In Erich HauptsHaupt, Erich KommentierungHaupt, Erich10 von Phil 2,5/6-11 wird (a) Phil 2,5-11 als „Muster“ für eine Gesinnung, nämlich die Übung von ταπεταπεινοφροσύνη, ταπείνωσις, ταπειν-ινοφροσύνη im Sinne von „Selbstlosigkeit, welche auf eignen Besitz und […] Wohl verzichten kann“ (60f.), verstanden. (b) Haupt begreift 2,5-11 als literarische Einheit, ohne den Abschnitt makro-kontextuell weiter einzubinden (vgl. 60). (c) Haupt versteht – so wie Meyer, aber anders als FrankeFranke, August H. – den ἁρπαγμόςἁρπαγμός, ἁρπάζω zunächst als actus rapiendi (69f.), bleibt aber bei dieser Deutung nicht stehen, weil er sie semantisch für inkonsistent hält. Haupt will den ἁρπαγμόςἁρπαγμός, ἁρπάζω letztlich nicht als (widerrechtlich angeeignete) Beute, sondern, unter Verweis auf Heliodorus (Aeth 7,20), als „Fund“ übersetzen (73): Demnach hielt Christus das εἶναι ἴσα θεῷ „nicht für einen Gegenstand, an dem er krampfhaft festhielt“ (73). Wie Meyer und Franke will auch Haupt nicht zwischen der μορφὴ θεοῦ und dem εἶναι ἴσα θεῷ qualitativ unterscheiden (69). (d) Die KenosisKenosis Christi in Phil 2,7 hält Haupt für eine unbestimmte Wendung, die sich nicht durch ihren möglichen Gegensatz zum ἁρπαγμόςἁρπαγμός, ἁρπάζω, sondern durch die Explikation μορφὴν δούλου λαβών und so im Kontrast zur μορφὴ θεοῦ erschließt (76f.). Auch Haupt knüpft in vielerlei Hinsicht an Meyer und Franke an, zeichnet sich aber gerade im Vergleich mit Franke durch eine klare und knappe Darstellung aus und sucht zielbewusst nach dem Gesamtverstehen von Phil 2,5/6ff.
Ernst LohmeyerLohmeyer, Ernst widmet sich auf den Seiten 90-99 seines Philipperbrief-Kommentars der Interpretation von Phil 2,5/6-11. Sie führt zu einer grundlegenden exegetischen Neubewertung und -deutung des Textabschnitts. (a) Lohmeyer versteht Phil 2,6ff. als einen vorpaulinischen „Hymnus“ und betrachtet den Abschnitt isoliert von seinem Kontext. Diese Deutung, die Lohmeyer schon in seinem „Kyrios Jesus“ (1927/1928) darlegt,Lohmeyer, Ernst11 ist teils durch formgeschichtliche Fragen,12 teils aber auch durch stilkritische Untersuchungen, die am Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt einsetzen, inspiriert.Lohmeyer, Ernst13 Die Bezeichnung von Phil 2,5/6ff. als Hymnus wird durch Lohmeyers Kommentar zum Philipperbrief terminologisch und genrespezifisch in die Forschung eingeführtLohmeyer, Ernst14 – weder bei Adolf DeissmannDeissmann, Adolf (1911) noch bei Martin DibeliusDibelius, Martin (19252) begegnet sie zuvor – und fortan von den zeitgenössischen Kommentatoren ganz selbstverständlich aufgenommen.Deissmann, AdolfDibelius, MartinChristuslied15
Nach LohmeyerLohmeyer, Ernst spricht Phil 2,6-11 als ein „Psalm“ (98) oder „Hymnus“ (91 oder 99) von „der Gegenständlichkeit eines göttlich-menschlichen Geschehens, nicht aber von der Vorbildlichkeit einer ethischen Gesinnung“ (98). Christus steht Paulus „in diesem Gedichte als Vorbild des Martyriums“ (98). (b) Zwar ordnet auch Lohmeyer Phil 2,5/6-11 dem Duktus von 1,27ff. zu – dieser handelt aber aus seiner Sicht von der „Gemeinde im MartyriumMartyrium, Märtyrer, martyrologisch“ (70). (c) Lohmeyer versteht – hierbei FrankeFranke, August H. ohne Nennung folgend – den ἁρπαγμόςἁρπαγμός, ἁρπάζω sowohl als res rapta und res rapienda, denn die Gestalt Christi ist „Kyrios kraft ihrer göttlichen Art und wird Kyrios wieder durch die eigene Tat“ (93). (d) Die KenosisKenosis Christi in Phil 2,7 deutet Lohmeyer als Beschreibung der „Menschwerdung“, als Vorgang, bei dem „die göttliche Gestalthaftigkeit […] der Knechtsgestalt weicht“ (93). Die diffizilen syntaktischen und dogmatischen Diskussionen über die christologische Bedeutung der Kenosis, wie sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts geführt wurden, setzt Lohmeyer indes nicht fort.
LohmeyersLohmeyer, Ernst sprachlich-literarische und sachliche Deutung des Textabschnitts setzte sich in der Exegese durch und wurde lange durchgehalten.Christuslied16 Sie hat, gerade weil sie einen formgeschichtlichen und philosophischen Ausweg aus den dogmengeschichtlichen Dilemmata der Auslegungsgeschichte aufzuzeigen versuchte, die früheren KEK-Kommentare zum Philipperbrief überboten, wenn nicht in den Schatten gestellt. Doch auch Lohmeyers Deutung steht zur Diskussion. Die kritische Auseinandersetzung mit seinem Zugang zum Philipperbrief in jüngster Zeit konzentriert sich zum einen darauf, die literarische Deutung von Phil 2,6-11 als Hymnus bzw. poetischer Text zurückzuweisen.17 Zum anderen wurde und wird an Lohmeyers martyrologischerMartyrium, Märtyrer, martyrologisch Deutung des Philipperbriefes Kritik geübtLohmeyer, ErnstMichaelis, Wilhelm18 und dabei auch die textpragmatische Funktion von Phil 2,6-11 neu überdacht.Lohmeyer, ErnstMartyrium, Märtyrer, martyrologischSelbst, self, selfhoodDemut19 Ein Blick in die Auslegungsgeschichte des Philipperbriefes im KEK des 19. Jahrhunderts kann daher dazu anleiten, nicht nur hinter Lohmeyers wirkungsvollen Kommentar zurückzufragen, sondern auch über diesen hinauszusehen.
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