendbar, weil sie nur aus ihr heraus abstrahiert ist.55
Es wird im Folgenden auf weitere Unterschiede verwiesen:
Auch hier sind dogmatische Gesichtpunkte methodisch von grundlegender und bestimmender Bedeutung gewesen. Ebenso wie Allah selbst, so ist auch der Qur’an als Gottes Wort die Vernunft schlechthin. Da aber die Sprache des Qur’an Repräsentant und Muster des Ausdrucks der arabischen Sprache ist, so muss die göttliche Vernunft und Vollkommenheit auch im Bau der arabischen Sprachen allenthalben zum Ausdruck kommen. Identifizierten die Griechen bewusst Sprechen und Denken, Sprachgesetze und Denkgesetze, so schufen die Moslems unbewusst die Gleichung von arabischer Sprache und absoluter Vernunft.56
Also der Muslim denkt „unwissenschaftlich, stark subjektiv“!
Leo Aryeh Mayer, der erste Direktor des Instituts, der nicht visiting oder in absentia war, stammte aus Galizien, wo er in Stanislawow 1895 geboren wurde, und starb 1956. Nach seinem Studium in Wien, Lausanne und Berlin promovierte er 1917 in Wien, wo er auch das Israelitische Theologische Seminar besuchte. Schon 1921 ist er in Jerusalem, nachdem er sowohl in Wien (1917-19) als auch – nach einem kurzen Aufenthalt am Gymnasium in Stanislawow – in Berlin unterrichtet hatte. In Berlin wurde er Gotthold Weils Bibliothekassistent.
April 1925 wurde er Assistent (marzeh) für Islamische Kunst und Archäologie und dann 1935-1949 Direktor des Instituts für Orientalische Studien in Jerusalem. Als Dekan, Rektor und in verschiedenen hohen Verwaltungsämtern tätig, wohnte er übrigens ab 1939 in der Abrabanelstrasse 30 (ein paar Meter von Scholem entfernt, der seine Adresse in der Nummer. 28 hatte). Mit seinem Freund Elezar Lipa Sukenik (1889-1953), der ab 1911 in Jerusalem residierte und Vater von Ygal Yadin (1917-1984) war,57 hat er viele Nachschlagwerke veröffentlicht, darunter das Corpus Inscriptionum Judaicarum Palestinensium, mit hebräischen, aramäischen und griechischen Inschriften. Das heutige Museum für Islamische Kunst in Jerusalem (1962 gegründet) trägt seinen Namen. Sein Briefwechsel zeugt von den damaligen schwierigen technischen Bedigungen, unter denen die arabischen Druckereien standen:
Wir sind in einer äusserst schwierigen Lage. Einerseits gibt es im Lande keine Buchdruckerei, die ein Buch anständig drucken kann und über einen genügenden Vorrat von arabischen Letters verfügt; die Nationaldruckerei in Cairo hat auf meine Anfrage geantwortet, dass sie den Auftrag nicht übernehmen kann und die amerikanische Buchdruckerei in Beyrouth hat ganz unzulängliche Proben geschickt. Andererseits kann man es keinem Buchdrucker übelnehmen, wenn er es nicht riskieren will, bestellen, die bei ihm Jahrzehnte lang ungenützt vergeben sollte. Drittens darf beim Zustand unserer Finanzen leider nicht ausser acht gelassen werden, dass auch die billigste Offerte von Brill beim jetzigen Stand der Valuta fast doppelt so teuer ist als die Offerte Azriels.58
Nach zehn Jahren wurde eine Zusammenfassung der arabischen und islamischen Studien für den Hadassah Committee for the Study of Arab-Jewish Relations verfasst. Sie stammt aus der Feder von dem in Odessa geborenen Moshe Perlmann (1905-2001),59 der zwischen 1925-1937 in Palästina lebte und zwischen 1930-1934 an der Hebräischen Universität Islam, Geschiche und Soziologie studierte. Seine Masterarbeit (1934) befasste sich mit Ibn Taghribirdi (1469 gestorben) als Quelle für Kunst und Archäologie in Palästina, Syrien und Ägypten. Seine Dissertation A Study of Muslims polemics directed against Jews hat er in London 1940 verteidigt:
The Arab Studies were taken up at the University very early in the Spring of 1926. It was felt that the Hebrew University should become a center of study of the Arab and Islamic world (of which the Arabs of Palestine are a part) and that that study should become a part of the Yishub (sic) with the Arabs. This contact was visualized as a revived contact, calling for inquiry into the glorious past of Arab people, in which the Jewish factor had been of such distinction, and which had left a rich heritage to the Jewish people. 60
Nachdem Perlmann die Direktoren und die Professoren erwähnt hat, beschreibt er die Studentenschaft:
The students, again, come from different circles. Some come from Palestine’s secondary schools, and these usually bring along quite a good elementary schooling in Arabic. Others come mostly from Poland and Germany, with a sprinkling of Americans. A Yemenite will come, with his fine feeling for the living Arabic idiom. All the students, in any case, come with the mastery of Hebrew, some with a good reading knowledge of Aramaic. The structure of a semitic tongue is not a new or alien thing to them, and therefore they are usually able to make progress more rapidly than the Western student. And while the latter must work hard to acquire the language as such, the students of Jerusalem can concentrate on the study of documents, sources, illustrative of Arabic-Islamic civilization. For those who cannot meet this standart the preparatory classes provide the necessary introductory training in reading.61
Der Bericht beschreibt dann den Inhalt der Vorlesungen, Seminare und Forschungen mit einem Ausblick über die Bibliothek. Perlmann wird dann in Dropise College (1948/1955), in Harvard (1955/1961) und endlich in UCLA (1961/1973) unterrichten.
Da unser Humboldt-Kolleg in Italien stattfindet, möchte ich zum Schluss ein weiteres Beispiel nennen. Nicht alle Professoren der Hebräischen Universität waren deutsche Juden. Ein Fall ist besonders interessant: Ein ,problematischer‘