In Lateinamerika, wo die USA Großbritannien als größten Handelspartner abgelöst hatten, wurde der Entwicklungs- und Modernisierungsprozess jäh beendet.
In Europa waren Großbritannien und Deutschland am härtesten betroffen. In Großbritannien erreichte die Arbeitslosigkeit 1932 einen Höchststand: ein Fünftel der Erwerbstätigen war arbeitslos. In Deutschland betrug die Arbeitslosenquote sogar ein Drittel der Erwerbstätigen. Die industrielle Produktion sank um 40 Prozent.
Die Welt zwischen kommunistischer Revolution und AutoritarismusAutoritarismus
Die weltwirtschaftliche Krise wurde begleitet durch die Auswirkungen der Russischen RevolutionRussische Revolution von 1917Effekte der Russischen Revolution 1917, die in vielen Staaten Resonanz fand. Sie führte mit der Entstehung kommunistischer Parteien zu einer Polarisierung der Parteienlandschaft vor allem in solchen Staaten, die eine starke landbesitzende Oligarchie hatten. Dazu gehörten beispielsweise auch Teile des Deutschen Reiches.
Unmittelbarer Auslöser der Revolution in Russland war das Versagen der zaristischen Regierung bei der Versorgung ihrer Soldaten während des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs. Die längerfristigen Ursachen lagen aber in der Unfähigkeit der russischen Monarchie, eine Modernisierung und Industrialisierung der Gesellschaft zu befördern, wie sie in vielen anderen Staaten stattfanden. Die Oktoberrevolution 1917 führte unmittelbar in einen Bürgerkrieg (1918–1922) zwischen Bolschewisten, zaristischen und verschiedenen anderen Gruppierungen. Im Bürgerkrieg ging es auch um die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Russlands. Viele Territorien nutzten die Gelegenheit, sich für unabhängig zu erklären, wie der Kaukasus, Finnland, Estland, die Ukraine, Georgien, Weißrussland, Polen, Lettland und Litauen. Russland gelang es zunächst 1918 durch die Gründung der Russischen Sozialistischen Föderativen Republik und 1922 durch die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) einen Teil dieser Territorien in föderativen Strukturen wieder anzubinden. Unabhängig blieben jedoch Finnland und die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.
Beeinflusst durch die kommunistische Revolution und ab 1929 durch die Weltwirtschaftskrise vollzog sich zwischen 1917 und 1937 eine weitere umfassende Umwälzung in den Staatenverfassungen. In diesen zwei Dekaden befand sich die liberale Demokratie weltweit auf dem Rückzug. Der demokratische RückzugInnerstaatlicher Strukturwandel: Autokratische Transitionen in Lateinamerika und Europa betraf vor allem Lateinamerika und Europa. Auch hier können Daten das Ausmaß dieses Transformationsprozesses verdeutlichen. Zu Beginn der Zwischenkriegsperiode hatten fast alle europäischen Staaten demokratische Reformen eingeführt. An ihrem Ende waren mehr als die Hälfte von ihnen unter autoritärer Kontrolle (Skanning 2011).
Studien zum Prozess des demokratischen Rückzugs zeigen, dass die Staatengruppe, die in den Autoritarismus verfiel, einige Gemeinsamkeiten aufweistBegünstigende Faktoren für Autoritarismus:
Betroffen waren vor allem junge Demokratien, die die Weltwirtschaftskrise besonders getroffen hatte.
Staaten, die eine ausgeprägte landbesitzende Oligarchie hatten und in denen die Kirche relativ unabhängig vom Staat agierte, hatten eine größere Wahrscheinlichkeit, in Autoritarismus zu verfallen als Demokratien, die bereits länger etabliert waren und in denen Landbesitz gleichmäßiger verteilt war (Skanning 2011).
Als Ergebnis dieser autoritären Wellen war ein Großteil der existierenden Staaten in den 1930er Jahren autoritär regiert.
In vielen europäischen Staaten, aber auch in Japan, entwickelten sich faschistische bzw. extrem nationalistische Bewegungen. Fast alle osteuropäischen Staaten schlugen in Diktaturen um: Den Anfang machte 1920 Ungarn, danach folgten 14 weitere Regierungswechsel, von denen 12 Staaten betroffen waren (Portugal und Spanien erlebten in dieser Zeit je zwei Regierungswechsel). In Spanien führte dies 1936 zu einem offenen Bürgerkrieg, der 1939 mit der Machtübernahme General Francisco Francos endete. In Rumänien verhinderte der König 1938 durch Einsetzung einer Königsdiktatur die Machtübernahme der „Eisernen Garde“, die sich an die NSDAP und die Nationale Faschistische Partei Italiens anlehnte (vgl. Tabelle 1.8 und Rudolf/Oswalt 2010: 170–171). In Zentralamerika kam es zu einer ähnlichen Autoritarismuswelle. Hier kam es in kurzem Abstand zwischen 1930 und 1936 zur Errichtung von Militärdiktaturen in der Dominikanischen Republik, Guatemala, El Salvador, Honduras, Kuba und Nicaragua.
Jahr | Betroffene Staaten |
1920 | Ungarn |
1921 | |
1922 | Italien |
1923 | Spanien |
1924 | |
1925 | |
1926 | Portugal, Polen |
1927 | |
1928 | |
1929 | Jugoslawien |
1930 | Dominikanische Republik, Guatemala |
1931 | |
1932 | El Salvador, Honduras |
1933 | Deutschland, Österreich, Portugal, Kuba |
1934 | Lettland, Estland, Bulgarien |
1935 | |
1936 | Griechenland, Spanien, Nicaragua |
1937 | |
1938 | Rumänien |
Globale Autoritarismuswelle 1920–1938
Das Ergebnis dieser Transformation war, dass Faschismus und Kommunismus als Ideologien zu mächtigen Gegenspielern von Liberalismus und dem Modell der parlamentarischen Demokratie aufstiegenFaschismus und Kommunismus als Gegenspieler zur parlamentarischen Demokratie. Sie entwickelten sich in den internationalen Beziehungen zu einer starken Einflussgröße und schlossen sich wechselseitig aus. Der Kommunismus propagierte die Solidarität zwischen einer internationalen Arbeiterschaft unabhängig von ihrer Nationalität und war damit transnational ausgerichtet. Er richtete sich mit dem Ziel der Umverteilung von Grund und Boden aber auch gegen die landbesitzende Oligarchie. Der Faschismus richtete sich an die Mitglieder einer Nation, die sich an rassischen Merkmalen orientierte. Aber auch er vermochte es, eine transnationale Anhängerschaft zu generieren (Bell 2013: 58).
Liberalismus | konträre realpolitische Annahmen | Kommunismus |
ParlamentarismusEinbezug der Öffentlichkeitdas Individuum steht als Wähler im MittelpunktHerrschaftslegitimation durch Volkssouveränität | politische und rechtliche Gleichheit der Bürger→ | antidemokratische Orientierungnicht das Individuum, sondern das Wohl aller steht im MittelpunktBruch mit der demokratischen Ordnung und der Bourgeoisie zum Wohle der unteren Arbeiterschichten |
←soziale und ökonomische Ungleichheit der Bürger |
Liberalismus und Kommunismus im Vergleich
Flottenrüstungswettlauf in Asien und Europa
Der Ende des 19. Jahrhunderts begonnene Flottenrüstungswettlauf setzte sich auch nach dem Ende des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs fort, trotz der „allgemeinen Abrüstung“, die laut Völkerbund vorgesehen war. Die Ursachen für diesen RüstungswettlaufRüstungswettlauf lagen in den Interaktionen zwischen den globalen Aufsteigernationen Japan, USA und Deutschland auf der einen Seite und Großbritannien auf der anderen Seite. Zwar war Deutschland durch die Versailler Verträge erheblich außenpolitisch eingeschränkt, seine hegemonialen Ambitionen waren aber damit nicht gebrochen.
Der Flottenrüstungswettlauf setzte sich zunächst über Entwicklungen in Asien fort. Das hatte damit dazu tun, dass die Beziehungen der wichtigsten Staaten in dieser Region (Großbritannien, die USA, Japan, Frankreich) durch den Ersten WeltkriegErster Weltkrieg kaum berührt worden waren. Der einzige Effekt des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs in dieser Region war, dass laut Versailler VertragVersailler Verträge die deutschen Kolonien Japan übertragen wurden. Somit setzte sich gerade dort der Flottenrüstungswettlauf aus der Vorkriegszeit fort, auch wenn es zum Teil wichtige Vereinbarungen gab, diesen zu beschränken. Über die gemeinsame Präsenz von Großbritannien und Frankreich in Asien bestanden InterdependenzInterdependenzen zwischen den Vereinbarungen zur Flottenstärke in Asien und in Europa. Da die Abrüstungsvereinbarungen in Asien eine Aufrüstung in Europa ermöglichten, scheiterten schließlich die internationalen Abrüstungsverhandlungen.
Zwischen