Beziehungsweisen. Elazar Benyoëtz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elazar Benyoëtz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783772001093
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2 – Bongardt, MichaelBongardt, Dausner, RenéDausner, Grubitz, ChristophGrubitz, Heyden, KatharinaHeyden, Talebitari, BurkhardTalebitari, Welz, ClaudiaWelz.

      Dies wäre schon einmal ein engerer Kreis, den man konzentriert verfolgen kann, es ginge um mein Werk, aber auch um das Thema Beziehung, die Bände ließen sich mit halbwegs gutem Sinn trennen, viele der Briefe liegen mir im PC vor, ich könnte die Auswahl vornehmen, ohne auf das ÖLA**** ausweichen zu müssen, wo natürlich viel mehr vorliegt, auch müsste ab und zu eine Abschrift verglichen werden, aber ich will nicht „historisch-kritisch“ streng vorgehen, es bliebe die Frage: kommentiert oder nicht, und wenn – wie weit? Das nämlich wäre noch einmal so viel Arbeit.

      Nun, leuchtet Dir das Programm ein? – Jetzt bin ich mich aber satt.

      * Unabgeschlossen

      ** Prof. Dr. Wolfgang Mieder, WolfgangMieder (geb. 1944), Literaturwissenschaftler. Professor an der University of Vermont. Spezialgebiete Sprichwort und Märchen; vgl. Olivenbäume, S. 15. Zu den übrigen Personen vgl. das Verzeichnis der Briefpartner(innen)

      *** Dorothea von Chamisso, Dorothee vonChamisso (1912–2010), Altphilologin, Witwe des Urenkels von Adelbert von Chamisso, Adelbert vonChamisso, seit 1988 mit dem Chamisso-Preisträger EB freundschaftlich verbunden; Vielzeitig, S. 305; Allerwegsdahin, S. 166f.; Keine Worte zu verlieren, S. 17f.; Olivenbäume, S. 195–200

      **** Literatur-Archiv der Österreichischen National-Bibliothek, Wien

      An Ingeborg Kaiser, IngeborgKaiser, 9. April 2013 Nr. 14

      Nur drei Stationen – Wittlich, Weinsberg, Schwäbisch Gmünd – , überall willkommen geheißener Gast, in feinen Hotels untergebracht, mit wenigen Reisen dazwischen – und vielen Gesichtern. Und doch: Ich bin noch gar nicht zu mir gekommen, nichts geschrieben, und dabei gefällt mir die eine, eigentlich entscheidende Lesung – geschrieben vor zwei Monaten – nicht mehr.

      In dieser Not (erlaube mir, sie so zu nennen: Es ist mitunter erbaulich, sich lächerlich zu empfinden und – es bleibe unter uns – „so herum“ zu genießen) „flüchtete“ ich mich in unseren Briefwechsel und – arbeitslos seit Wochen – „arbeite ich daran“, als wären es meine Tagebücher. Nicht viel, nicht lang, aber es freute mich – darüber nachzudenken, was mich dazu bringt, was ich mir dabei denke, was dazu zu sagen wäre.

      Was ich in meinem Tagebuch dazu schrieb, kann ich jetzt nicht sagen, das ist immer „für später“. Im Moment sage ich mir: dass es nicht anders gehen kann, schon gar, wenn ichs einmal rückwärts gelesen habe, quasi geschichtlich, unsere Beziehung zurückverfolgend und mich – angenehm – erinnernd. Das war ein lesendes Sich-Erinnern, ein noch fühlbares, ehe die Briefe, wie gestern geschrieben, wieder in die „Truhe“ (um beim Romantischen zu bleiben) gelegt werden – auf nimmer Wiederlesen, weil das Alter sich nicht zweimal seine Jugend als Hintergrund zurückrufen kann. Aus dem Gedächtnis wird Erinnerung, aus der Erinnerung das Nachlassen und der Nachlass.

      Nach der zweiten Begegnung büßte der Briefwechsel sein Leben für die Gegenwart ein, und da geschah es: Die Gegenwart selbst suchte sich die Briefe aus, an die sie anknüpfen, sich also aussprechen konnte. Mit der bloßen Vorstellung „veröffentlicht“ eröffnete sich eine neue Perspektive. Was Dir und mir galt, hatten wir zweimal für uns, wie es in der Regel ja ist. Mit dem eingeschobenen Fremdenblick werden die Briefe zu „Texten“, die niemandem gelten, aber an sich zu gelten hoffen: weil geltungsbedürftig oder – weil lesenswert. Sie sollten lesenswert werden. Nun gibt es kein Ausweichen: Auch das hier ist „für später“, wie alles, was ich schreibe, und es kommt der Tag, an dem Du dies in einer anderen Fassung zu lesen bekommst, und wenn Du oder ich Glück haben, wird es in zwei Sätzen geschehen, denn es verdiente, in einen Satz gebannt zu werden.

      An Ingeborg Kaiser, IngeborgKaiser, 9. April 2013 Nr. 15

      Bestünde der Brief nur aus dem einen Satz: „Wie kannst du aushalten, was du wissend schreibst?“, wäre er vollständig und einwandfrei, weil es eine echte Frage ist, die auf etwas hinweist, das zu fragen ist: aus dem Inhalt oder aus der Beziehung. Es ist gleichsam etwas, das mit Dir zu tun hat.

      Und das andere nicht? Ja, weil Du keine Schmeichlerin bist; nein, weil es in keinem Punkt Dich enthält oder aufdeckt. Das kann, das würde jeder sagen können. Und wenn es mich beim ersten Lesen auch freute, weil du mir lieb bist und ich Dir glaube, es ist nicht der Ausdruck, mit dem ich Dich nach außen zeigen möchte. Du bist Dichterin und stehst für die Dichtung ein. Ob Du willst oder nicht. Und das ist eben das Komplizierte des Briefwechsels, ich muss jene sehen, deren Blick ich Dich „ausliefere“. Es geht nicht um „gewichtig“, unser Briefwechsel ist vor allem privat, nicht aus Gefallsucht geschrieben, nicht für eine Veröffentlichung gedacht. Und doch denke ich, dass wir alles, was auch nur aus unserer Feder fließt, zu verantworten haben. Selbst die Schmeichelei müsste zur Würde kommen. Mit einer neuen Wendung. Schaffen wir’s nicht, haben wir versagt.

      An Winfried Schindler, WinfriedSchindler, 13. Mai 2013 Nr. 16

      „Briefe sind Mitteilungen an sich selbst, die man zufällig frankiert hat.“*

      Es geht darum, dass es frankierte Mitteilungen sind, die wir deshalb Briefe nennen, obwohl es doch Briefe gab, die nicht frankiert werden mussten und dennoch Mitteilungen an sich selber waren: den Übermittler einbeziehend, den Boten hinzudenkend. Die Frankierung, nicht ihre Zufälligkeit, macht die Mitteilungen an sich selbst zum Brief. Tagebücher sind gewiss Mitteilungen an sich selbst, sie werden nicht frankiert und nicht Briefe genannt, obschon sie den nämlichen Adressaten im Sinn haben. Das Tagebuch ist eine Botschaft ohne Boten. Da mich „Brief“ und „Tagebuch“ gerade beschäftigen, darum kommt mir Ihr Aphorismus gelegen.

      * Winfried Schindler, WinfriedSchindler: Die Wirklichkeit der Illusion. Aphorismen. Annweiler: Sonnenberg 2009, Nr. 101

      An Friedemann Spicker, FriedemannSpicker, 23. Mai 2013 Nr. 17

      Die Probleme des autobiographischen Schreibens häufen sich bedrohlich. Ich wage sie nicht auszusprechen; die einer erneuten Brief-Edition sind geringer. Briefe plaudern die Tage selbst heraus. Dann suchen sie einander. Zusammentragen und Sichten – leicht gesagt, die Fülle ist erdrückend, wenn ich nur wüsste, wo anzufangen. Also fange ich bei unserem Briefwechsel an, den wir auf seinen Kerninhalt schon einmal – mit Erfolg – geprüft haben, was aber nicht besagt, dass nur kernlose Briefe übrigblieben.

      Es handelt sich – fast ausschließlich – um die PC-Jahre, ich möchte auf Handschriftliches nicht zurückgreifen, mich möglichst von Wien* freihalten – ohne „Recherchen“, gerade wie es mir vorliegt, mit allen Fehlern, die gereinigt werden müssten, und Kürzungen, die notwendig sind.

      Nur in seltenen Fällen käme ein ganzer Briefwechsel in Betracht, in jedem Fall muss eine Aussage bleiben, ich meine die Beziehung – Lebensweg oder Gedankengang – und der Brief, der alles enthält und doch auch für sich spricht. Ich habe unseren Briefwechsel nun zusammengetragen. Manches werde ich verloren, anderes übersehen haben, es ist dennoch unser Briefwechsel in all seinen Phasen und das Bild unserer Beziehung, die ich getreu erhalten möchte.

      Ich bitte Sie, das Ganze auf das Erhaltenswerte hin zu prüfen; korrigieren Sie, was sich korrigieren lässt, kürzen Sie oder schlagen Sie Kürzungen vor. Erst die mir vermittelten Vorstellungen sagten mir, was zu machen ist, was sich zu machen lohnt.

      Ich bleibe nur noch der Briefe wegen im Deutschen, und dies nicht über das Jahr 2014 hinaus.

      * Literatur-Archiv der Österreichischen National-Bibliothek, Wien

      An Martina Kraut, MartinaKraut, 2. Juli 2013 Nr. 18

      Das Schreiben macht Ihnen Freude, das Resultat ist ein Brief, ein Brief ist ein gerichtetes Wort, das sein Gesicht nicht verhüllt. Sie sprechen von sich und sprechen zu mir, nichts Schöneres als dies.

      Täten Sie es nicht, zu wem habe ich dann mit meinen Büchern gesprochen? Sie blieben jüdische Selbstgespräche. Auf diesen Punkt kommen wir noch – im Verlauf der Blätter – zurück. Ihren Berg müssen Sie sowieso besteigen oder versetzen, Sie tun es besser mit mir, da die Bereitschaft dazu in Ihnen entsteht.

      Von