Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300571
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: à elle de définir ce que doit contenir Wikébec19 (Hervorhebung EE).

      Die partizipative Form des kollaborativen Verfassens im Internet ist sicherlich geeignet, eine Menge an spezifischen Gebrauchsweisen und Lokalismen zusammenzutragen, doch auch dieses Projekt legt nicht den Fokus auf eine Normvarietät des Québécois und ist damit weniger für den offiziellen Sprachgebrauch gedacht als für den öffentlichen Nähebereich der Sprache.

      6 Konklusion

      Die Sprachkritik in Québec hat von der Durchsetzung des Französischen im 19. Jh. bis heute eine weite Entwicklung durchlaufen, die nur in Ansätzen erfasst werden konnte. Nachdem im 19. Jh. ein Bewusstsein für die Besonderheit des Québecer Französisch entstanden war, das allerdings in Kontrast zum europäischen Französisch stand und sich daher noch nicht dagegen behaupten konnte, musste in den folgenden Jahrzehnten diskutiert werden, welche Merkmale repräsentativ waren und welchen Stellenwert diese Merkmale erhalten sollten. Einen wichtigen Beitrag dazu lieferte die Société du parler français au Canada. Überlagert wurde die anhaltende Normdiskussion vom allgemeinen Prozess der Französierung im Kampf gegen den Gebrauch des Englischen. Heute steht das Französische zwar noch in einzelnen Bereichen in einer starken Konkurrenzsituation mit dem Englischen, sein Gebrauch wird aber seit der Offizialisierungspolitik nicht mehr als Kommunikationsmittel in Québec in Frage gestellt.

      Für das Prestige des Französischen, um das es bei der Sprachkritik geht, müssen zwei Ebenen differenziert betrachtet werden. Die eine betrifft den offiziellen Sprachgebrauch, der sich gegenüber dem Englischen als Amts- und Wirtschaftssprache behauptet und für den ein hoher Qualitätsanspruch gilt. Dieser wird auch heute noch stark von der Norm des Schriftstandards, wie er in Frankreich hochgehalten wird, geprägt, nur werden zunehmend auch diatopische Merkmale aus Québec für diesen Bereich akzeptiert. Die andere Ebene betrifft den vornehmlich mündlichen Sprachgebrauch im Alltag, für den eine engere emotionale Beziehung zum Französischen besteht und nicht die Korrektheit ein Qualitätskriterium ist, sondern das, was der Sprecher in der Gesellschaft gleichzeitig mit seiner Aussage sprachlich ausdrücken möchte, d.h. wie er gesellschaftlich angesehen werden möchte. Für diesen Bereich gilt die Devise, eine größere Emanzipation des Französischen in seiner Québecer Varietät zu erreichen und sich somit innerhalb der Frankophonie mit dem Québécois gegenüber einem europäisch geprägten Französisch zu behaupten, da jene Varietät keinen symbolischen Wert für die Sprecher in Québec beinhaltet. Die an vielen Stellen beobachtbare starke Behauptung der regionalen Identität innerhalb einer globalen Wahrnehmung führt auch in Québec dazu, dass „le Québécois“ als markantestes Kennzeichen einer Québecer Identität bewusst in die Öffentlichkeit getragen wird, um dessen Stellenwert (z.B. als Norm) mit seinen spezifischen Merkmalen zu diskutieren. Die bislang vielfach angeführte insécurité linguistique scheint nicht mehr entscheidend, denn es geht den Québecern im alltäglichen Sprachgebrauch nicht um eine hohe Sprachkompetenz oder eine sprachliche Korrektheit im Hinblick auf eine (endogene oder exogene) Norm, sondern um die Behauptung ihrer regionalen bzw. nationalen Zugehörigkeit. Wichtig ist den Sprechern in Québec ihre eigene Identität als identité québécoise, die sie mit ihrem Akzent, also v.a. ihrer Aussprache assoziieren (Heyder 2012, 158). Dazu gehört auch die Annahme von Anglizismen, die typisch für das Québecer Französisch sind, obwohl sie dem Normempfinden des OQLF widersprechen. So ist eine immer stärkere symbolische Aufladung des Québécois zu beobachten: Es geht in vielen Situationen bei dieser Sprachverwendung nicht um die sprachliche Übermittlung eines Inhalts, sondern um eine Manifestation der Regionalität. Dabei ist die sprachliche Realisierung in sehr formellen Situationen eine andere, nämlich die Pariser Norm des Französischen, so auch die Ergebnisse von Heyder (2012, 153). Also müsste auch das OQLF zwei Arten der Norm unterscheiden: eine formell-offizielle und eine (heterogenere) informelle Norm.20

      Für erstere gilt größtenteils die Pariser Norm, die jedoch durch hochfrequente und akzeptierte Quebecismen erweitert wird, und für die zweite sind verstärkt die spezifischeren Ausprägungen der regionalen Varietäten des Québécois („les formes spécifiques qui s’écartent d’une certaine norme de référence“, Dostie/Hadermann 2015, 9) relevant. In diese Richtung scheint auch die Modernisierung des Ziels der Sprachberatung von 2014 zu gehen. Neuere Forschungen zur Varietät greifen diese unterschiedlichen Ebenen bereits auf, wenn sie die „régularités observées dans la distribution des variantes à travers les variétés considérées“ (Dostie/Hadermann 2015, 11) untersuchen. Insofern wird anhand der Sprachkritik und für die Sprachberatung in Zukunft aufzuzeigen sein, für welche Bereiche spezifische Normvorstellungen aufgegriffen und durchgesetzt werden.

      Bibliographie

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