Vera Mundwiler
Beurteilungsgespräche in der Schule
Eine gesprächsanalytische Studie zur Interaktion zwischen Lehrpersonen, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-7720-0014-0
Vorwort und Danksagung
Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit um eine leicht angepasste Druckfassung meiner Dissertationsschrift, welche ich im Dezember 2015 im Fach Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Basel eingereicht und im Juni 2016 verteidigt habe. Die Dissertation entstand im Rahmen des internationalen Doktoratsprogramms Hermann Paul School of Linguistics (HPSL) Basel – Freiburg i. Br. und wurde von Prof. em. Dr. Annelies Häcki Buhofer (Universität Basel) und Prof. Dr. Helga Kotthoff (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) betreut und begutachtet.
Eine Dissertation ist zunächst eine individuelle Leistung und zeitenweise ein einsames Unterfangen. Doch es gibt viele Menschen, die in irgendeiner Weise – sei dies durch wissenschaftliche Inspiration, durch Hilfe bei der Datenerhebung oder durch moralische Unterstützung – zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.
Ich bedanke mich herzlich bei meiner Erstbetreuerin Annelies Häcki Buhofer, die mir bei der Themeneingrenzung, der Methodenwahl und der gesamten Konzeption der Arbeit jegliche Freiheiten liess und mir stets mit Wohlwollen und Vertrauen begegnete. Danken möchte ich ebenso Helga Kotthoff, die mich als Zweitbetreuerin fachlich begleitete und mir die Teilnahme an ihren Forschungskolloquien ermöglichte. Bei Fabienne Strässle, Gabriela Giallombardo und Sandra Hanselmann bedanke ich mich für einzelne Grobtranskriptionen, die mir den Einstieg in die Analysen erleichtert haben. Ein spezieller Dank gilt ausserdem allen Kolleginnen und Kollegen, die mich durch zahlreiche (wissenschaftliche) Diskussionen weitergebracht und ermutigt haben, sei dies in Forschungskolloquien in Basel oder Freiburg i. Br., an Tagungen, in Arbeitsgruppen oder in täglichen Mittags- und Kaffeepausen. Während meiner Anstellung am Deutschen Seminar der Universität Basel waren dies insbesondere Annina Niederberger, Felix Michel, Karin Madlener, Mirjam Weder, Rebekka Studler, Stefanie Meier und Steffen Siebenhüner, die sich teilweise auch Zeit nahmen, um kleinere oder grössere Textausschnitte und/oder Vorträge, die im Rahmen dieses Projekts entstanden sind, kritisch zu kommentieren.
Für die Durchführung der Studie war ich zudem in höchstem Masse auf die Kooperation von Schulen und Familien angewiesen, um überhaupt an Gesprächsdaten zu gelangen. Ich möchte von Herzen allen hier anonym bleibenden Lehrerinnen und Lehrern, Eltern bzw. Erziehungsberechtigten sowie Schülerinnen und Schülern für ihre Teilnahme am Projekt danken. Durch ihre Bereitschaft, sich in den Gesprächen aufnehmen zu lassen, gewährten sie mir Einblick in die schulische Praxis des Beurteilungsgesprächs und ermöglichten mir die Analyse eines bisher wenig erforschten Gesprächstyps. Ich danke auch allen Schulleitungen dafür, dass sie sich mit Aufnahmen an ihren Schulen einverstanden zeigten und mich teilweise sogar tatkräftig bei der Rekrutierung von Lehrpersonen unterstützten.
Und schliesslich gebührt mein Dank auch Freundinnen und Freunden sowie Familienangehörigen, die mir abseits von der (Sprach-)Wissenschaft eine wichtige Unterstützung waren und mich auf meinem Weg stärkend begleiteten. All ihnen sei herzlich gedankt für das Vertrauen in mein Projekt, das Verständnis für chronische Zeitknappheit, die anregenden Gespräche, das geduldige Zuhören, das solidarische Mitdenken, das gelegentliche Ablenken oder auch schlichtweg das gemeinsame Lachen und Beisammensein.
Mein allumfassender Dank gilt Christian Specker, der mich in jeglicher Hinsicht unermüdlich unterstützt und bestärkt.
Basel, im Mai 2017 Vera Mundwiler
1 Einleitung
„[W]ithin educational folklore, teacher-parent meetings […] are taken to be essentially a public relations exercise where nothing much is accomplished.“
(Baker & Keogh 1995: 264)
In schulischen Beurteilungsgesprächen treffen sich Lehrpersonen, Eltern sowie häufig auch die SchülerInnen zu einem Dialog über die erzielten oder erwünschten Leistungen und Verhaltensweisen der Lernenden in der Schule. Dabei werden jedoch nicht nur Beurteilungen verhandelt, sondern es findet ebenfalls ein Austausch über soziale Rollen und Identitäten statt. Auf diese ‚inoffiziellen’ Aufgaben der schulischen Beurteilungsgespräche ist in der vorliegenden Arbeit ein besonderes Augenmerk gerichtet.
Der Gesprächstyp des schulischen Beurteilungsgesprächs wurde basierend auf Vorstellungen einer Erziehungspartnerschaft1 zwischen den Institutionen Schule und Familie etabliert und institutionalisiert (vgl. z.B. Epstein 1995; Epstein & Sanders 2002; Keck & Kirk 2001; Sacher 2014; Textor 2009) und ist demnach als inter-institutionelle Kommunikation zu verstehen (vgl. z.B. Baker & Keogh 1995; Kotthoff 2012a). Textor (2009: 22) bezeichnet dabei das Beurteilungsgespräch bzw. Elterngespräch, wie es in der Praxis auch genannt wird, als „Kernstück der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ und nennt die folgenden Gesprächsziele und -inhalte:
Hier sollte nicht nur über Kompetenzen und Leistungen geredet werden – vielmehr soll das ‚ganze’ Kind im Mittelpunkt stehen, mit seinen Stärken und Schwächen, Interessen und Hobbys, Verhaltensweisen und Angewohnheiten, Freundschaften und Feindschaften, Freuden und Problemen. Weitere Themen können die Auswirkungen der der [sic!] Schule auf das Familienleben und die Familiensituation sein (z.B. bevorstehende Trennung/Scheidung, Erkrankung eines Elternteils, Arbeitslosigkeit).
Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bedeutet aber nicht nur den Austausch von Informationen über Verhalten, Entwicklung und Erziehung des Kindes im jeweiligen System, sondern geht einen entscheidenden Schritt weiter: Familie und Schule versuchen, ihre Erziehungs- bzw. Bildungsziele, -methoden und -bemühungen aufeinander abzustimmen, den Erziehungs- und Bildungsprozess gemeinsam zu gestalten, sich wechselseitig zu ergänzen und zu unterstützen. Durch Erziehungs- und Bildungspartnerschaft kann Kontinuität zwischen den Lebensbereichen gewährleistet werden. Das Kind wird nicht nur so gesehen, wie es sich in allen Systemen verhält, sondern es kommt auch ein ganzheitliches Erziehungs- und Bildungsprogramm zustande. Je älter das Kind ist, umso mehr kann es in diesen Austausch einbezogen werden. (Textor 2009: 22, Hervorhebung im Original)
Die Partnerschaft zwischen der Schule und der Familie soll damit nicht nur einen offenen Informationsfluss in Bezug auf die jeweiligen Lebensbereiche gewährleisten, sondern auch eine effektive Zusammenarbeit fördern und wechselseitige Unterstützungen ermöglichen. Denn gemäss Epstein (1987) sind die Familie, die Schule sowie die Gesellschaft overlapping spheres und Ziel des Austausches zwischen Lehrpersonen und Eltern ist es, gemeinsam zur Sozialisation der Kinder beizutragen, indem allgemeine Werte in Bezug auf die Schule, die Bildung, das Lernen aufeinander abgestimmt werden. Dass die Eltern bzw. das Elternhaus massgeblich am Lernerfolg des Kindes beteiligt sind, zeigen verschiedene Studien (vgl. z.B. Hattie 2009: 61ff.) und führen Helmke (2012: 80) zum Schluss: „Auch die beste schulische Förderung ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Eltern gar kein Interesse an der Bildung und dem Schulerfolg ihrer Kinder haben“. Die Involvierung der Eltern in den Bildungsdiskurs muss daher als notwendige Aufgabe für die Schule und die Lehrpersonen aufgefasst werden.2
Die tatsächlichen Begegnungen und individuellen Kontakte zwischen Lehrpersonen und Eltern können aus unterschiedlichen Anlässen entstehen und dementsprechend finden sich in der Praxis verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten.