La place-forte cryptique protège ce rebelle en provoquant la fracture symbolique. Elle brise le symbole en fragments anguleux, aménage des cloisons internes (intrasymboliques), des cavités, des enfoncements, des couloirs, des chicanes, des meurtrières, des fortifications escarpées. Toujours des ‚anfractuosités‘ puisqu’elles sont l’effet de cassures : telles sont les ‚parois de la crypte‘. Dès lors la muraille à traverser ne sera pas seulement celle de l’Inconscient […] mais la paroi anguleuse à l’intérieur du Moi.1
Das Ich, nicht mehr Herr im Haus, vermag die Innenseiten der Kryptawände nicht zu sehen und folglich genauso wenig zu deuten. Sie bleiben dem Ich verborgen und werden nicht Teil der Semiose. Die Krypta wird errichtet, kann jedoch nicht betreten werden. Das Wesentliche der Krypta ist dieser komplizierte Verbergungsmechanismus, an und in dem eine eindeutige Verortung scheitert, bei dem aber gleichzeitig strikte Trennwände existieren.
Die Krypta als Anti-Metapher
Zum Schutze der in der Krypta eingeschlossenen Objekte, welche sich ihrerseits um ein Ur-Wort oder Tabu-Wort1 herum lagern, müssen alle Verbindungen gekappt werden – nicht nur die der Erinnerung, sondern auch metaphorische Bezüge, durch die ein Eindringen in die Krypta möglich wäre. Wie schon erwähnt, drängt es aber die Kryptaobjekte immer wieder an die Oberfläche. Dieses kryptische Sprechen bezeichnen Abraham und Torok als eine „Figur der aktiven Zerstörung der Bildhaftigkeit“ und schlagen vor, es als „Antimetapher“ zu lesen.2 Sie unterstreichen dabei, dass das Ziel des kryptischen Sprechens nicht sei, mit dem Literalsinn der Worte zu agieren, sondern auf jeder Ebene ihre verbindende, übertragende Kraft zu zersetzen. Die Krypta als Figur des Bruches mit jedem referentiellen Grund der Eigentlichkeit und der radikalen Verschiebung wäre in dieser Lesart, die auch Derrida in seinem Vorwort in Teilen verfolgt, der Ungrund des Verstehens, auf Basis dessen jede Deutung ins Wanken gerät. Dieses Wanken erfasst auch die Handlungskontrolle des Kryptophoren (Träger der Krypta), denn die Krypta erfüllt ihre Funktion der Erhaltung der Subjektstabilität nur scheinbar: Die eingeschlossenen Wörter dringen unkontrollierbar aus ihrem Ungrund nach oben und walten nach ihrer eigenen Ordnung, der das Ich hilflos gegenüber steht. Die ursprüngliche Schutzfunktion der hermetischen Abriegelung einer übergroßen Trauer wird über kurz oder lang zur Gefahr für das Subjekt, dessen Wesenskern von fremden Gestalten besetzt ist. Das Besondere liegt darin, dass diese Ketten des Krypta-Sprechens nicht mehr lediglich auf semantischen Verknüpfungen beruhen, sondern sich andere, verstecktere Kontakte der sprachlichen Fortpflanzung suchen, um das Ur-Wort der Krypta zu verdecken. Die Assoziationen, aufgrund derer Kontiguitätsketten gebildet werden, speisen sich also aus einer lexikologischen Quelle, die von der Ebene der Sache sowie des Wortes zu unterscheiden ist. Sie sind unberechenbarer und beweglicher als übliche Assoziationen, da sie quer durch die Ordnungsstrukturen der Sprache schießen (man könnte auch mit Gilles Deleuze sagen: Transversalen bilden). Eine von den Autoren dabei vielfältig am Wolfsmann diagnostizierte Struktur ist das Verfahren, ein Wort durch ein Synonym bzw. Rebus eines Allosems3 zu ersetzen.
Bei dieser „kryptonymischen Transkription“4 handelt es sich folglich nicht mehr um einfache Ersetzungsvorgänge, sondern um „Verschiebungen zweiten Grades“5, d.h. eine stark erweiterte assoziative Anschlussfähigkeit auf der phonetischen Ebene. Derrida formuliert dies im Bild eines „befremdlichen Staffellaufs“6, bei dem der Stab nicht an eindeutig vorhersehbare und zurück verfolgbare Anschlusspartner übergeben wird und somit die Regeln des Spiels nicht klar erkennbar sind. Die Objekte der Krypta zeigen sich, sie tun dies jedoch verschlüsselt. Ihnen auf die Schliche zu kommen hieße, mit dem Sichtbaren (dem Diskursiven) anzufangen, um zum Unsichtbaren zu gelangen (dem Ur-Wort, dem Ur-Trauma).
2.4 Thomas’ Gang in die Krypta
Wenn sich Thomas im 2. Kapitel nun ein Raum eröffnet, den man als Krypta lesen kann, ist, so meine These, das Betreten der Krypta nicht wie das physische Betreten eines Raumes zu verstehen, sondern eher als ein Sich-Aussetzen einer Erfahrung all dessen, was die Stabilität gefährdet, d.h. einer Begegnung mit all den Wörtern, die aus dem Diskurs ausgeschlossen sind. In die Krypta zu steigen, heißt den Weg ins Außen zu beschreiten und auf der Suche nach dem Ausweg zu merken, dass das Außen ein Außen im Innen ist, also ein Außen, was die Innerlichkeit von innen zersetzt, weil es immer anders ist und sein wird als jedes mögliche Innen.1 Dies manifestiert sich auf der topologischen Ebene in Gestalt diverser Grenzfiguren, die den Raum teilen, verwinkeln und unpassierbar machen. Die unterschiedlichen Mauerwerke, Trennwände und Grenzen, die Thomas berührt, zeigen dies sehr plastisch. Es sind Grenzfiguren, die – wie bereits erwähnt – keinen konstanten Raum schachtelartig umrahmen, sondern lediglich augenblickliche subjektive Wahrnehmungsentwürfe unterschiedlicher Grenzen darstellen, die durch die Erzählinstanz vermittelt werden. Die Krypta formt so einen Zwischenort zwischen dem Natürlichen und dem Gemachten, was für Thomas (und den Leser) vor allem eine Problematisierung der Räumlichkeit über die Wahrnehmbarkeit impliziert. Man weiß nicht mehr, ob etwas existiert, ob es in Thomas oder außerhalb von ihm da ist oder in wie weit seine Wahrnehmung die räumlichen Gegebenheiten manipuliert und verformt. Die Krypta schreibt sich in den Raum ein und bildet somit ein abgeschottetes Außen im Innen. Dabei, und das ist zentral, verdeckt sie die Differenz zwischen sich und dem natürlichen Raum, in dem sie sich mit ihren Haltekräften aus Widerständen errichtet hat. Sie bildet ihre eigene A-Topik, sprich in ihr gelten andere Regeln des Verstehens und der Interpretation, die sich der Logik des Subjekts entziehen und zur Erhaltung dieses Nicht-Ortes dienen. Die Sprache der Krypta – ein „befremdlicher Staffellauf“ der auf Entdeutung abgerichteten Assoziationen2 – bedeutet mit Blick auf Blanchots Kapitel ein performatives Durchspielen der Gewaltsamkeit der Sprache in ihren Repräsentationsbewegungen, in ihrer gestalterischen Kraft, die sich jedoch mittels der Ersetzungsbewegungen entstaltet oder entdeutet und somit in einem negativen Schöpfungsakt ihre Hervorbringungen unaufhaltsam überschreibt. Was dennoch lesbar bleibt, sind die Spuren dieser Vorgänge. Da es mir – anders als den Psychoanalytikern Abraham und Torok – bei meiner Lektüre nicht um Heilung geht, sondern um das Nachzeichnen der Textbewegungen, möchte ich die schon begonnene Spur weiter verfolgen und an ihr exemplarisch zeigen, wie die Gründungsproblematik im Text verhandelt wird.
Nacht-Sehen
Thomas, der im Kryptaraum weiter fortschreitet – was bedeutet, dass er sich gerade nicht linear nach vorne bewegt, sondern physisch wie gedanklich durch seine Negation vorangetrieben wird – gelangt in einer Verdopplungsbewegung des Ortes an einen neuen Ort, der sich nicht vom vorherigen unterscheidet. In einem ereignishaften Augenblick ändert Thomas seine Wahrnehmung ein wenig, schwenkt vom Fortschreiten bzw. Starren zum Blicken. Dies eröffnet das Gewahrwerden der Nacht.
A cet instant, Thomas commit l’imprudence de jeter un regard autour de lui. La nuit était plus sombre et plus pénible qu’il ne pouvait s’y attendre. L’obscurité submergeait tout, il n’y avait aucun espoir d’en traverser les ombres, mais on en atteignait la réalité dans une relation dont l’intimité était bouleversante. Sa première observation fut qu’il pouvait encore se servir de son corps, en particulier de ses yeux; ce n’était pas qu’il vît quelque chose, mais ce qu’il regardait, à la longue le mettait en rapport avec une masse nocturne qu’il percevait vaguement comme étant lui-même et dans laquelle il baignait.1
Die Nacht zeigt sich in ihrer Omnipräsenz der Dunkelheit weitaus dunkler und schmerzhafter als gedacht. Das Vordringen zur Realität der Nacht geschieht über den Schmerz und die Dunkelheit. Je dunkler die Nacht wird, desto intensiver ist auch die Nähe zwischen Thomas und ihr bzw. ihren Repräsentationen. Thomas beobachtet, dass er nach wie vor mittels seines Bewusstseins Zugriff auf seinen Körper, insbesondere auf die Augen, hat. Er kann nicht sehen, aber über die Augen mit seiner Umgebung in Verbindung treten