Distinktion durch Sprache?. Martina Zimmermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Zimmermann
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300342
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      (Auszug aus einem Interview mit Stefania4, Frühling 2012, Luzern)

      Die drei Belege sind unterschiedlicher Natur. Sie stammen aus verschiedenen zeitlichen und räumlichen Kontexten. Zwei davon sind Auszüge aus Briefen, einer geht auf eine Tonaufnahme zurück. Während die Quelle in Latein wie auch diejenige von Stefania auf ein Studium an einer Universität Bezug nehmen, verweist diejenige aus Paris auf die „Grand Tour“, die v.a. im 17., aber auch im frühen 18. Jahrhundert unter Privilegierten verbreitet war und Aufenthalte in Kultur- und Universitätsstädten Europas beinhaltete.

      Trotz dieser Unterschiede haben die Zeitzeugnisse auch Gemeinsamkeiten. Sie handeln von drei jungen Menschen, die der geeigneten Bildung zuliebe zum Teil weite und unbequeme Wege auf sich genommen haben. Die Entscheidung, sich fern der Heimat in Orléans, Paris oder Luzern aufzuhalten, scheint je nach Epoche die „richtige“ zu sein; die Ausbildung in der sprachlich-kulturellen Fremde ist die zeitgemässe Vorbereitung auf die Zukunft.

      Bildungsmobilität geht weit zurück und ist eng mit Institutionen/Orten verbunden, die entsprechende Bildung versprechen. Aber wie sind diese Bildungszentren entstanden? Wie sind sie zu dem geworden, was sie heute sind? Wie kam es dazu, dass einige Städte zu universitären Stätten wurden? Und weshalb wird die an den Universitäten angebotene Bildung als „geeignet“ erachtet und mit ihr seit Jahrhunderten sozialer Aufstieg assoziiert? Um solchen Fragen auf den Grund zu gehen und zu verstehen, weshalb Bildung Studierende seit jeher in die Ferne zieht, scheint es fruchtbar, im Folgenden einen Blick auf die Entstehung und Entwicklung der Bildungsinstitutionen zu werfen (2.1.1). Danach ist ein Unterkapitel der Bildungsmobilität in der Geschichte der Schweiz gewidmet (2.1.2). Schliesslich wird die aktuelle Mobilität beschrieben, die im Fokus dieser Arbeit steht (2.1.3).

      2.1 Die Hochschullandschaft – damals und heute

      Seit um etwa 1200 die Uruniversitäten Bologna und Paris entstanden1, zählt gemäss Weber „die Universität zu den wichtigsten soziokulturellen Kräften, welche die Formierung, den Aufstieg und die hochrangige Positionierung Europas in der Welt ermöglichten“ (Weber 2002: 9). Seither hat sich einiges verändert, eine Elitenbildungsanstalt ist die Universität jedoch geblieben. Sie vermittelt und schafft höheres Fakten-, Methoden- und Orientierungswissen und nimmt qualifizierte Lernende auf, die mit und dank diesem Wissen später in der Regel bestimmte gesellschaftliche Positionen einnehmen.

      Die aktuelle Schweizer Hochschullandschaft besteht aus 12 tertiären Institutionen2, welche vorwiegend in urbanen Zentren zu finden sind. Dazu zählen zehn kantonale und zwei eidgenössische Universitäten. Diese blicken auf eine 800-jährige Geschichte zurück, wobei freilich die Mehrheit von ihnen erst im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gegründet wurde, aber meist auf bereits bestehenden Institutionen aufbauen konnte3. Um das aktuelle tertiäre Bildungswesen und die darin vorherrschenden hochschulpolitischen Beziehungen zu verstehen, ist vorgängig ein historischer Abriss hilfreich. Das jeweilige Zeitgeschehen spiegelt sich nämlich in der Universität, ihrer Struktur und Ausstrahlung wider. Diese Retrospektive soll dazu beitragen, das Aufkommen der Universität im europäischen Kontext zu situieren, wobei auch auf die Schweiz und die dortigen Gründungen verwiesen wird. Weiter soll dieser Rückblick verdeutlichen, vor welchem Hintergrund die studentische Mobilität entstanden ist.

      2.1.1 Die Entstehung und Entwicklung der Universitäten in Europa – ein Längsschnitt in Kürze

      Der Blick in die Vergangenheit soll knapp sein; er dient der Kontextualisierung und wird ohne Details1 auskommen müssen. Den grossen Epochen Mittelalter, frühe Neuzeit und Moderne entlang werden zentrale Aspekte aufgeführt2. Ein letzter Abschnitt ist der Gegenwart gewidmet. Sofern es aus Schweizer Perspektive etwas vorzubringen gibt, wird dies im finalen Abschnitt der Darstellung der jeweiligen Epoche getan.

      Die ersten Universitates im christlichen Europa: 1180–1400

      Ihren Anfang nahm die Universität in Bologna und Paris. Die Universität Bologna (offizielles Gründungsjahr 1088) fasste die bereits bestehenden Rechtsschulen zusammen, die aufgrund von immerwährenden Konflikten zwischen Papsttum (Kirchenrecht), Bürgertum (kommunales Recht) und Kaisertum (Herrscherrecht) entstanden waren. In Paris hingegen wurden um 1200 verschiedene theologische Schulen organisatorisch zusammengefasst; der Papst erachtete Paris als künftiges universitäres Zentrum der europäischen Theologie und trug mit der „licentia ubique docendi“ dazu bei, dass alle Studenten, die den Magister erlangt hatten, an jeder europäischen Universität lehren konnten. Er animierte somit den Lehrkörper bereits in den universitären Anfängen zur Mobilität, erhoffte er sich dadurch doch eine Verbreitung seiner theologischen Lehre. Gemeinsam war den frühen Universitäten, dass sie aus einer bestimmten geistigen und sozialen Situation entstanden, als nämlich „herkömmliche Kloster- und Domschulen den fortschreitenden Erkenntnis- und Lehrmethoden der Scholastik und den Ansprüchen der wissenschaftstreibenden Bevölkerungsgruppen, vornehmlich Kleriker und in zunehmendem Masse auch Laien, nicht mehr genügten“ (Boehm & Müller 1983: 12). Lehrer und Scholaren schlossen sich zu Korporationen, also zu einer Art von Berufsgenossenschaften, zusammen. Daher kommt auch die Bezeichnung „universitas“, die für Kommunität steht. Auch wenn in Bologna und Paris Konflikte zwischen Hauptakteuren wie Papst, Bischof, Stadt oder Kaiser ausgetragen wurden, war das Modell der Universität rasch erfolgreich. Beide Universitäten hatten bald Ableger (z.B. in Padua, Siena), und es dauerte nicht lange, bis in Oxford die erste selbständige Gründung erfolgte. Im 13. und 14. Jahrhundert – es gab dann bereits über 30 Universitäten – festigte sich die Organisationsform, und mit der Gründung in Prag (1348) und später in Heidelberg und in Köln erreichte die Universität auch das „jüngere Europa“ (vgl. Moraw 1985). Zwar unterscheiden sich die lokalen Geschichten der einzelnen Institutionen voneinander, jedoch sind alle Gründungen mithilfe der Kirche entstanden. Zu dieser Zeit stand nämlich die Wissenssicherung und -verbreitung im Vordergrund, wobei es darum ging, die „doctrina sacra“ in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

      Dank der Kirche, dem aufstrebenden Stadtbürgertum und später der Höfe avancierten die universitären Titel und Abschlüsse „zu anerkannten sozialen Merkmalen, Ausweisen höherer Qualifikation und adelsnahen Rangs“ (Weber 2002: 69). Der Adel hiess das Prinzip „scientia nobilitat“ gut und begab sich ebenfalls – wenn meist auch ohne je einen Abschluss zu erlangen – an die Universität. Man könnte hier auch von einer ersten Bildungschance sprechen, die einem breiteren (aber durchaus zur Elite gehörenden) Publikum zuteil wurde und das Vorrecht des adeligen Blutes in Frage stellte. Die Studienvoraussetzungen formaler Art beschränkten sich nämlich darauf, dass derjenige, der zu studieren wünschte, getauft, ehelich geboren und unbescholtenen Leumunds war und ein Mindestalter hatte, in dem er fähig war, Verantwortung wahrzunehmen. Zu den tatsächlichen Studierenden zählten aber neben den Adeligen v.a. die Ober- und Mittelschicht aus dem städtischen Bürgertum. Schwinges (1986) unterscheidet neben den Adeligen, für die das Studium in erster Line einer „berufsunspezifischen Sozialqualifikation“ gleichkam (Seifert 1986: 619) und für die akademische Titel von geringer Bedeutung waren, verschiedene, für die Epoche charakteristische Typen von Studierenden. Der häufigste war der „scholaris simplex“, der während maximal zwei Jahren an der artistischen Fakultät Grundkenntnisse erwarb, ohne einen Abschluss zu erlangen. Schon seltener war der Student, der nach rund zweieinhalb Jahren eine artistische Grundausbildung mit dem Grad des „Bakkalaureus“ abschloss, manchmal sogar darüber hinaus studierte und den Magistergrad erreichte. In wenigen Fällen wurde dann das Bakkalaureat einer höheren Fakultät (Jurisprudenz, Medizin oder Theologie) erworben, im besten Fall verbunden mit der Lehrlizenz und der anschliessenden Doktorwürde. Abgänger der Universität (mit und ohne Abschluss) übernahmen nicht selten Funktionen in Verwaltungen und Kirchenbürokratien und forderten bereits im 13. und 14. Jahrhundert den Geburtsadel heraus (Verger 2000).

      Gemeinsam war den Studierenden ihre Prägung aufgrund der Bildung. Das relativ einheitliche Sach- und Orientierungswissen, v.a. im Bereich der Jurisprudenz und der Theologie, fand in der „lectio“ (im vom